Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.Gewerbe nicht mehr vorhanden und muß erst in wirkliches Geld wieder um¬ Grenjboteu. III. -I8S7. 13
Gewerbe nicht mehr vorhanden und muß erst in wirkliches Geld wieder um¬ Grenjboteu. III. -I8S7. 13
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0105" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/104306"/> <p xml:id="ID_287" prev="#ID_286" next="#ID_288"> Gewerbe nicht mehr vorhanden und muß erst in wirkliches Geld wieder um¬<lb/> gewandelt werden. Mit Actien und Staatsschuldschcinen lassen sich keine<lb/> Rechnungen und Wechsel bezahlen, sie gefährden umgekehrt infolge ihres ver¬<lb/> änderlichen CourSstandes den Vermögenszustand und folgeweise auch den<lb/> Credit ihrer Besitzer. Nur der Rentier, der die sichersten Papiere ausgewählt<lb/> hat, kann vielleicht auf den Lorbeeren seiner Actien ausruhen und sich durch<lb/> CvuponSschneiden ernähren; allein diese glücklich situirte Minderzahl ist gewiß kein<lb/> bedeutender Factor bei volkswirthschaftlichen Gedeihen, und sie sieht sich der un¬<lb/> mittelbaren Gefährdung ausgesetzt, so wie sie in den Strudel der Fondsbörse hinein-<lb/> geräth. Für Handel und Verkehr ergeben sich dagegen' ihr gegenüber zwei<lb/> interessante Erscheinungen. Genau in dein Verhältniß, in welchem von einem<lb/> Kaufmann oder Gewerbtreibenden eine Betheiligung am Acticnhandel bekannt<lb/> wird, läuft auch sein allgemeiner Credit Gefahr zu sinken, sobald nicht außer¬<lb/> gewöhnliche Mittel ihm zu Gebote stehen. Grade der Credit des FondShänd-<lb/> lers von Fach ist durchschnittlich nur ein auf kurze Termine berechneter, mit<lb/> derselben seltenen Ausnahme. Der Kaufmann, der Fondsgeschäste macht, ver¬<lb/> mindert sür deren Betrag und darüber sein disponibles Vermögen, setzt sich der<lb/> Gefahr von unbekannten Verlusten aus, und was die Hauptsache ist, kann in<lb/> den Ruf kommen, seinem regelmäßigen Geschäft Kräfte und Aufmerksamkeit zu<lb/> entziehen. Die durch den Fondshandel veranlaßte Capitalbewegung ist daher<lb/> wesentlich geeignet, dem eigentlichen Verkehr Mittel zu entziehen. ES<lb/> mag ganz richtig sein, daß in geschäftölosen Zeiten die Fondsbörse ge¬<lb/> legentlich brach liegendes Geld verwerthet, allein was folgt daraus? Die durch<lb/> alle Thatsachen bestätigte Wahrnehmung, daß das Gedeihen des Fonds -<lb/> Handels und das de s W aarenh andels i in umgekehrten V er hältniß<lb/> Zueinander stehen, und da ein lebhafter Waarenumsatz der regelmäßige Be¬<lb/> gleiter einer starken Consumtion d. h. eines steigenden Wohlstandes ist, so<lb/> folgt weiter daraus, daß ein lebhaftes Fondögeschäft das sichere Wahr¬<lb/> zeichen getrübter Verkehrs- und Consum tionsverhältnisse ist. Es<lb/> gibt allerdings, wie schon erwähnt, auch im Waarenhandel Ausnahmszustände,<lb/> sogenannte besondere Conjuncturen, durch Mißernten oder sonstwie veranlaßt;<lb/> allein niemand wird sagen, daß dieselben für die allgemeinen Interessen be¬<lb/> sonders wohlthätig wirken; denn, werden alsdann auch rasche Gewinne erzielt,<lb/> so doch fast regelmäßig als Nachwehen nicht minder starke Verluste. Die<lb/> Leichtigkeit, bei einigermaßen weniger lebhaftem Waarengeschäft seine Gelder in<lb/> Fonds placiren zu können, ist nicht selten die weitere Veranlassung, dasselbe zu<lb/> schwächen. Aber der fernere Nachtheil ist, daß so verwandte Gelder sich oft<lb/> nicht beliebig wieder herausziehen lassen, und geschieht dies, weil es doch ge¬<lb/> schehen muß, da der Kaufmann sein Geld zum Geschäftsbetrieb nöthig hat,<lb/> so bleiben für ihn die Schäden nicht aus, an denen die Fondsbörse sofort</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenjboteu. III. -I8S7. 13</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0105]
Gewerbe nicht mehr vorhanden und muß erst in wirkliches Geld wieder um¬
gewandelt werden. Mit Actien und Staatsschuldschcinen lassen sich keine
Rechnungen und Wechsel bezahlen, sie gefährden umgekehrt infolge ihres ver¬
änderlichen CourSstandes den Vermögenszustand und folgeweise auch den
Credit ihrer Besitzer. Nur der Rentier, der die sichersten Papiere ausgewählt
hat, kann vielleicht auf den Lorbeeren seiner Actien ausruhen und sich durch
CvuponSschneiden ernähren; allein diese glücklich situirte Minderzahl ist gewiß kein
bedeutender Factor bei volkswirthschaftlichen Gedeihen, und sie sieht sich der un¬
mittelbaren Gefährdung ausgesetzt, so wie sie in den Strudel der Fondsbörse hinein-
geräth. Für Handel und Verkehr ergeben sich dagegen' ihr gegenüber zwei
interessante Erscheinungen. Genau in dein Verhältniß, in welchem von einem
Kaufmann oder Gewerbtreibenden eine Betheiligung am Acticnhandel bekannt
wird, läuft auch sein allgemeiner Credit Gefahr zu sinken, sobald nicht außer¬
gewöhnliche Mittel ihm zu Gebote stehen. Grade der Credit des FondShänd-
lers von Fach ist durchschnittlich nur ein auf kurze Termine berechneter, mit
derselben seltenen Ausnahme. Der Kaufmann, der Fondsgeschäste macht, ver¬
mindert sür deren Betrag und darüber sein disponibles Vermögen, setzt sich der
Gefahr von unbekannten Verlusten aus, und was die Hauptsache ist, kann in
den Ruf kommen, seinem regelmäßigen Geschäft Kräfte und Aufmerksamkeit zu
entziehen. Die durch den Fondshandel veranlaßte Capitalbewegung ist daher
wesentlich geeignet, dem eigentlichen Verkehr Mittel zu entziehen. ES
mag ganz richtig sein, daß in geschäftölosen Zeiten die Fondsbörse ge¬
legentlich brach liegendes Geld verwerthet, allein was folgt daraus? Die durch
alle Thatsachen bestätigte Wahrnehmung, daß das Gedeihen des Fonds -
Handels und das de s W aarenh andels i in umgekehrten V er hältniß
Zueinander stehen, und da ein lebhafter Waarenumsatz der regelmäßige Be¬
gleiter einer starken Consumtion d. h. eines steigenden Wohlstandes ist, so
folgt weiter daraus, daß ein lebhaftes Fondögeschäft das sichere Wahr¬
zeichen getrübter Verkehrs- und Consum tionsverhältnisse ist. Es
gibt allerdings, wie schon erwähnt, auch im Waarenhandel Ausnahmszustände,
sogenannte besondere Conjuncturen, durch Mißernten oder sonstwie veranlaßt;
allein niemand wird sagen, daß dieselben für die allgemeinen Interessen be¬
sonders wohlthätig wirken; denn, werden alsdann auch rasche Gewinne erzielt,
so doch fast regelmäßig als Nachwehen nicht minder starke Verluste. Die
Leichtigkeit, bei einigermaßen weniger lebhaftem Waarengeschäft seine Gelder in
Fonds placiren zu können, ist nicht selten die weitere Veranlassung, dasselbe zu
schwächen. Aber der fernere Nachtheil ist, daß so verwandte Gelder sich oft
nicht beliebig wieder herausziehen lassen, und geschieht dies, weil es doch ge¬
schehen muß, da der Kaufmann sein Geld zum Geschäftsbetrieb nöthig hat,
so bleiben für ihn die Schäden nicht aus, an denen die Fondsbörse sofort
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