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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Franzosen mit Stolz erfüllen, in dem größten Kriege, in den schwierigsten
Verwicklungen hat sich bewährt, daß diese Machtentwicklung Frankreichs
nicht die zufällige Folge günstiger Conjuncturen, sondern daß ihre letzte
Grundlage das staatsmännische Urtheil des Kaisers ist. -- Auch sonst wird
man in dem persönlichen Charakter manche überraschende Ähnlichkeit zwischen
dem großen Schwärmer deS 17. und dem kühnen Fatalisten deS 19. Jahr¬
hunderts finden. Beide begannen als Intriganten, und doch war ihre aus¬
wärtige Politik, seit sie regierten, stolz, ehrlich und mannhaft; beide begannen
als egoistische Schwärmer und beiden wurde das Schicksal, ihren Idealismus
ZU überleben.. Aber freilich ist ein entscheidender Gegensatz zwischen dem
Sachsen und dem Romanen; der eine war, so groß und frei er über den
andern stand, doch nur ein Geschöpf Englands, den Blut, Thränen und heiße
Gebete von hunderttausend frommen Seelen im reinsten Glauben und feuriger
Begeisterung zur Höhe hoben, der andere kam, den Hut in der Hand, in ver¬
worrener Zeit nach Paris, den Franzosen ein Fremder, er stellte allen Par¬
teien, welche Frankreich zerrissen, sich selbst und seine Familie gegenüber, und
^ wurde Herrscher, weil Frankreich sehr bankerott geworden war an politischem
Glauben und an Begeisterung. Der alte Engländer war doch nichts, als ein
Mann aus seinem fanatischen Volke, wie andere auch, in der Hauptsache dachte
und fühlte er nur, wie Millionen andere um ihn, war er es nicht, so wars ein
anderer, er war im Grunde nur ein Gewächs, wie durch eine Naturnothwen-
digkeit aufgeschossen, -- er hatte eS leicht, groß zu werden. Der andere dagegen
H Herr geworden durch seinen eignen freien Willen, hätte er den Einfall nicht
gehabt, Kaiser von Frankreich zu werden, so hätte Frankreich keinen Kaiser er¬
halten, es ist seine Willkür, daß er Frankreich regiert. Und diese Autonomie,
diese Freiheit von den gewöhnlichen sittlichen Voraussetzungen irdischer Thätig¬
keit, sie ist die größte Unfreiheit, welche die Handlungen des Kaisers beschränkt.




Briefe über Marine.
Das Schraubenschiff und die Bombenkanone im letzten Kriege.

Der vorliegende Brief soll erörtern, wie das früher besprochene neue
Marinematcrial im Kriege wider Rußland seine Probe bestanden und wie das
Kriegsseewesen in dieser Epoche sich weiter entwickelt hat. In Bezug auf
erstere Frage muß im voraus eingestanden werden, daß jene Probe durchaus
keine vollständige gewesen ist.

Wären die Russen mit ihren Geschwadern aus Kronstäbe und Sebastopol
ausgelaufen, so würde man englisch-französischer Seits Gelegenheit gehabt


Franzosen mit Stolz erfüllen, in dem größten Kriege, in den schwierigsten
Verwicklungen hat sich bewährt, daß diese Machtentwicklung Frankreichs
nicht die zufällige Folge günstiger Conjuncturen, sondern daß ihre letzte
Grundlage das staatsmännische Urtheil des Kaisers ist. — Auch sonst wird
man in dem persönlichen Charakter manche überraschende Ähnlichkeit zwischen
dem großen Schwärmer deS 17. und dem kühnen Fatalisten deS 19. Jahr¬
hunderts finden. Beide begannen als Intriganten, und doch war ihre aus¬
wärtige Politik, seit sie regierten, stolz, ehrlich und mannhaft; beide begannen
als egoistische Schwärmer und beiden wurde das Schicksal, ihren Idealismus
ZU überleben.. Aber freilich ist ein entscheidender Gegensatz zwischen dem
Sachsen und dem Romanen; der eine war, so groß und frei er über den
andern stand, doch nur ein Geschöpf Englands, den Blut, Thränen und heiße
Gebete von hunderttausend frommen Seelen im reinsten Glauben und feuriger
Begeisterung zur Höhe hoben, der andere kam, den Hut in der Hand, in ver¬
worrener Zeit nach Paris, den Franzosen ein Fremder, er stellte allen Par¬
teien, welche Frankreich zerrissen, sich selbst und seine Familie gegenüber, und
^ wurde Herrscher, weil Frankreich sehr bankerott geworden war an politischem
Glauben und an Begeisterung. Der alte Engländer war doch nichts, als ein
Mann aus seinem fanatischen Volke, wie andere auch, in der Hauptsache dachte
und fühlte er nur, wie Millionen andere um ihn, war er es nicht, so wars ein
anderer, er war im Grunde nur ein Gewächs, wie durch eine Naturnothwen-
digkeit aufgeschossen, — er hatte eS leicht, groß zu werden. Der andere dagegen
H Herr geworden durch seinen eignen freien Willen, hätte er den Einfall nicht
gehabt, Kaiser von Frankreich zu werden, so hätte Frankreich keinen Kaiser er¬
halten, es ist seine Willkür, daß er Frankreich regiert. Und diese Autonomie,
diese Freiheit von den gewöhnlichen sittlichen Voraussetzungen irdischer Thätig¬
keit, sie ist die größte Unfreiheit, welche die Handlungen des Kaisers beschränkt.




Briefe über Marine.
Das Schraubenschiff und die Bombenkanone im letzten Kriege.

Der vorliegende Brief soll erörtern, wie das früher besprochene neue
Marinematcrial im Kriege wider Rußland seine Probe bestanden und wie das
Kriegsseewesen in dieser Epoche sich weiter entwickelt hat. In Bezug auf
erstere Frage muß im voraus eingestanden werden, daß jene Probe durchaus
keine vollständige gewesen ist.

Wären die Russen mit ihren Geschwadern aus Kronstäbe und Sebastopol
ausgelaufen, so würde man englisch-französischer Seits Gelegenheit gehabt


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[0175] Franzosen mit Stolz erfüllen, in dem größten Kriege, in den schwierigsten Verwicklungen hat sich bewährt, daß diese Machtentwicklung Frankreichs nicht die zufällige Folge günstiger Conjuncturen, sondern daß ihre letzte Grundlage das staatsmännische Urtheil des Kaisers ist. — Auch sonst wird man in dem persönlichen Charakter manche überraschende Ähnlichkeit zwischen dem großen Schwärmer deS 17. und dem kühnen Fatalisten deS 19. Jahr¬ hunderts finden. Beide begannen als Intriganten, und doch war ihre aus¬ wärtige Politik, seit sie regierten, stolz, ehrlich und mannhaft; beide begannen als egoistische Schwärmer und beiden wurde das Schicksal, ihren Idealismus ZU überleben.. Aber freilich ist ein entscheidender Gegensatz zwischen dem Sachsen und dem Romanen; der eine war, so groß und frei er über den andern stand, doch nur ein Geschöpf Englands, den Blut, Thränen und heiße Gebete von hunderttausend frommen Seelen im reinsten Glauben und feuriger Begeisterung zur Höhe hoben, der andere kam, den Hut in der Hand, in ver¬ worrener Zeit nach Paris, den Franzosen ein Fremder, er stellte allen Par¬ teien, welche Frankreich zerrissen, sich selbst und seine Familie gegenüber, und ^ wurde Herrscher, weil Frankreich sehr bankerott geworden war an politischem Glauben und an Begeisterung. Der alte Engländer war doch nichts, als ein Mann aus seinem fanatischen Volke, wie andere auch, in der Hauptsache dachte und fühlte er nur, wie Millionen andere um ihn, war er es nicht, so wars ein anderer, er war im Grunde nur ein Gewächs, wie durch eine Naturnothwen- digkeit aufgeschossen, — er hatte eS leicht, groß zu werden. Der andere dagegen H Herr geworden durch seinen eignen freien Willen, hätte er den Einfall nicht gehabt, Kaiser von Frankreich zu werden, so hätte Frankreich keinen Kaiser er¬ halten, es ist seine Willkür, daß er Frankreich regiert. Und diese Autonomie, diese Freiheit von den gewöhnlichen sittlichen Voraussetzungen irdischer Thätig¬ keit, sie ist die größte Unfreiheit, welche die Handlungen des Kaisers beschränkt. Briefe über Marine. Das Schraubenschiff und die Bombenkanone im letzten Kriege. Der vorliegende Brief soll erörtern, wie das früher besprochene neue Marinematcrial im Kriege wider Rußland seine Probe bestanden und wie das Kriegsseewesen in dieser Epoche sich weiter entwickelt hat. In Bezug auf erstere Frage muß im voraus eingestanden werden, daß jene Probe durchaus keine vollständige gewesen ist. Wären die Russen mit ihren Geschwadern aus Kronstäbe und Sebastopol ausgelaufen, so würde man englisch-französischer Seits Gelegenheit gehabt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/175>, abgerufen am 22.07.2024.