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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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des Mittelalters denselben feinen Organismus gehabt, welcher jetzt das Pfund
Neis in Kalkutta steigen macht, so oft die deutschen Feldmäuse der Wintersaat
durch kräftige Familienentwicklung lästig werden. Wenn aber auch vor vier¬
hundert Jahren feines kindisches Tuch und indisches Gewürz dem Bürger
einer Binnvnstadt oder dem Dienstmann eines fränkischen Grafen zuweilen un¬
erhört theuer wurde, und wenn auch zeitweise das schwere Geld deS Kaisers
oder der Sachsen selten zu sehen war, in dem kleinen Verkehr zwischen Stadt
und Land überdauerte der gute Glaube an das Landesgcld manche vorüber¬
gehende Verschlechterung desselben, ja er widerstand auch einer dauernden
lange Zeit, und das allmälige Aufsteigen der Preise und Löhne wurde von
den meisten wie etwas Unerklärliches betrachtet'). -- Aus solchen Zuständen
stammt die in dem Volke noch lebende Vorstellung von einer guten alten Zeit,
in welcher das Geld besser war als jetzt, und alle Waaren viel billiger. Eine
gute alte Zeit hat es in Deutschland nie gegeben, aber in dem einen Sinne
hat die Volkstradition Recht, das Geld ist im Ganzen betrachtet seit 1000
Jahren immer leichter geworden, und deshalb auch daS Leben theurer.

Am Ende deS Is. Jahrhunderts, wo man wieder einmal das Bedürfniß
nach einem schweren Geldstück von gutem Silbergehalt fühlte, schlug man
zuerst 1484 in Böhmen ein Sillierstück von zwei Loth Schwere, welches "dem
rheinischen Goldgulden an Werth gleich sein sollte, und das man zum Unter¬
schied zuerst deu Güldengroschcn nannte. Diese schwere Münze erhielt später
von dem böhmischen Joachimsthal in manchen Gegenden den Namen Thaler
und behielt in mehren Kreisen, namentlich im Obersächsischen, diesen Namen,
während sie in andern als Silbergulden noch etwas leichter ausgebracht wurde.

Endlich in der Mitte deS 16. Jahrhunderts, jener merkwürdigen Zeit, in
welcher auch wiederholte Versuche gemacht wurden, dem deutschen Staats¬
leben größere Einheit zu geben, wurden die Klagen über Münzverwirrung so
laut, daß Kaiser und Reich endlich ein gemeinsames Reichsgeld beschlossen.
Auf zwei Reichstagen zu Augsburg wurde 1Sö9 der Silberguldcn und 1SK6
daneben der Reichsthaler zur Neichsmünze erhoben. Das Münzgewicht sollte
die kölnische Mark sein ; 8 Thaler oder 9^ Gulden sollten eine Mark wiegen,
in 9-/12 Thaler oder 10Vs Gulden sollte eine feine Mark Silber ent¬
halten sein/*) Diesen beiden maßgebenden Einheiten, welche im Werth




*) Noch i"i Jahr 1690 wird im tvrganer Münzreccß darüber "erlagt, daß das Pnbli-
ttim die nacre Werihlosigkcit des leichten,' in Heckcnmünzen geprägte" Neides, welches 2"
bis 30 Proc. schlechter sei, als z. B. das kursächsischc, nicht begreife, n"d daß man mit 2
Proce. Aufschlag überall Hcckciigcld gegen gutes umsehen könne.
"
) Bis Mitte des 17. JahrhmiderlS wog man die Münzen nicht "ach ihrem Gehalt an
feinem Silber, solider" man wog das Kupfer der ^egirnng dazu. Ma" sagte z. B- es sollen
gehen 8 Reichsthaler ans die kölnische Mark, und die Mark soll ausgebracht werde" z"
9 Rthlr. 2 g>., man drückte damit ans: !" Nthlr. 2 gr.' sollen eine Ma/k feines Silber e"t

des Mittelalters denselben feinen Organismus gehabt, welcher jetzt das Pfund
Neis in Kalkutta steigen macht, so oft die deutschen Feldmäuse der Wintersaat
durch kräftige Familienentwicklung lästig werden. Wenn aber auch vor vier¬
hundert Jahren feines kindisches Tuch und indisches Gewürz dem Bürger
einer Binnvnstadt oder dem Dienstmann eines fränkischen Grafen zuweilen un¬
erhört theuer wurde, und wenn auch zeitweise das schwere Geld deS Kaisers
oder der Sachsen selten zu sehen war, in dem kleinen Verkehr zwischen Stadt
und Land überdauerte der gute Glaube an das Landesgcld manche vorüber¬
gehende Verschlechterung desselben, ja er widerstand auch einer dauernden
lange Zeit, und das allmälige Aufsteigen der Preise und Löhne wurde von
den meisten wie etwas Unerklärliches betrachtet'). — Aus solchen Zuständen
stammt die in dem Volke noch lebende Vorstellung von einer guten alten Zeit,
in welcher das Geld besser war als jetzt, und alle Waaren viel billiger. Eine
gute alte Zeit hat es in Deutschland nie gegeben, aber in dem einen Sinne
hat die Volkstradition Recht, das Geld ist im Ganzen betrachtet seit 1000
Jahren immer leichter geworden, und deshalb auch daS Leben theurer.

Am Ende deS Is. Jahrhunderts, wo man wieder einmal das Bedürfniß
nach einem schweren Geldstück von gutem Silbergehalt fühlte, schlug man
zuerst 1484 in Böhmen ein Sillierstück von zwei Loth Schwere, welches "dem
rheinischen Goldgulden an Werth gleich sein sollte, und das man zum Unter¬
schied zuerst deu Güldengroschcn nannte. Diese schwere Münze erhielt später
von dem böhmischen Joachimsthal in manchen Gegenden den Namen Thaler
und behielt in mehren Kreisen, namentlich im Obersächsischen, diesen Namen,
während sie in andern als Silbergulden noch etwas leichter ausgebracht wurde.

Endlich in der Mitte deS 16. Jahrhunderts, jener merkwürdigen Zeit, in
welcher auch wiederholte Versuche gemacht wurden, dem deutschen Staats¬
leben größere Einheit zu geben, wurden die Klagen über Münzverwirrung so
laut, daß Kaiser und Reich endlich ein gemeinsames Reichsgeld beschlossen.
Auf zwei Reichstagen zu Augsburg wurde 1Sö9 der Silberguldcn und 1SK6
daneben der Reichsthaler zur Neichsmünze erhoben. Das Münzgewicht sollte
die kölnische Mark sein ; 8 Thaler oder 9^ Gulden sollten eine Mark wiegen,
in 9-/12 Thaler oder 10Vs Gulden sollte eine feine Mark Silber ent¬
halten sein/*) Diesen beiden maßgebenden Einheiten, welche im Werth




*) Noch i»i Jahr 1690 wird im tvrganer Münzreccß darüber «erlagt, daß das Pnbli-
ttim die nacre Werihlosigkcit des leichten,' in Heckcnmünzen geprägte» Neides, welches 2»
bis 30 Proc. schlechter sei, als z. B. das kursächsischc, nicht begreife, n»d daß man mit 2
Proce. Aufschlag überall Hcckciigcld gegen gutes umsehen könne.
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) Bis Mitte des 17. JahrhmiderlS wog man die Münzen nicht »ach ihrem Gehalt an
feinem Silber, solider» man wog das Kupfer der ^egirnng dazu. Ma» sagte z. B- es sollen
gehen 8 Reichsthaler ans die kölnische Mark, und die Mark soll ausgebracht werde» z»
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[0215] des Mittelalters denselben feinen Organismus gehabt, welcher jetzt das Pfund Neis in Kalkutta steigen macht, so oft die deutschen Feldmäuse der Wintersaat durch kräftige Familienentwicklung lästig werden. Wenn aber auch vor vier¬ hundert Jahren feines kindisches Tuch und indisches Gewürz dem Bürger einer Binnvnstadt oder dem Dienstmann eines fränkischen Grafen zuweilen un¬ erhört theuer wurde, und wenn auch zeitweise das schwere Geld deS Kaisers oder der Sachsen selten zu sehen war, in dem kleinen Verkehr zwischen Stadt und Land überdauerte der gute Glaube an das Landesgcld manche vorüber¬ gehende Verschlechterung desselben, ja er widerstand auch einer dauernden lange Zeit, und das allmälige Aufsteigen der Preise und Löhne wurde von den meisten wie etwas Unerklärliches betrachtet'). — Aus solchen Zuständen stammt die in dem Volke noch lebende Vorstellung von einer guten alten Zeit, in welcher das Geld besser war als jetzt, und alle Waaren viel billiger. Eine gute alte Zeit hat es in Deutschland nie gegeben, aber in dem einen Sinne hat die Volkstradition Recht, das Geld ist im Ganzen betrachtet seit 1000 Jahren immer leichter geworden, und deshalb auch daS Leben theurer. Am Ende deS Is. Jahrhunderts, wo man wieder einmal das Bedürfniß nach einem schweren Geldstück von gutem Silbergehalt fühlte, schlug man zuerst 1484 in Böhmen ein Sillierstück von zwei Loth Schwere, welches "dem rheinischen Goldgulden an Werth gleich sein sollte, und das man zum Unter¬ schied zuerst deu Güldengroschcn nannte. Diese schwere Münze erhielt später von dem böhmischen Joachimsthal in manchen Gegenden den Namen Thaler und behielt in mehren Kreisen, namentlich im Obersächsischen, diesen Namen, während sie in andern als Silbergulden noch etwas leichter ausgebracht wurde. Endlich in der Mitte deS 16. Jahrhunderts, jener merkwürdigen Zeit, in welcher auch wiederholte Versuche gemacht wurden, dem deutschen Staats¬ leben größere Einheit zu geben, wurden die Klagen über Münzverwirrung so laut, daß Kaiser und Reich endlich ein gemeinsames Reichsgeld beschlossen. Auf zwei Reichstagen zu Augsburg wurde 1Sö9 der Silberguldcn und 1SK6 daneben der Reichsthaler zur Neichsmünze erhoben. Das Münzgewicht sollte die kölnische Mark sein ; 8 Thaler oder 9^ Gulden sollten eine Mark wiegen, in 9-/12 Thaler oder 10Vs Gulden sollte eine feine Mark Silber ent¬ halten sein/*) Diesen beiden maßgebenden Einheiten, welche im Werth *) Noch i»i Jahr 1690 wird im tvrganer Münzreccß darüber «erlagt, daß das Pnbli- ttim die nacre Werihlosigkcit des leichten,' in Heckcnmünzen geprägte» Neides, welches 2» bis 30 Proc. schlechter sei, als z. B. das kursächsischc, nicht begreife, n»d daß man mit 2 Proce. Aufschlag überall Hcckciigcld gegen gutes umsehen könne. " ) Bis Mitte des 17. JahrhmiderlS wog man die Münzen nicht »ach ihrem Gehalt an feinem Silber, solider» man wog das Kupfer der ^egirnng dazu. Ma» sagte z. B- es sollen gehen 8 Reichsthaler ans die kölnische Mark, und die Mark soll ausgebracht werde» z» 9 Rthlr. 2 g>., man drückte damit ans: !» Nthlr. 2 gr.' sollen eine Ma/k feines Silber e»t

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/215>, abgerufen am 02.10.2024.