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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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alledem nicht füglich zu verwenden, weil sie zu tief gehen, und man doch wesent¬
lich nur von ihren zwei bis vier Bombenkanonen hätte Nutzen ziehen können.
Allein die Umstände, welche den Nadschiffen vor zwei bis drei Jahren im
Küstenkriege noch eine außerordentliche Bedeutung zu sichern schienen, eristiren
schon heute nicht mehr. Ihre ganze damalige Aufgabe ist in der Gegenwart
und zwar schon seit dem letzten Kriegsjahre an die Schraubenkanonenboote
übergegangen, die eine beinahe gleiche Anzahl von schweren Bombenkanonen
führen, einen unvergleichlich geringeren Tiefgang haben, viel weniger Zielfläche
bieten, und außer allem Verhältniß billiger sind; eine Summe von Eigen¬
schaften, die eS statthaft macht, sie nicht nur Außenbatterien von schwachem
oder mittlerem Kaliber, sondern auch solchen von schwereren gegenüber zu stellen.
Ich komme später noch aus sie zu sprechen und gehe jetzt auf die Leistungen der
Schraubenlinicnschiffe über.

Das erste Beispiel, welches der Krieg in dieser Beziehung darbietet, ist
der Kampf um Bomarsund. Wie man weiß, war der Angriff auf diese russische
Festung eine combinirte Land- und Seeattake. Da die Linienschiffe vorzugs¬
weise mit 32-Pfündern bewaffnet waren, wurde es nothwendig, mit ihnen
auf 2000 Metres (2600 Schritt) an die Festung heranzugehen, und zwar
würde das Feuer aus dieser Nähe dennoch kaum entscheidend gewesen sein,
wenn die betreffenden Werke nicht in baulicher Hinsicht weit hinter denen
von Scbastobol zurückgestanden hätten. Bezeichnend für die Schwierigkeiten,
mit denen die Schiffsartillerie auch auf dieser Distance noch zu kämpfen hatte,
ist die Thatfache, daß die beiden französischen Zweidecker ,.Duperr<z" und "Tri-
dent" "neu größeren Erhöhungswinkel für ihre Geschütze zu gewinnen suchen
mußten, indem sie sich, durch Ueberlastung des abgewendeten Bordes auf die
Seite legten. Erst nachdem dies geschehen, fielen ihre Geschosse ausreichend
weit und unter dem gewünschten Einfallswinkel auf den Feind. Nicht weni¬
ger wie zwei Tage bedürfte man, um auf diese Weise eine Bresche zu erzeu¬
gen. Der Beweis, daß Linienschiffe für Operationen 'der Art, namentlich
ihrer nicht ausreichend schweren Bewaffnung wegen, nicht zweckmäßig zu ver¬
wenden sind, konnte kaum schlagender gegeben werben, wie durch das, waS
man bei dieser Belagerung in Erfahrung zu bringen Gelegenheit gehabt hatte;
dennoch bedürfte es eines neuen Versuches vor Sebastopol, um alle Welt von
der fraglichen Wahrheit zu überzeugen.

Wie man weiß, waren die lcmdwärtigen Befestigungen von Sebastopol nur
Passagerer Natur: sechs aus Erde aufgeschüttete Bastionen, die durch lange Cur-
tinen untereinander verbunden wären. Sie stützten sich aber theils unmittelbar.auf
verschiedene am Südstrande der Bucht oder Rhede gelegene steinerne Forts, theils
wurden sie von anderen auf der Nordseite gelegenen dominirt. Die Auf¬
gabe der Geschwader bei dem großen Gesammtwerke der Belagerung schien zu


alledem nicht füglich zu verwenden, weil sie zu tief gehen, und man doch wesent¬
lich nur von ihren zwei bis vier Bombenkanonen hätte Nutzen ziehen können.
Allein die Umstände, welche den Nadschiffen vor zwei bis drei Jahren im
Küstenkriege noch eine außerordentliche Bedeutung zu sichern schienen, eristiren
schon heute nicht mehr. Ihre ganze damalige Aufgabe ist in der Gegenwart
und zwar schon seit dem letzten Kriegsjahre an die Schraubenkanonenboote
übergegangen, die eine beinahe gleiche Anzahl von schweren Bombenkanonen
führen, einen unvergleichlich geringeren Tiefgang haben, viel weniger Zielfläche
bieten, und außer allem Verhältniß billiger sind; eine Summe von Eigen¬
schaften, die eS statthaft macht, sie nicht nur Außenbatterien von schwachem
oder mittlerem Kaliber, sondern auch solchen von schwereren gegenüber zu stellen.
Ich komme später noch aus sie zu sprechen und gehe jetzt auf die Leistungen der
Schraubenlinicnschiffe über.

Das erste Beispiel, welches der Krieg in dieser Beziehung darbietet, ist
der Kampf um Bomarsund. Wie man weiß, war der Angriff auf diese russische
Festung eine combinirte Land- und Seeattake. Da die Linienschiffe vorzugs¬
weise mit 32-Pfündern bewaffnet waren, wurde es nothwendig, mit ihnen
auf 2000 Metres (2600 Schritt) an die Festung heranzugehen, und zwar
würde das Feuer aus dieser Nähe dennoch kaum entscheidend gewesen sein,
wenn die betreffenden Werke nicht in baulicher Hinsicht weit hinter denen
von Scbastobol zurückgestanden hätten. Bezeichnend für die Schwierigkeiten,
mit denen die Schiffsartillerie auch auf dieser Distance noch zu kämpfen hatte,
ist die Thatfache, daß die beiden französischen Zweidecker ,.Duperr<z" und „Tri-
dent" «neu größeren Erhöhungswinkel für ihre Geschütze zu gewinnen suchen
mußten, indem sie sich, durch Ueberlastung des abgewendeten Bordes auf die
Seite legten. Erst nachdem dies geschehen, fielen ihre Geschosse ausreichend
weit und unter dem gewünschten Einfallswinkel auf den Feind. Nicht weni¬
ger wie zwei Tage bedürfte man, um auf diese Weise eine Bresche zu erzeu¬
gen. Der Beweis, daß Linienschiffe für Operationen 'der Art, namentlich
ihrer nicht ausreichend schweren Bewaffnung wegen, nicht zweckmäßig zu ver¬
wenden sind, konnte kaum schlagender gegeben werben, wie durch das, waS
man bei dieser Belagerung in Erfahrung zu bringen Gelegenheit gehabt hatte;
dennoch bedürfte es eines neuen Versuches vor Sebastopol, um alle Welt von
der fraglichen Wahrheit zu überzeugen.

Wie man weiß, waren die lcmdwärtigen Befestigungen von Sebastopol nur
Passagerer Natur: sechs aus Erde aufgeschüttete Bastionen, die durch lange Cur-
tinen untereinander verbunden wären. Sie stützten sich aber theils unmittelbar.auf
verschiedene am Südstrande der Bucht oder Rhede gelegene steinerne Forts, theils
wurden sie von anderen auf der Nordseite gelegenen dominirt. Die Auf¬
gabe der Geschwader bei dem großen Gesammtwerke der Belagerung schien zu


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[0181] alledem nicht füglich zu verwenden, weil sie zu tief gehen, und man doch wesent¬ lich nur von ihren zwei bis vier Bombenkanonen hätte Nutzen ziehen können. Allein die Umstände, welche den Nadschiffen vor zwei bis drei Jahren im Küstenkriege noch eine außerordentliche Bedeutung zu sichern schienen, eristiren schon heute nicht mehr. Ihre ganze damalige Aufgabe ist in der Gegenwart und zwar schon seit dem letzten Kriegsjahre an die Schraubenkanonenboote übergegangen, die eine beinahe gleiche Anzahl von schweren Bombenkanonen führen, einen unvergleichlich geringeren Tiefgang haben, viel weniger Zielfläche bieten, und außer allem Verhältniß billiger sind; eine Summe von Eigen¬ schaften, die eS statthaft macht, sie nicht nur Außenbatterien von schwachem oder mittlerem Kaliber, sondern auch solchen von schwereren gegenüber zu stellen. Ich komme später noch aus sie zu sprechen und gehe jetzt auf die Leistungen der Schraubenlinicnschiffe über. Das erste Beispiel, welches der Krieg in dieser Beziehung darbietet, ist der Kampf um Bomarsund. Wie man weiß, war der Angriff auf diese russische Festung eine combinirte Land- und Seeattake. Da die Linienschiffe vorzugs¬ weise mit 32-Pfündern bewaffnet waren, wurde es nothwendig, mit ihnen auf 2000 Metres (2600 Schritt) an die Festung heranzugehen, und zwar würde das Feuer aus dieser Nähe dennoch kaum entscheidend gewesen sein, wenn die betreffenden Werke nicht in baulicher Hinsicht weit hinter denen von Scbastobol zurückgestanden hätten. Bezeichnend für die Schwierigkeiten, mit denen die Schiffsartillerie auch auf dieser Distance noch zu kämpfen hatte, ist die Thatfache, daß die beiden französischen Zweidecker ,.Duperr<z" und „Tri- dent" «neu größeren Erhöhungswinkel für ihre Geschütze zu gewinnen suchen mußten, indem sie sich, durch Ueberlastung des abgewendeten Bordes auf die Seite legten. Erst nachdem dies geschehen, fielen ihre Geschosse ausreichend weit und unter dem gewünschten Einfallswinkel auf den Feind. Nicht weni¬ ger wie zwei Tage bedürfte man, um auf diese Weise eine Bresche zu erzeu¬ gen. Der Beweis, daß Linienschiffe für Operationen 'der Art, namentlich ihrer nicht ausreichend schweren Bewaffnung wegen, nicht zweckmäßig zu ver¬ wenden sind, konnte kaum schlagender gegeben werben, wie durch das, waS man bei dieser Belagerung in Erfahrung zu bringen Gelegenheit gehabt hatte; dennoch bedürfte es eines neuen Versuches vor Sebastopol, um alle Welt von der fraglichen Wahrheit zu überzeugen. Wie man weiß, waren die lcmdwärtigen Befestigungen von Sebastopol nur Passagerer Natur: sechs aus Erde aufgeschüttete Bastionen, die durch lange Cur- tinen untereinander verbunden wären. Sie stützten sich aber theils unmittelbar.auf verschiedene am Südstrande der Bucht oder Rhede gelegene steinerne Forts, theils wurden sie von anderen auf der Nordseite gelegenen dominirt. Die Auf¬ gabe der Geschwader bei dem großen Gesammtwerke der Belagerung schien zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/181>, abgerufen am 26.08.2024.