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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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wurden sie höflich angehört, aber nie angenommen von den Herrn Consuln,
die wol gar lächelten, als wollten sie sagen: wie kommt Ihr auf dergleichen,
liebe Kinder? Ueberlaßt doch uns die Sorge Euch zu regieren. -- ES war viel¬
leicht zu viel verlangt, wenn man meinte, das Petersburger Cabinet solle sich
darum kümmern, auf welche Weise die Salzbergwerke verpachtet wurden, ob
das Land eine Hypothekenbank hatte, ob die verschuldeten Bojaren, dem Wu¬
cher Preis gegeben, zu Grunde gingen, oder nicht u. s. w. Die Consuln
griffen mit ihrer Macht nur das an, was ihnen bequem lag; schreiende Mi߬
bräuche blieben unbeachtet, "weil ihre Jnstructionen jede Einmischung in inne¬
re Angelegenheiten verboten." Die Wahl der Minister aber in einem Lande,
das keine äußere Politik zu vertreten hat, ist auch eine innere Angelegenheit,
und diese Wahl konnte den Einfluß des russischen Consulats nie von sich ab¬
schütteln.

Die Moldauer sagten sich also: wir haben die lebhafteste Svmpathie für
Nußland gehabt; das Se. Petersburger Cabinet bekümmert sich nicht weiter
um unser Wohl und Weh und stößt unsere Sympathie von sich; bei dieser
Politik können wir zu nichts kommen.

Man wendete sich, eS war dies um die Zeit, wo die Russen die Moldau
und Walachei räumten, den "Trägern der Civilisation des Westens" zu, wie
damals die rumänische Presse die Oestreicher nannte.

Blumensträuße und laute Acclamationen empfingen die k. k. Truppen bei
ihrem Einmarsch. Oestreich gehörte jetzt die Sympathie der Moldau. Aber
das Gefühl wurde bald auf eine klägliche Weise erstickt. Die verschiedensten
Umstände trugen dazu bei, hauptsächlich aber ein Grundzug, der den Befehls¬
habern fast durchgehends eigen war: herrisches Auftreten. Dabei waren die
Bedürfnisse für die Einquartirung kaum zu erschwingen, so daß wir oft laut
haben seufzen hören: lieber die 100,000 Russen als die Al.,000 Oestreichs
im Lande!

Und wieder sagte sich der Moldauer: auf dieser Seite können wir zu
nichts kommen. Dabei wußte er recht gut, - daß seine Abhängigkeit von der
Türkei auf nichts Anderem beruht, als aus einer im -16. Jahrhundert abge¬
schlossenen Kapitulation; er wußte ferner, daß er Kraft dieser Capitulation
verpflichtet war, einen Tribut zu zahlen, während die Türkei ihn vor feind-
licher Invasion schützen und seine Heimath vor den Gelüsten der Eroberer
sichern sollte; daß er seinerseits den Tribut pünktlich bezahlt hat, während
die Pforte einen Theil der Moldau Oestreich, einen anderen Nußland über¬
ließ; daß also der auf gegenseitige Verpflichtungen begründete Contract co ipso
als aufgehoben zu betrachten wäre. Zwischen Privatpersonen wäre eine der¬
artige Frage so klar, daß sie nicht einmal Stoss zu einem Proceß liefern
könnte. Bier Millionen Privatpersonen aber stehen in einem anderen Ver-


wurden sie höflich angehört, aber nie angenommen von den Herrn Consuln,
die wol gar lächelten, als wollten sie sagen: wie kommt Ihr auf dergleichen,
liebe Kinder? Ueberlaßt doch uns die Sorge Euch zu regieren. — ES war viel¬
leicht zu viel verlangt, wenn man meinte, das Petersburger Cabinet solle sich
darum kümmern, auf welche Weise die Salzbergwerke verpachtet wurden, ob
das Land eine Hypothekenbank hatte, ob die verschuldeten Bojaren, dem Wu¬
cher Preis gegeben, zu Grunde gingen, oder nicht u. s. w. Die Consuln
griffen mit ihrer Macht nur das an, was ihnen bequem lag; schreiende Mi߬
bräuche blieben unbeachtet, „weil ihre Jnstructionen jede Einmischung in inne¬
re Angelegenheiten verboten." Die Wahl der Minister aber in einem Lande,
das keine äußere Politik zu vertreten hat, ist auch eine innere Angelegenheit,
und diese Wahl konnte den Einfluß des russischen Consulats nie von sich ab¬
schütteln.

Die Moldauer sagten sich also: wir haben die lebhafteste Svmpathie für
Nußland gehabt; das Se. Petersburger Cabinet bekümmert sich nicht weiter
um unser Wohl und Weh und stößt unsere Sympathie von sich; bei dieser
Politik können wir zu nichts kommen.

Man wendete sich, eS war dies um die Zeit, wo die Russen die Moldau
und Walachei räumten, den „Trägern der Civilisation des Westens" zu, wie
damals die rumänische Presse die Oestreicher nannte.

Blumensträuße und laute Acclamationen empfingen die k. k. Truppen bei
ihrem Einmarsch. Oestreich gehörte jetzt die Sympathie der Moldau. Aber
das Gefühl wurde bald auf eine klägliche Weise erstickt. Die verschiedensten
Umstände trugen dazu bei, hauptsächlich aber ein Grundzug, der den Befehls¬
habern fast durchgehends eigen war: herrisches Auftreten. Dabei waren die
Bedürfnisse für die Einquartirung kaum zu erschwingen, so daß wir oft laut
haben seufzen hören: lieber die 100,000 Russen als die Al.,000 Oestreichs
im Lande!

Und wieder sagte sich der Moldauer: auf dieser Seite können wir zu
nichts kommen. Dabei wußte er recht gut, - daß seine Abhängigkeit von der
Türkei auf nichts Anderem beruht, als aus einer im -16. Jahrhundert abge¬
schlossenen Kapitulation; er wußte ferner, daß er Kraft dieser Capitulation
verpflichtet war, einen Tribut zu zahlen, während die Türkei ihn vor feind-
licher Invasion schützen und seine Heimath vor den Gelüsten der Eroberer
sichern sollte; daß er seinerseits den Tribut pünktlich bezahlt hat, während
die Pforte einen Theil der Moldau Oestreich, einen anderen Nußland über¬
ließ; daß also der auf gegenseitige Verpflichtungen begründete Contract co ipso
als aufgehoben zu betrachten wäre. Zwischen Privatpersonen wäre eine der¬
artige Frage so klar, daß sie nicht einmal Stoss zu einem Proceß liefern
könnte. Bier Millionen Privatpersonen aber stehen in einem anderen Ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/159>, abgerufen am 24.08.2024.