Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

hältniß, wenn ein Thron ihnen gegenüber sich erhebt, sei er auch nur von
einem Halbmond erleuchtet. Den Diplomaten war alles das sehr bekannt,
aber die mehr als zweifelhaften Rechte der Pforte wurden mit Stillschweigen
übergangen: on äoit ass LAiirtZs, se vive 1'wtSAntv als l'owpirö ottomanl

Wir erlauben uns jetzt die Frage zu stellen, ob es zu verwundern war,
wenn dem Moldauer bei diesem Hin- und Herzerren und wieder Abstoßen seiner
Sympathien schwindlich wurde.

Aber ein Gefühl, das fortglühte in ihm durch alle Phasen seiner Exi¬
stenz, die Vaterlandsliebe, half ihm am Ende doch unterscheiden, was ihm
Noth thut. Verfasser dieses befand sich in Jassy zur Zeit, als der Inhalt des
pariser Vertrages bekannt wurde. Auf offener Gasse sah er Leute sich um¬
armen mit dem Ausruf: man hat auch unser gedacht bei dem FriedenSwerke!
Ein gewisser, feierlicher Ernst ergriff die Gemüther; die ganze Wichtigkeit des
Zeitpunkts stand klar vor den Augen eines jeden. Die ersten Versammlungen
fanden statt; was damals an der Spitze der Regierung stand, vereinigte sich
mit den Repräsentanten der Intelligenz des Landes, und einmüthig sprach sich
alles für die Union der Moldau und Walachei aus. Sogleich wurde be¬
schlossen, Commissäre in die Districte zu schicken, und die besten Köpfe deö
Landes zerstreuten sich auf alle Seiten mit der Absicht, die Unwissenden auf¬
zuklären.

Sollte das etwa nicht geschehen? Wer sollte die dunkelen Begriffe der
unteren Classe erleuchten und ihnen zeigen, was dem Lande Noth thut? Doch
wol der intelligente Theil des Volkes, also vorzugsweise der Bojar. Bei der
Besprechung der Beamtenclasse und des schwer zu begrenzenden Mittelstandes
überhaupt haben wir gezeigt, wie die Sehnsucht nach Umgestaltung sich allent¬
halben regt, das Wort "Union" wurde überall mit Begeisterung aufgenommen,
durch daS ganze Land drängten sich die Leute herbei, um mit ihrer Unterschrist
ihre Meinungsäußerung zu bekräftigen. In der Walachei geschah ohne vor¬
hergegangene Verabredung dasselbe, es gab allerdings einen und den andern,
der dem Projecte abgeneigt war, aber von einer Partei der "Antiunionisten"
hörte man nirgend etwas.

Den Oestreichern mißfiel diese Tendenz sehr. Sie nannten eS Strohfeuer,
ließen eS aber nicht ruhig ausbrennen, was bekanntlich bei Strohfeuer sehr,
bald geschieht, sondern boten in Konstantinopel alles auf, um der Sache eine
andere Wendung zu geben. Der Hospodar Ghika sollte ursprünglich über
seinen siebenjährigen Regierungötermin auf dem Thron bleiben, bis die Reor¬
ganisation der Fürstenthümer vollendet sein würde: er ward plötzlich entfernt,
weil er an der Spitze der Unionisten stand. Das ganze Ministerium zog sich
zurück, mit vieler Mühe wurde ein neues constituirt, weil es schwer war, unter
den Antiunionisten die Elemente dazu aufzufinden. Dieser offenkundige


hältniß, wenn ein Thron ihnen gegenüber sich erhebt, sei er auch nur von
einem Halbmond erleuchtet. Den Diplomaten war alles das sehr bekannt,
aber die mehr als zweifelhaften Rechte der Pforte wurden mit Stillschweigen
übergangen: on äoit ass LAiirtZs, se vive 1'wtSAntv als l'owpirö ottomanl

Wir erlauben uns jetzt die Frage zu stellen, ob es zu verwundern war,
wenn dem Moldauer bei diesem Hin- und Herzerren und wieder Abstoßen seiner
Sympathien schwindlich wurde.

Aber ein Gefühl, das fortglühte in ihm durch alle Phasen seiner Exi¬
stenz, die Vaterlandsliebe, half ihm am Ende doch unterscheiden, was ihm
Noth thut. Verfasser dieses befand sich in Jassy zur Zeit, als der Inhalt des
pariser Vertrages bekannt wurde. Auf offener Gasse sah er Leute sich um¬
armen mit dem Ausruf: man hat auch unser gedacht bei dem FriedenSwerke!
Ein gewisser, feierlicher Ernst ergriff die Gemüther; die ganze Wichtigkeit des
Zeitpunkts stand klar vor den Augen eines jeden. Die ersten Versammlungen
fanden statt; was damals an der Spitze der Regierung stand, vereinigte sich
mit den Repräsentanten der Intelligenz des Landes, und einmüthig sprach sich
alles für die Union der Moldau und Walachei aus. Sogleich wurde be¬
schlossen, Commissäre in die Districte zu schicken, und die besten Köpfe deö
Landes zerstreuten sich auf alle Seiten mit der Absicht, die Unwissenden auf¬
zuklären.

Sollte das etwa nicht geschehen? Wer sollte die dunkelen Begriffe der
unteren Classe erleuchten und ihnen zeigen, was dem Lande Noth thut? Doch
wol der intelligente Theil des Volkes, also vorzugsweise der Bojar. Bei der
Besprechung der Beamtenclasse und des schwer zu begrenzenden Mittelstandes
überhaupt haben wir gezeigt, wie die Sehnsucht nach Umgestaltung sich allent¬
halben regt, das Wort „Union" wurde überall mit Begeisterung aufgenommen,
durch daS ganze Land drängten sich die Leute herbei, um mit ihrer Unterschrist
ihre Meinungsäußerung zu bekräftigen. In der Walachei geschah ohne vor¬
hergegangene Verabredung dasselbe, es gab allerdings einen und den andern,
der dem Projecte abgeneigt war, aber von einer Partei der „Antiunionisten"
hörte man nirgend etwas.

Den Oestreichern mißfiel diese Tendenz sehr. Sie nannten eS Strohfeuer,
ließen eS aber nicht ruhig ausbrennen, was bekanntlich bei Strohfeuer sehr,
bald geschieht, sondern boten in Konstantinopel alles auf, um der Sache eine
andere Wendung zu geben. Der Hospodar Ghika sollte ursprünglich über
seinen siebenjährigen Regierungötermin auf dem Thron bleiben, bis die Reor¬
ganisation der Fürstenthümer vollendet sein würde: er ward plötzlich entfernt,
weil er an der Spitze der Unionisten stand. Das ganze Ministerium zog sich
zurück, mit vieler Mühe wurde ein neues constituirt, weil es schwer war, unter
den Antiunionisten die Elemente dazu aufzufinden. Dieser offenkundige


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0160" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104361"/>
            <p xml:id="ID_421" prev="#ID_420"> hältniß, wenn ein Thron ihnen gegenüber sich erhebt, sei er auch nur von<lb/>
einem Halbmond erleuchtet. Den Diplomaten war alles das sehr bekannt,<lb/>
aber die mehr als zweifelhaften Rechte der Pforte wurden mit Stillschweigen<lb/>
übergangen: on   äoit ass LAiirtZs, se vive 1'wtSAntv als l'owpirö ottomanl</p><lb/>
            <p xml:id="ID_422"> Wir erlauben uns jetzt die Frage zu stellen, ob es zu verwundern war,<lb/>
wenn dem Moldauer bei diesem Hin- und Herzerren und wieder Abstoßen seiner<lb/>
Sympathien schwindlich wurde.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_423"> Aber ein Gefühl, das fortglühte in ihm durch alle Phasen seiner Exi¬<lb/>
stenz, die Vaterlandsliebe, half ihm am Ende doch unterscheiden, was ihm<lb/>
Noth thut. Verfasser dieses befand sich in Jassy zur Zeit, als der Inhalt des<lb/>
pariser Vertrages bekannt wurde. Auf offener Gasse sah er Leute sich um¬<lb/>
armen mit dem Ausruf: man hat auch unser gedacht bei dem FriedenSwerke!<lb/>
Ein gewisser, feierlicher Ernst ergriff die Gemüther; die ganze Wichtigkeit des<lb/>
Zeitpunkts stand klar vor den Augen eines jeden. Die ersten Versammlungen<lb/>
fanden statt; was damals an der Spitze der Regierung stand, vereinigte sich<lb/>
mit den Repräsentanten der Intelligenz des Landes, und einmüthig sprach sich<lb/>
alles für die Union der Moldau und Walachei aus. Sogleich wurde be¬<lb/>
schlossen, Commissäre in die Districte zu schicken, und die besten Köpfe deö<lb/>
Landes zerstreuten sich auf alle Seiten mit der Absicht, die Unwissenden auf¬<lb/>
zuklären.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_424"> Sollte das etwa nicht geschehen? Wer sollte die dunkelen Begriffe der<lb/>
unteren Classe erleuchten und ihnen zeigen, was dem Lande Noth thut? Doch<lb/>
wol der intelligente Theil des Volkes, also vorzugsweise der Bojar. Bei der<lb/>
Besprechung der Beamtenclasse und des schwer zu begrenzenden Mittelstandes<lb/>
überhaupt haben wir gezeigt, wie die Sehnsucht nach Umgestaltung sich allent¬<lb/>
halben regt, das Wort &#x201E;Union" wurde überall mit Begeisterung aufgenommen,<lb/>
durch daS ganze Land drängten sich die Leute herbei, um mit ihrer Unterschrist<lb/>
ihre Meinungsäußerung zu bekräftigen. In der Walachei geschah ohne vor¬<lb/>
hergegangene Verabredung dasselbe, es gab allerdings einen und den andern,<lb/>
der dem Projecte abgeneigt war, aber von einer Partei der &#x201E;Antiunionisten"<lb/>
hörte man nirgend etwas.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_425" next="#ID_426"> Den Oestreichern mißfiel diese Tendenz sehr. Sie nannten eS Strohfeuer,<lb/>
ließen eS aber nicht ruhig ausbrennen, was bekanntlich bei Strohfeuer sehr,<lb/>
bald geschieht, sondern boten in Konstantinopel alles auf, um der Sache eine<lb/>
andere Wendung zu geben. Der Hospodar Ghika sollte ursprünglich über<lb/>
seinen siebenjährigen Regierungötermin auf dem Thron bleiben, bis die Reor¬<lb/>
ganisation der Fürstenthümer vollendet sein würde: er ward plötzlich entfernt,<lb/>
weil er an der Spitze der Unionisten stand. Das ganze Ministerium zog sich<lb/>
zurück, mit vieler Mühe wurde ein neues constituirt, weil es schwer war, unter<lb/>
den Antiunionisten die Elemente dazu aufzufinden.  Dieser offenkundige</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0160] hältniß, wenn ein Thron ihnen gegenüber sich erhebt, sei er auch nur von einem Halbmond erleuchtet. Den Diplomaten war alles das sehr bekannt, aber die mehr als zweifelhaften Rechte der Pforte wurden mit Stillschweigen übergangen: on äoit ass LAiirtZs, se vive 1'wtSAntv als l'owpirö ottomanl Wir erlauben uns jetzt die Frage zu stellen, ob es zu verwundern war, wenn dem Moldauer bei diesem Hin- und Herzerren und wieder Abstoßen seiner Sympathien schwindlich wurde. Aber ein Gefühl, das fortglühte in ihm durch alle Phasen seiner Exi¬ stenz, die Vaterlandsliebe, half ihm am Ende doch unterscheiden, was ihm Noth thut. Verfasser dieses befand sich in Jassy zur Zeit, als der Inhalt des pariser Vertrages bekannt wurde. Auf offener Gasse sah er Leute sich um¬ armen mit dem Ausruf: man hat auch unser gedacht bei dem FriedenSwerke! Ein gewisser, feierlicher Ernst ergriff die Gemüther; die ganze Wichtigkeit des Zeitpunkts stand klar vor den Augen eines jeden. Die ersten Versammlungen fanden statt; was damals an der Spitze der Regierung stand, vereinigte sich mit den Repräsentanten der Intelligenz des Landes, und einmüthig sprach sich alles für die Union der Moldau und Walachei aus. Sogleich wurde be¬ schlossen, Commissäre in die Districte zu schicken, und die besten Köpfe deö Landes zerstreuten sich auf alle Seiten mit der Absicht, die Unwissenden auf¬ zuklären. Sollte das etwa nicht geschehen? Wer sollte die dunkelen Begriffe der unteren Classe erleuchten und ihnen zeigen, was dem Lande Noth thut? Doch wol der intelligente Theil des Volkes, also vorzugsweise der Bojar. Bei der Besprechung der Beamtenclasse und des schwer zu begrenzenden Mittelstandes überhaupt haben wir gezeigt, wie die Sehnsucht nach Umgestaltung sich allent¬ halben regt, das Wort „Union" wurde überall mit Begeisterung aufgenommen, durch daS ganze Land drängten sich die Leute herbei, um mit ihrer Unterschrist ihre Meinungsäußerung zu bekräftigen. In der Walachei geschah ohne vor¬ hergegangene Verabredung dasselbe, es gab allerdings einen und den andern, der dem Projecte abgeneigt war, aber von einer Partei der „Antiunionisten" hörte man nirgend etwas. Den Oestreichern mißfiel diese Tendenz sehr. Sie nannten eS Strohfeuer, ließen eS aber nicht ruhig ausbrennen, was bekanntlich bei Strohfeuer sehr, bald geschieht, sondern boten in Konstantinopel alles auf, um der Sache eine andere Wendung zu geben. Der Hospodar Ghika sollte ursprünglich über seinen siebenjährigen Regierungötermin auf dem Thron bleiben, bis die Reor¬ ganisation der Fürstenthümer vollendet sein würde: er ward plötzlich entfernt, weil er an der Spitze der Unionisten stand. Das ganze Ministerium zog sich zurück, mit vieler Mühe wurde ein neues constituirt, weil es schwer war, unter den Antiunionisten die Elemente dazu aufzufinden. Dieser offenkundige

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/160
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/160>, abgerufen am 24.08.2024.