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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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gebrauchen konnten, schon zu ihrer Zeit Licht gegeben haben. Wagner findet
es deshalb ganz begreiflich, daß es in der ersten Weltordnung schon helle ge¬
wesen sei, als die Engel aber alles vernichtet hatten, sei wieder eine grauen¬
hafte Finsterniß entstanden. Jetzt schuf Gott aber zuerst daS Licht, am dritten
Tage ließ die Erde schon Gras, Kraut und Bäume aufgehen und erst am
vierten Tage erschien die Sonne. Wie ist dies zu erklären? Hierüber gibt
der Vf. uns beim vierten Tagewerke Auskunft.

Buckland, sagt er, habe schon die Hypothese ausgestellt, die Sonne sei
schon vor undenklichen Zeiten geschaffen, aber durch Dünste und Nebel ver¬
hüllt gewesen; erst am vierten Tage sei sie dann zu ihren Dienstleistungen zu¬
gerichtet worden. Aber dies findet Wagner mit dem Wortlaute der Bibel doch
unvereinbar. Er meint daher, am ersten Tage sei wirklich das Licht geschaffen,
aber nicht daS Sonnenlicht, sondern nur das allgemeine Lichtagens, wir
wüßten ja doch, daß daS Zerbrechen oder Reiben harter Körper, die Com-
pression von Luftarten, der Verbrennungsproceß, die Elektricität u. s. w. auch
ohne Einwirkung der Sonne ein Leuchten hervorbringe. Er beruft sich auf Hum¬
boldt, der das Nordlicht als ein der Erde eigenthümliches Leuchten bezeichnet
und meinte, solches Nordlicht habe vor der Erschaffung der Sonne auf der
Erde stattgefunden. Der alte Haydn hat darnach in seiner ehrlichen Naivetät
einen großen Fehler gemacht, als er in seiner Schöpfung aus dem finstern
Chaos plötzlich das schöne klare Sonnenlicht hervorbrechen ließ, er hätte nur
eine Art von Nordlicht spielen lassen dürfen. Es scheint Wagner indessen
doch bedenklich gewesen zu sein, die Erschaffung der Sonne später zu setzen,
als die der Erde, er sagt freilich nicht warum, aber natürlich wäre durch eine
nachträgliche Erschaffung des Centralkörpers eine so enorme Revolution auf
der Erde entstanden, daß selbst die bösen Engel keine ärgere hätten anrichten
können. Er findet daher annehmbarer, daß die Gestirne zwar schon vorhan¬
den, aber dunkel gewesen seien, später seien sie nur sür ihre besondere Be¬
stimmung zubereitet worden, das allgemeine LichtagenS habe sich in concrete
Centralpunkte concentrirt, das Licht sei an die Sterne gewiesen worden. Daß
der Sonnenkörper an sich dunkel und nur von einem leuchtenden Dunstkreise
umgeben sei, scheint ihm zu nicht geringer Bestätigung seiner Ansicht zu dienen.
Unsere Leser werden diese Cvnjecturen vielleicht etwas zu scharfsinnig finden,
und die Physiker über dies Concentriren und Hinweisen des Lichts etwas be¬
denklich werden, aber was ist zu machen? Die Schöpfungsgeschichte und die
Physik sollen und müssen nun einmal übereinstimmen. Wenn also in der
Bibel steht, Gott machte zwei große Lichter, ein großes und ein kleines, dazu
auch Sterne und setzte sie an die Feste deS Himmels, so muß, es koste was
es wolle, darunter verstanden werden, alle Gestirne waren schon da, aber
es fehlte den Fixsternen noch der leuchtende Dunstkreis, dieser wurde ge-


gebrauchen konnten, schon zu ihrer Zeit Licht gegeben haben. Wagner findet
es deshalb ganz begreiflich, daß es in der ersten Weltordnung schon helle ge¬
wesen sei, als die Engel aber alles vernichtet hatten, sei wieder eine grauen¬
hafte Finsterniß entstanden. Jetzt schuf Gott aber zuerst daS Licht, am dritten
Tage ließ die Erde schon Gras, Kraut und Bäume aufgehen und erst am
vierten Tage erschien die Sonne. Wie ist dies zu erklären? Hierüber gibt
der Vf. uns beim vierten Tagewerke Auskunft.

Buckland, sagt er, habe schon die Hypothese ausgestellt, die Sonne sei
schon vor undenklichen Zeiten geschaffen, aber durch Dünste und Nebel ver¬
hüllt gewesen; erst am vierten Tage sei sie dann zu ihren Dienstleistungen zu¬
gerichtet worden. Aber dies findet Wagner mit dem Wortlaute der Bibel doch
unvereinbar. Er meint daher, am ersten Tage sei wirklich das Licht geschaffen,
aber nicht daS Sonnenlicht, sondern nur das allgemeine Lichtagens, wir
wüßten ja doch, daß daS Zerbrechen oder Reiben harter Körper, die Com-
pression von Luftarten, der Verbrennungsproceß, die Elektricität u. s. w. auch
ohne Einwirkung der Sonne ein Leuchten hervorbringe. Er beruft sich auf Hum¬
boldt, der das Nordlicht als ein der Erde eigenthümliches Leuchten bezeichnet
und meinte, solches Nordlicht habe vor der Erschaffung der Sonne auf der
Erde stattgefunden. Der alte Haydn hat darnach in seiner ehrlichen Naivetät
einen großen Fehler gemacht, als er in seiner Schöpfung aus dem finstern
Chaos plötzlich das schöne klare Sonnenlicht hervorbrechen ließ, er hätte nur
eine Art von Nordlicht spielen lassen dürfen. Es scheint Wagner indessen
doch bedenklich gewesen zu sein, die Erschaffung der Sonne später zu setzen,
als die der Erde, er sagt freilich nicht warum, aber natürlich wäre durch eine
nachträgliche Erschaffung des Centralkörpers eine so enorme Revolution auf
der Erde entstanden, daß selbst die bösen Engel keine ärgere hätten anrichten
können. Er findet daher annehmbarer, daß die Gestirne zwar schon vorhan¬
den, aber dunkel gewesen seien, später seien sie nur sür ihre besondere Be¬
stimmung zubereitet worden, das allgemeine LichtagenS habe sich in concrete
Centralpunkte concentrirt, das Licht sei an die Sterne gewiesen worden. Daß
der Sonnenkörper an sich dunkel und nur von einem leuchtenden Dunstkreise
umgeben sei, scheint ihm zu nicht geringer Bestätigung seiner Ansicht zu dienen.
Unsere Leser werden diese Cvnjecturen vielleicht etwas zu scharfsinnig finden,
und die Physiker über dies Concentriren und Hinweisen des Lichts etwas be¬
denklich werden, aber was ist zu machen? Die Schöpfungsgeschichte und die
Physik sollen und müssen nun einmal übereinstimmen. Wenn also in der
Bibel steht, Gott machte zwei große Lichter, ein großes und ein kleines, dazu
auch Sterne und setzte sie an die Feste deS Himmels, so muß, es koste was
es wolle, darunter verstanden werden, alle Gestirne waren schon da, aber
es fehlte den Fixsternen noch der leuchtende Dunstkreis, dieser wurde ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/202>, abgerufen am 12.12.2024.