Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.Bild von der Tochter des Todtengräbers, eine reizende Genremalerei; der Die komischen Genrebilder bleiben daS Beste. Mitunter kokettirt B"- Berangers poetisches Wirken fällt in eine Zeit, wo man der altfranzösischen *) Z- B. In dem reizende" Lied: His,n6it prwtsmxs! wo er währenddes Winters hört:
tintor sur I", vitro sonore lo xrssil leger <M iionäit. Solche Stellen, die man zahlreich in seine" Liedern findet, haben in der Poesie der Kaiserzeit nichts Aehnliches, auch nicht in der sogenannten descrtplive" Gattung. I. S. Bild von der Tochter des Todtengräbers, eine reizende Genremalerei; der Die komischen Genrebilder bleiben daS Beste. Mitunter kokettirt B«- Berangers poetisches Wirken fällt in eine Zeit, wo man der altfranzösischen *) Z- B. In dem reizende» Lied: His,n6it prwtsmxs! wo er währenddes Winters hört:
tintor sur I«, vitro sonore lo xrssil leger <M iionäit. Solche Stellen, die man zahlreich in seine» Liedern findet, haben in der Poesie der Kaiserzeit nichts Aehnliches, auch nicht in der sogenannten descrtplive» Gattung. I. S. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0197" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104398"/> <p xml:id="ID_522" prev="#ID_521"> Bild von der Tochter des Todtengräbers, eine reizende Genremalerei; der<lb/> ,>alte Vagabond" ist düster, aber ergreifend, die kräftige Farbe wird dein Inhalt<lb/> gerecht, es ist eine Romanze, die sich den besten Uhlands an die Seite stellen<lb/> kann. Die historischen Romanzen Charles VII., Louis XI. und les Adieur de<lb/> Marie Stuart klingen gut, sind aber ziemlich unbedeutend; die erste möchte<lb/> den Vorzug verdienen, weil sie echt französisch ist: Karl VII. ist nur eine zufällige<lb/> Maske für Roger Bontemps oder Jean de Paris. Unter den pathetischen<lb/> Gedichten gebührt Poniatowski (1831) die erste Stelle, das Bild ist schön aus¬<lb/> geführt, die spätere Anwendung desselben ebenso überraschend als richtig, der Ton<lb/> kräftig und wahr gefühlt, was man nicht immer von Beranger rühmen kann.<lb/> Mitunter merkt man doch hinter dem Deklamator den lachenden Kobold.</p><lb/> <p xml:id="ID_523"> Die komischen Genrebilder bleiben daS Beste. Mitunter kokettirt B«-<lb/> ranger freilich ein wenig mit seiner Bonhommie; er rühmt sich zu häufig,<lb/> ein Mann deS Volks zu sein, als daß man nicht merken sollte, er müsse sich<lb/> erst daran erinnern. Für den Liebling deS liberalen Sldelö und der vornehmen<lb/> Bourgeoisie ist die Carmagnole nur eine Theatermaske, und ältere Chanson¬<lb/> niers, namentlich Desaugicrs, sind unbefangener in ihrer Lustigkeit. Aber sie<lb/> bringen auch eine weit geringere Wirkung hervor. „Der kleine graue Mann",<lb/> „der alte Hagestolz", „das Hofkleid" selbst „die Katze", sind humoristische<lb/> Bilder, die der bloße Esprit nicht zu Stande gebracht hätte.</p><lb/> <p xml:id="ID_524"> Berangers poetisches Wirken fällt in eine Zeit, wo man der altfranzösischen<lb/> Einfachheit und Wahrheit entsagte, um sich romantischen Phantasiebildern oder<lb/> überschwenglichen Stimmungen zu überlassen. Durch seine einfache, durchsichtige,<lb/> lebendige Form vertritt er die gute alte Schule; durch die Energie und daS<lb/> malerische Moment seiner Dichtungen*) schließt er sich der neuen an. Die<lb/> gleichmäßige Bewunderung, die ihm von beiden Seiten zu Theil geworden ist,<lb/> sichert ihm seine Stelle in der Literaturgeschichte.</p><lb/> <note xml:id="FID_13" place="foot"> *) Z- B. In dem reizende» Lied: His,n6it prwtsmxs! wo er währenddes Winters hört:<lb/> tintor sur I«, vitro sonore lo xrssil leger <M iionäit. Solche Stellen, die man zahlreich in<lb/> seine» Liedern findet, haben in der Poesie der Kaiserzeit nichts Aehnliches, auch nicht in<lb/> der sogenannten descrtplive» Gattung.<note type="byline"> I. S.</note></note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0197]
Bild von der Tochter des Todtengräbers, eine reizende Genremalerei; der
,>alte Vagabond" ist düster, aber ergreifend, die kräftige Farbe wird dein Inhalt
gerecht, es ist eine Romanze, die sich den besten Uhlands an die Seite stellen
kann. Die historischen Romanzen Charles VII., Louis XI. und les Adieur de
Marie Stuart klingen gut, sind aber ziemlich unbedeutend; die erste möchte
den Vorzug verdienen, weil sie echt französisch ist: Karl VII. ist nur eine zufällige
Maske für Roger Bontemps oder Jean de Paris. Unter den pathetischen
Gedichten gebührt Poniatowski (1831) die erste Stelle, das Bild ist schön aus¬
geführt, die spätere Anwendung desselben ebenso überraschend als richtig, der Ton
kräftig und wahr gefühlt, was man nicht immer von Beranger rühmen kann.
Mitunter merkt man doch hinter dem Deklamator den lachenden Kobold.
Die komischen Genrebilder bleiben daS Beste. Mitunter kokettirt B«-
ranger freilich ein wenig mit seiner Bonhommie; er rühmt sich zu häufig,
ein Mann deS Volks zu sein, als daß man nicht merken sollte, er müsse sich
erst daran erinnern. Für den Liebling deS liberalen Sldelö und der vornehmen
Bourgeoisie ist die Carmagnole nur eine Theatermaske, und ältere Chanson¬
niers, namentlich Desaugicrs, sind unbefangener in ihrer Lustigkeit. Aber sie
bringen auch eine weit geringere Wirkung hervor. „Der kleine graue Mann",
„der alte Hagestolz", „das Hofkleid" selbst „die Katze", sind humoristische
Bilder, die der bloße Esprit nicht zu Stande gebracht hätte.
Berangers poetisches Wirken fällt in eine Zeit, wo man der altfranzösischen
Einfachheit und Wahrheit entsagte, um sich romantischen Phantasiebildern oder
überschwenglichen Stimmungen zu überlassen. Durch seine einfache, durchsichtige,
lebendige Form vertritt er die gute alte Schule; durch die Energie und daS
malerische Moment seiner Dichtungen*) schließt er sich der neuen an. Die
gleichmäßige Bewunderung, die ihm von beiden Seiten zu Theil geworden ist,
sichert ihm seine Stelle in der Literaturgeschichte.
*) Z- B. In dem reizende» Lied: His,n6it prwtsmxs! wo er währenddes Winters hört:
tintor sur I«, vitro sonore lo xrssil leger <M iionäit. Solche Stellen, die man zahlreich in
seine» Liedern findet, haben in der Poesie der Kaiserzeit nichts Aehnliches, auch nicht in
der sogenannten descrtplive» Gattung. I. S.
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