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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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neuere Zeit in Europa conservirt. Aber freilich die Name" viel länger, als
das ursprüngliche Gewicht. Denn die romanischen Münzen livre, sol, "Zönier,
sind ebenso sehr von dem altrömischen Gewicht heruntergekommen, als der
deutsche Schilling, der Nachkomme des "ulicws. Dieselbe Erscheinung, welche
schon in der Römerzeit fatal wird, geht durch das ganze Mittelalter. Die
Münzen haben unaufhörlich das Bestreben leichter zu werden, nicht nur die
kleinere" Verkehrömünzcn, auch daS grobe Courant. Diese Verringerung im
Gehalte der Münzen zwang von Zeit zu Zeit, neue größere Münzen zu schla¬
gen, oder die bestehenden als Theile einer größern Einheit zusammenzufassen.
So waren Schillinge, Groschen (von xroKsus. daS dicke Silberstück) Pfennige
lwahrscheinlich von >,LnsaI.U8. das nach dem schweren Gewichtpfund und nicht
nach dem Zahlpfund gemünzte Stück) und sogar Heller (HallenstS) ursprüng¬
lich schwerere Silbermünzen, bis die allmälige große Verringerung ihres Ge¬
haltes endlich dazu trieb, sie unter höhere" Einheiten, unter dem Begriff von
Schock, Pfund, Mark (einem germanischen Gewicht, ursprünglich etwa ^/z des
römischen Pfundes, dann ^ des deutschen Pfundes) zusammenzuziehen. Aber
der Ausdruck Pfund Heller, Mark Schillinge, Schock Groschen wird selbst wieder
ein Zahlwerth, welcher das ursprüngliche Gewicht verliert und sich ebensogut
Verschlechtert, als die einzelnen geprägte" Stücke. -- Und wieder schlug mau
in dem Bedürsinß nach einer schwere", maßgebende" Münzeiicheit große Stücke
mit neuem Gepräge, unter guten Vorsätzen, tüchtig in Schrot und Korn,
so den Silbergulden, den Thaler, aber auch diese wurden unaufhaltsam
leichter.

In seinen Goldmünzen war Deutschland im Mittelalter von Italien ab¬
hängig. Aus dem kleinen Goldstück Von Florenz vo" seinem Gold (woher
der Name Floren) wurde in Deutschland schon im frühen Mittelalter das rhei¬
nische Goldstück, der Gulden. Ihrer Natur nach waren die Goldmünze" nicht
so schnellen Schwankungen im Gewicht und Femgehalt unterworfen, wie betrü¬
gerisch sie auch von einzelnen Münzherrn ausgebracht wurden. So kam es,
daß sie, obgleich ihrem ganzen Wesen nach Handelsmünze, doch oft bei der
schlechten Ausprägung des Silbers dem Handel die eigentliche" Regulatoren
für den Werth des Silbers und der Waaren wurden, und deshalb geht bis
in das vorige Jahrhundert durch das deutsche Münzwese" el" erfolgloses Be¬
strebe", de" Cours des schlechte" Silbergeldes mit dem schwankende" Course
des Goldes in festes Verhältniß zu setzen. Dies Verhältniß war dau" aller¬
dings unklar und wurde zuweilen falsch normirt. Die praktische Folge dieser
Unklarheit war eine dauernde Abhängigkeit des deutschen Geldmarktes von den
Handelsplätze" des Auslandes, zuerst von Italien, später von Holland; und
was damit zusammenhäiigt, ein dauerndes Ausbeuten der deutschen Münz-
verwirruug durch das Ausland, welches fast immer irgendwo in Deutschland


neuere Zeit in Europa conservirt. Aber freilich die Name» viel länger, als
das ursprüngliche Gewicht. Denn die romanischen Münzen livre, sol, «Zönier,
sind ebenso sehr von dem altrömischen Gewicht heruntergekommen, als der
deutsche Schilling, der Nachkomme des «ulicws. Dieselbe Erscheinung, welche
schon in der Römerzeit fatal wird, geht durch das ganze Mittelalter. Die
Münzen haben unaufhörlich das Bestreben leichter zu werden, nicht nur die
kleinere» Verkehrömünzcn, auch daS grobe Courant. Diese Verringerung im
Gehalte der Münzen zwang von Zeit zu Zeit, neue größere Münzen zu schla¬
gen, oder die bestehenden als Theile einer größern Einheit zusammenzufassen.
So waren Schillinge, Groschen (von xroKsus. daS dicke Silberstück) Pfennige
lwahrscheinlich von >,LnsaI.U8. das nach dem schweren Gewichtpfund und nicht
nach dem Zahlpfund gemünzte Stück) und sogar Heller (HallenstS) ursprüng¬
lich schwerere Silbermünzen, bis die allmälige große Verringerung ihres Ge¬
haltes endlich dazu trieb, sie unter höhere» Einheiten, unter dem Begriff von
Schock, Pfund, Mark (einem germanischen Gewicht, ursprünglich etwa ^/z des
römischen Pfundes, dann ^ des deutschen Pfundes) zusammenzuziehen. Aber
der Ausdruck Pfund Heller, Mark Schillinge, Schock Groschen wird selbst wieder
ein Zahlwerth, welcher das ursprüngliche Gewicht verliert und sich ebensogut
Verschlechtert, als die einzelnen geprägte» Stücke. — Und wieder schlug mau
in dem Bedürsinß nach einer schwere», maßgebende» Münzeiicheit große Stücke
mit neuem Gepräge, unter guten Vorsätzen, tüchtig in Schrot und Korn,
so den Silbergulden, den Thaler, aber auch diese wurden unaufhaltsam
leichter.

In seinen Goldmünzen war Deutschland im Mittelalter von Italien ab¬
hängig. Aus dem kleinen Goldstück Von Florenz vo» seinem Gold (woher
der Name Floren) wurde in Deutschland schon im frühen Mittelalter das rhei¬
nische Goldstück, der Gulden. Ihrer Natur nach waren die Goldmünze» nicht
so schnellen Schwankungen im Gewicht und Femgehalt unterworfen, wie betrü¬
gerisch sie auch von einzelnen Münzherrn ausgebracht wurden. So kam es,
daß sie, obgleich ihrem ganzen Wesen nach Handelsmünze, doch oft bei der
schlechten Ausprägung des Silbers dem Handel die eigentliche» Regulatoren
für den Werth des Silbers und der Waaren wurden, und deshalb geht bis
in das vorige Jahrhundert durch das deutsche Münzwese» el» erfolgloses Be¬
strebe», de» Cours des schlechte» Silbergeldes mit dem schwankende» Course
des Goldes in festes Verhältniß zu setzen. Dies Verhältniß war dau» aller¬
dings unklar und wurde zuweilen falsch normirt. Die praktische Folge dieser
Unklarheit war eine dauernde Abhängigkeit des deutschen Geldmarktes von den
Handelsplätze» des Auslandes, zuerst von Italien, später von Holland; und
was damit zusammenhäiigt, ein dauerndes Ausbeuten der deutschen Münz-
verwirruug durch das Ausland, welches fast immer irgendwo in Deutschland


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/213>, abgerufen am 01.10.2024.