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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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boote zurückgehen wollte, mußte man bei der Reduction der Maße irgendwo
eine Grenze ziehen. Ob dieselbe die Fregatte noch einschloß oder bereits vor
der Corvette abschnitt, darauf kam vielleicht vorerst nicht viel an. Aber rich¬
tiger war es und es machte sicher ein bestimmendes Motiv aus, daß die
Fregatte vermöge ihrer größeren Länge ein im Allgemeinen schneller segelndes
oder dampfendes Fahrzeug wie die Corvette ist. Diesen Vortheil durfte man
sich nicht entgehen lassen, und er war, wie gesagt, für die endliche Entschließung
entscheidend.

Man steht also in Amerika im Begriff die Zwei- und Dreidecker aufzu¬
geben, und die große Fregatte, freilich anders construirt wie die seitherigen,
zum Normalschiff zu erheben. Die Wahl scheint gerechtfertigt und man muß
im Voraus erwarten, daß sie nicht ohne Nachahmung bleiben wird. Die
Macht, welche am ehesten in die transatlatttischen Pfade einlenken dürfte,
scheint leider Rußland zu sein. Es ist nämlich Thatsache, daß nach dem
Kriege dort keine Neubauten von Linienschiffen anbefohlen, sondern in
England wie in Frankreich, wo man neuerdings bedeutende Bestellungen
machte, so wie auf den russischen Wersten selbst, nur Fregatten in Angriff ge¬
nommen worden sind. Es ist wichtig, hierauf aufmerksam zu machen, weil es
für uns Deutsche durchaus nicht gleichgiltig sein kann, ob die Marine unseres
nächsten und drohendsten Nachbars, von dem ein im Volke umgehendes rich¬
tiges Vorgefühl uns sagt, daß er der Hauptfeind unserer Zukunft sein wird,
sich in einem zweckgcmäßen Zustande befindet oder nicht. Die Geringschätzung,
welche man in England und auch in Frankreich vor den Leistungen der
Russen zur See'hegt, und die, wenn möglich, durch deren Nückhaltung ihrer
Geschwader hinter den Forts von Kronstäbe und Sebastopol noch gewachsen
ist, scheint keine durchweg verdiente zu sein und kann in einer späteren Zeit
auch für uns, die wir in maritimer Hinsicht noch lange Zeit auf die Unter¬
stützung Englands, als unseres naturgemäßen Bundesgenossen, angewiesen sein
werden, bittere Früchte tragen. Man vergesse nicht, daß Nußland bereits vor
dem Kriege im Marinewesen' einen eigenen Weg gegangen ist, der, wie man
nicht umhin kann anzuerkennen, ganz verständig war. Was unserem heutigen
Seekriegswesen mehr und mehr die Form aufzudrücken anfängt, hat es beinahe
eher und präciser herauserkannt wie England und Frankreich. Man weiß,
daß die russischen Bombenkanonen diejenigen der Verbündeten im Kaliber
übertrafen und daß sie bezüglich ihrer ungeheueren Schußweiten die Alliirten
in Erstaunen setzten.

Dieses Vorgehen Rußlands muß um so mehr Wunder nehmen und be¬
ängstigen, wenn man andererseits wahrnimmt, wie sonst intelligente Regie¬
rungen in der bezüglichen Branche einen durchaus falschen Weg einschlagen.
Indem ich dies schreibe, habe ich namentlich Oestreich im Sinne, wo man sich


boote zurückgehen wollte, mußte man bei der Reduction der Maße irgendwo
eine Grenze ziehen. Ob dieselbe die Fregatte noch einschloß oder bereits vor
der Corvette abschnitt, darauf kam vielleicht vorerst nicht viel an. Aber rich¬
tiger war es und es machte sicher ein bestimmendes Motiv aus, daß die
Fregatte vermöge ihrer größeren Länge ein im Allgemeinen schneller segelndes
oder dampfendes Fahrzeug wie die Corvette ist. Diesen Vortheil durfte man
sich nicht entgehen lassen, und er war, wie gesagt, für die endliche Entschließung
entscheidend.

Man steht also in Amerika im Begriff die Zwei- und Dreidecker aufzu¬
geben, und die große Fregatte, freilich anders construirt wie die seitherigen,
zum Normalschiff zu erheben. Die Wahl scheint gerechtfertigt und man muß
im Voraus erwarten, daß sie nicht ohne Nachahmung bleiben wird. Die
Macht, welche am ehesten in die transatlatttischen Pfade einlenken dürfte,
scheint leider Rußland zu sein. Es ist nämlich Thatsache, daß nach dem
Kriege dort keine Neubauten von Linienschiffen anbefohlen, sondern in
England wie in Frankreich, wo man neuerdings bedeutende Bestellungen
machte, so wie auf den russischen Wersten selbst, nur Fregatten in Angriff ge¬
nommen worden sind. Es ist wichtig, hierauf aufmerksam zu machen, weil es
für uns Deutsche durchaus nicht gleichgiltig sein kann, ob die Marine unseres
nächsten und drohendsten Nachbars, von dem ein im Volke umgehendes rich¬
tiges Vorgefühl uns sagt, daß er der Hauptfeind unserer Zukunft sein wird,
sich in einem zweckgcmäßen Zustande befindet oder nicht. Die Geringschätzung,
welche man in England und auch in Frankreich vor den Leistungen der
Russen zur See'hegt, und die, wenn möglich, durch deren Nückhaltung ihrer
Geschwader hinter den Forts von Kronstäbe und Sebastopol noch gewachsen
ist, scheint keine durchweg verdiente zu sein und kann in einer späteren Zeit
auch für uns, die wir in maritimer Hinsicht noch lange Zeit auf die Unter¬
stützung Englands, als unseres naturgemäßen Bundesgenossen, angewiesen sein
werden, bittere Früchte tragen. Man vergesse nicht, daß Nußland bereits vor
dem Kriege im Marinewesen' einen eigenen Weg gegangen ist, der, wie man
nicht umhin kann anzuerkennen, ganz verständig war. Was unserem heutigen
Seekriegswesen mehr und mehr die Form aufzudrücken anfängt, hat es beinahe
eher und präciser herauserkannt wie England und Frankreich. Man weiß,
daß die russischen Bombenkanonen diejenigen der Verbündeten im Kaliber
übertrafen und daß sie bezüglich ihrer ungeheueren Schußweiten die Alliirten
in Erstaunen setzten.

Dieses Vorgehen Rußlands muß um so mehr Wunder nehmen und be¬
ängstigen, wenn man andererseits wahrnimmt, wie sonst intelligente Regie¬
rungen in der bezüglichen Branche einen durchaus falschen Weg einschlagen.
Indem ich dies schreibe, habe ich namentlich Oestreich im Sinne, wo man sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/230>, abgerufen am 22.07.2024.