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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Man kann namentlich, wie jedermann weiß, mit Mörsern nicht Bresche legen.
Desgleichen wird es schwer gelingen, unter festen Wölbungen stehenden Ge¬
schützen irgend etwas damit anzuhaben. Scharten demontirt die niederfallende
Bombe endlich nur wie durch Zufall. Für alle diese Wirkungen bedarf man
des directen Feuers, zu dem nur Rohrgeschütze fähig sind.

Wenn hierüber nach allen bis dahin gemachten Erfahrungen keine Zweifel
mehr bestehen konnten, verblieb es dennoch Problem, welcher Art von Fahr¬
zeugen man zu dem betreffenden Zweck sich zu bedienen habe. Der jetzige
Kaiser der Franzosen entschied sich für die schwimmenden, auf ihrer Frontseite
mit dicken Eisenplatten gepanzerten und bombenfest eingedeckten, von einer
Schraube bewegten und außerdem mit einer Hilfsbemastung versehenen Bat¬
terien, wogegen man in England sich-mehr den Kanonenbooten zuzuneigen
schien und in dieser Hinsicht das gebotene Problem durch Monstergcschütze
zu lösen gedachte. Die Motivirung des letzteren Projectes war etwa die fol¬
gende. Ein Kanonenboot bietet dem feindlichen Feuer unter allen mit Rohr¬
geschützen armirten Fahrzeugen die verhältnißmäßig kleinste Zielflache dar und
Zwar vermindert sich naturgemäß die Wahrscheinlichkeit des Getroffenwerdens
mit der zunehmenden Distanz, in welcher sich das Boot vom Feinde befindet.
Wenn man letzteres auf 1000 Schritt vom Gegner entfernt hält, wird eS
schwer fallen, eine Kugel in seinen ganz flach über dem Wasser auftauchenden
Rumpf zu bringen; wenn man diese Entfernung aber auf 1300 oder 1800
Schritte steigert, nimmt die Sicherheit gegen das Getroffenwerden bedeutend
zu und sie wird eine beinahe absolute, mindestens für den Standpunkt, welchen
die russische Küstenartillerie im letzten Kriege inne hielt, wenn man bis auf
2000 und 2300 vom Gegner abbleibt. Allein auf diese letztere Entfernung
ist ein Brescheschießen mit den seitherigen Kanonen nicht möglich, indem die
Percussionskraft der Geschosse nicht mehr ausreicht, starke Mauern zu zertrüm¬
mern. Eben darum dachte man in England darauf, ein neues Geschütz für
diesen besonderen Zweck in Anwendung zu bringen, und verfiel dabei zuerst
auf die Lancasterkanone, die eine verunglückte Construction ist und eben des¬
halb nur wenig zu leisten vermochte. Muthmaßlich war daS Geschütz des
Contreadmirals Chads, welches die Flotte auf dem zweiten Seezuge nach
dem baltischen Meere mit sich führte, von derselben Galtung. Es kam, so viel
ich weiß, nicht zur Verwendung. Aber mit jener rühmenswerthen Zähigkeit,
welche die englische Flotte bei dem Verfolgen ihrer Pläne auszeichnet, hat
man jenseits des Kanals an dem Gedanken festgehalten, wofür noch neuer¬
dings die in der Times veröffentlichten mit "Vulcan" unterzeichneten Briefe
ein Beweis waren.

Eine endgiltige Entscheidung in Betreff der beiden Systeme der schwim¬
menden Batterien und der Kanonenboote, um Küstenbefestigungen in Bresche


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Man kann namentlich, wie jedermann weiß, mit Mörsern nicht Bresche legen.
Desgleichen wird es schwer gelingen, unter festen Wölbungen stehenden Ge¬
schützen irgend etwas damit anzuhaben. Scharten demontirt die niederfallende
Bombe endlich nur wie durch Zufall. Für alle diese Wirkungen bedarf man
des directen Feuers, zu dem nur Rohrgeschütze fähig sind.

Wenn hierüber nach allen bis dahin gemachten Erfahrungen keine Zweifel
mehr bestehen konnten, verblieb es dennoch Problem, welcher Art von Fahr¬
zeugen man zu dem betreffenden Zweck sich zu bedienen habe. Der jetzige
Kaiser der Franzosen entschied sich für die schwimmenden, auf ihrer Frontseite
mit dicken Eisenplatten gepanzerten und bombenfest eingedeckten, von einer
Schraube bewegten und außerdem mit einer Hilfsbemastung versehenen Bat¬
terien, wogegen man in England sich-mehr den Kanonenbooten zuzuneigen
schien und in dieser Hinsicht das gebotene Problem durch Monstergcschütze
zu lösen gedachte. Die Motivirung des letzteren Projectes war etwa die fol¬
gende. Ein Kanonenboot bietet dem feindlichen Feuer unter allen mit Rohr¬
geschützen armirten Fahrzeugen die verhältnißmäßig kleinste Zielflache dar und
Zwar vermindert sich naturgemäß die Wahrscheinlichkeit des Getroffenwerdens
mit der zunehmenden Distanz, in welcher sich das Boot vom Feinde befindet.
Wenn man letzteres auf 1000 Schritt vom Gegner entfernt hält, wird eS
schwer fallen, eine Kugel in seinen ganz flach über dem Wasser auftauchenden
Rumpf zu bringen; wenn man diese Entfernung aber auf 1300 oder 1800
Schritte steigert, nimmt die Sicherheit gegen das Getroffenwerden bedeutend
zu und sie wird eine beinahe absolute, mindestens für den Standpunkt, welchen
die russische Küstenartillerie im letzten Kriege inne hielt, wenn man bis auf
2000 und 2300 vom Gegner abbleibt. Allein auf diese letztere Entfernung
ist ein Brescheschießen mit den seitherigen Kanonen nicht möglich, indem die
Percussionskraft der Geschosse nicht mehr ausreicht, starke Mauern zu zertrüm¬
mern. Eben darum dachte man in England darauf, ein neues Geschütz für
diesen besonderen Zweck in Anwendung zu bringen, und verfiel dabei zuerst
auf die Lancasterkanone, die eine verunglückte Construction ist und eben des¬
halb nur wenig zu leisten vermochte. Muthmaßlich war daS Geschütz des
Contreadmirals Chads, welches die Flotte auf dem zweiten Seezuge nach
dem baltischen Meere mit sich führte, von derselben Galtung. Es kam, so viel
ich weiß, nicht zur Verwendung. Aber mit jener rühmenswerthen Zähigkeit,
welche die englische Flotte bei dem Verfolgen ihrer Pläne auszeichnet, hat
man jenseits des Kanals an dem Gedanken festgehalten, wofür noch neuer¬
dings die in der Times veröffentlichten mit „Vulcan" unterzeichneten Briefe
ein Beweis waren.

Eine endgiltige Entscheidung in Betreff der beiden Systeme der schwim¬
menden Batterien und der Kanonenboote, um Küstenbefestigungen in Bresche


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[0187] Man kann namentlich, wie jedermann weiß, mit Mörsern nicht Bresche legen. Desgleichen wird es schwer gelingen, unter festen Wölbungen stehenden Ge¬ schützen irgend etwas damit anzuhaben. Scharten demontirt die niederfallende Bombe endlich nur wie durch Zufall. Für alle diese Wirkungen bedarf man des directen Feuers, zu dem nur Rohrgeschütze fähig sind. Wenn hierüber nach allen bis dahin gemachten Erfahrungen keine Zweifel mehr bestehen konnten, verblieb es dennoch Problem, welcher Art von Fahr¬ zeugen man zu dem betreffenden Zweck sich zu bedienen habe. Der jetzige Kaiser der Franzosen entschied sich für die schwimmenden, auf ihrer Frontseite mit dicken Eisenplatten gepanzerten und bombenfest eingedeckten, von einer Schraube bewegten und außerdem mit einer Hilfsbemastung versehenen Bat¬ terien, wogegen man in England sich-mehr den Kanonenbooten zuzuneigen schien und in dieser Hinsicht das gebotene Problem durch Monstergcschütze zu lösen gedachte. Die Motivirung des letzteren Projectes war etwa die fol¬ gende. Ein Kanonenboot bietet dem feindlichen Feuer unter allen mit Rohr¬ geschützen armirten Fahrzeugen die verhältnißmäßig kleinste Zielflache dar und Zwar vermindert sich naturgemäß die Wahrscheinlichkeit des Getroffenwerdens mit der zunehmenden Distanz, in welcher sich das Boot vom Feinde befindet. Wenn man letzteres auf 1000 Schritt vom Gegner entfernt hält, wird eS schwer fallen, eine Kugel in seinen ganz flach über dem Wasser auftauchenden Rumpf zu bringen; wenn man diese Entfernung aber auf 1300 oder 1800 Schritte steigert, nimmt die Sicherheit gegen das Getroffenwerden bedeutend zu und sie wird eine beinahe absolute, mindestens für den Standpunkt, welchen die russische Küstenartillerie im letzten Kriege inne hielt, wenn man bis auf 2000 und 2300 vom Gegner abbleibt. Allein auf diese letztere Entfernung ist ein Brescheschießen mit den seitherigen Kanonen nicht möglich, indem die Percussionskraft der Geschosse nicht mehr ausreicht, starke Mauern zu zertrüm¬ mern. Eben darum dachte man in England darauf, ein neues Geschütz für diesen besonderen Zweck in Anwendung zu bringen, und verfiel dabei zuerst auf die Lancasterkanone, die eine verunglückte Construction ist und eben des¬ halb nur wenig zu leisten vermochte. Muthmaßlich war daS Geschütz des Contreadmirals Chads, welches die Flotte auf dem zweiten Seezuge nach dem baltischen Meere mit sich führte, von derselben Galtung. Es kam, so viel ich weiß, nicht zur Verwendung. Aber mit jener rühmenswerthen Zähigkeit, welche die englische Flotte bei dem Verfolgen ihrer Pläne auszeichnet, hat man jenseits des Kanals an dem Gedanken festgehalten, wofür noch neuer¬ dings die in der Times veröffentlichten mit „Vulcan" unterzeichneten Briefe ein Beweis waren. Eine endgiltige Entscheidung in Betreff der beiden Systeme der schwim¬ menden Batterien und der Kanonenboote, um Küstenbefestigungen in Bresche 23*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/187>, abgerufen am 25.08.2024.