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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Elementargewalten ihren vorgeschriebenen Weg, sei es zum Angriff oder zur
Vertheidigung, inne zu halten. Hierzu kommt noch eins: man kann die
Schrauvenkanonenboote länger bauen, wie die von Rudern bewegten, ohne
deshalb fürchten zu müssen, daß sie unbeholfen werden. Mit der wachsenden
Große vermag man ihnen aber auch eine vermehrte und schwerere Bewaffnung
zu ertheilen. Es ist bezeichnend für die Langsamkeit, mit der zuweilen neue
und leicht zu erfassende Principien sich Bahn brechen, baß man gleichwol
französischer wie englischer Seits von diesem letzteren Bortheil anfangs keinen
Gebrauch machte, und die neuen Schraubenboote mit 32- Pfündern am Bug
und Stern armirte, anstatt ihnen sofort Bombenkanonen von mindestens 8
und 10 Zoll Geschoßdurchmesser zuzutheilen.

Man darf behaupten, daß die Dampfmarine mit diesen Schraubenkano¬
nenbooten recht eigentlich ihre wichtigste Ergänzung gefunden hat. Das Ge¬
biet, in welches der Seekrieg sich auszudehnen hat, ist damit unermeßlich er¬
weitert worden; denn nicht nur, daß man mit den neuen kleinen Schraubern
sich den seichtesten Küsten nähern und in flache Binnenmeere wie das asow-
sche und die preußischen Haffe Zugang gewinnen kann: auch in große Ströme
kann man von der Mündung aus damit einbringen, und schon heute fällt
dieser Umstand, nicht nur in Anbetracht des Krieges zwischen England und
China, sondern auch in dem eines möglichen Kampfes zwischen jener Macht
und den nordamerikanischen Freistaaten schwer ins Gewicht. Preußen, welches
in den Jahren 1848 und 49 viel zu vorschnell eine bedeutende Anzahl von
Ruderkanvnenbooten baute, ungeachtet mancher von verschiedenen Seiten dawider
laut gewordener Warnungen, hätte heute Anlaß, seine Aufmerksamkeit auf
die Herstellung einer angemessenen Flottille von Schraubenbooten zu richten.
Schon besitzt Nußland deren ein Dutzend und mehr in Kronstäbe, und käme
es morgen zwischen den Cabineten von Se. Petersburg und Berlin zum Bruch,
so würden wir einige Tage darnach die russische Flagge im frischen wie im
kurischen Haff erscheinen sehen, um die Landoperationen wider die beiden
großen Stützpfeiler unserer Defensive im Nordosten, Danzig und Königsberg,
zu secundiren und Memel einzuschließen.

Um von den Schraubenkanonenbooten zu den Schraubenmörserbooten zu
gelangen, die bei dem Bombardement von Swcaborg zur Anwendung kamen,
bedürfte es nur eines geringen Vorschreitens. Es ist bereits bei Besprechung
des Angriffs auf Sebastopol erwähnt worden, daß eS im Besonderen das feind-
liche Wurfseucr gewesen, von dem die attakirenden Schiffe gefährdet wurden.
Andererseits waren es die bei Odessa im hohen Bogen geschossenen Bomben
der PairhanSkcmonen der Dampfer gewesen, welche den schnellen und ent¬
scheidenden Erfolg wider die Küstenbatterien herbeigeführt hatten. Aus diesen
Erfahrungen durfte man schließen, daß Berticalseuer gegen Schiffe wie Land-


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Elementargewalten ihren vorgeschriebenen Weg, sei es zum Angriff oder zur
Vertheidigung, inne zu halten. Hierzu kommt noch eins: man kann die
Schrauvenkanonenboote länger bauen, wie die von Rudern bewegten, ohne
deshalb fürchten zu müssen, daß sie unbeholfen werden. Mit der wachsenden
Große vermag man ihnen aber auch eine vermehrte und schwerere Bewaffnung
zu ertheilen. Es ist bezeichnend für die Langsamkeit, mit der zuweilen neue
und leicht zu erfassende Principien sich Bahn brechen, baß man gleichwol
französischer wie englischer Seits von diesem letzteren Bortheil anfangs keinen
Gebrauch machte, und die neuen Schraubenboote mit 32- Pfündern am Bug
und Stern armirte, anstatt ihnen sofort Bombenkanonen von mindestens 8
und 10 Zoll Geschoßdurchmesser zuzutheilen.

Man darf behaupten, daß die Dampfmarine mit diesen Schraubenkano¬
nenbooten recht eigentlich ihre wichtigste Ergänzung gefunden hat. Das Ge¬
biet, in welches der Seekrieg sich auszudehnen hat, ist damit unermeßlich er¬
weitert worden; denn nicht nur, daß man mit den neuen kleinen Schraubern
sich den seichtesten Küsten nähern und in flache Binnenmeere wie das asow-
sche und die preußischen Haffe Zugang gewinnen kann: auch in große Ströme
kann man von der Mündung aus damit einbringen, und schon heute fällt
dieser Umstand, nicht nur in Anbetracht des Krieges zwischen England und
China, sondern auch in dem eines möglichen Kampfes zwischen jener Macht
und den nordamerikanischen Freistaaten schwer ins Gewicht. Preußen, welches
in den Jahren 1848 und 49 viel zu vorschnell eine bedeutende Anzahl von
Ruderkanvnenbooten baute, ungeachtet mancher von verschiedenen Seiten dawider
laut gewordener Warnungen, hätte heute Anlaß, seine Aufmerksamkeit auf
die Herstellung einer angemessenen Flottille von Schraubenbooten zu richten.
Schon besitzt Nußland deren ein Dutzend und mehr in Kronstäbe, und käme
es morgen zwischen den Cabineten von Se. Petersburg und Berlin zum Bruch,
so würden wir einige Tage darnach die russische Flagge im frischen wie im
kurischen Haff erscheinen sehen, um die Landoperationen wider die beiden
großen Stützpfeiler unserer Defensive im Nordosten, Danzig und Königsberg,
zu secundiren und Memel einzuschließen.

Um von den Schraubenkanonenbooten zu den Schraubenmörserbooten zu
gelangen, die bei dem Bombardement von Swcaborg zur Anwendung kamen,
bedürfte es nur eines geringen Vorschreitens. Es ist bereits bei Besprechung
des Angriffs auf Sebastopol erwähnt worden, daß eS im Besonderen das feind-
liche Wurfseucr gewesen, von dem die attakirenden Schiffe gefährdet wurden.
Andererseits waren es die bei Odessa im hohen Bogen geschossenen Bomben
der PairhanSkcmonen der Dampfer gewesen, welche den schnellen und ent¬
scheidenden Erfolg wider die Küstenbatterien herbeigeführt hatten. Aus diesen
Erfahrungen durfte man schließen, daß Berticalseuer gegen Schiffe wie Land-


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[0185] Elementargewalten ihren vorgeschriebenen Weg, sei es zum Angriff oder zur Vertheidigung, inne zu halten. Hierzu kommt noch eins: man kann die Schrauvenkanonenboote länger bauen, wie die von Rudern bewegten, ohne deshalb fürchten zu müssen, daß sie unbeholfen werden. Mit der wachsenden Große vermag man ihnen aber auch eine vermehrte und schwerere Bewaffnung zu ertheilen. Es ist bezeichnend für die Langsamkeit, mit der zuweilen neue und leicht zu erfassende Principien sich Bahn brechen, baß man gleichwol französischer wie englischer Seits von diesem letzteren Bortheil anfangs keinen Gebrauch machte, und die neuen Schraubenboote mit 32- Pfündern am Bug und Stern armirte, anstatt ihnen sofort Bombenkanonen von mindestens 8 und 10 Zoll Geschoßdurchmesser zuzutheilen. Man darf behaupten, daß die Dampfmarine mit diesen Schraubenkano¬ nenbooten recht eigentlich ihre wichtigste Ergänzung gefunden hat. Das Ge¬ biet, in welches der Seekrieg sich auszudehnen hat, ist damit unermeßlich er¬ weitert worden; denn nicht nur, daß man mit den neuen kleinen Schraubern sich den seichtesten Küsten nähern und in flache Binnenmeere wie das asow- sche und die preußischen Haffe Zugang gewinnen kann: auch in große Ströme kann man von der Mündung aus damit einbringen, und schon heute fällt dieser Umstand, nicht nur in Anbetracht des Krieges zwischen England und China, sondern auch in dem eines möglichen Kampfes zwischen jener Macht und den nordamerikanischen Freistaaten schwer ins Gewicht. Preußen, welches in den Jahren 1848 und 49 viel zu vorschnell eine bedeutende Anzahl von Ruderkanvnenbooten baute, ungeachtet mancher von verschiedenen Seiten dawider laut gewordener Warnungen, hätte heute Anlaß, seine Aufmerksamkeit auf die Herstellung einer angemessenen Flottille von Schraubenbooten zu richten. Schon besitzt Nußland deren ein Dutzend und mehr in Kronstäbe, und käme es morgen zwischen den Cabineten von Se. Petersburg und Berlin zum Bruch, so würden wir einige Tage darnach die russische Flagge im frischen wie im kurischen Haff erscheinen sehen, um die Landoperationen wider die beiden großen Stützpfeiler unserer Defensive im Nordosten, Danzig und Königsberg, zu secundiren und Memel einzuschließen. Um von den Schraubenkanonenbooten zu den Schraubenmörserbooten zu gelangen, die bei dem Bombardement von Swcaborg zur Anwendung kamen, bedürfte es nur eines geringen Vorschreitens. Es ist bereits bei Besprechung des Angriffs auf Sebastopol erwähnt worden, daß eS im Besonderen das feind- liche Wurfseucr gewesen, von dem die attakirenden Schiffe gefährdet wurden. Andererseits waren es die bei Odessa im hohen Bogen geschossenen Bomben der PairhanSkcmonen der Dampfer gewesen, welche den schnellen und ent¬ scheidenden Erfolg wider die Küstenbatterien herbeigeführt hatten. Aus diesen Erfahrungen durfte man schließen, daß Berticalseuer gegen Schiffe wie Land- Grenjbvten UI. 1LS7. 23

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/185>, abgerufen am 25.08.2024.