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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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im Mai 1848 veröffentlichten Denkschrift auf Danzig, als dem geeignetsten
Punkt der preußischen Küste, um daselbst ein großes Seeetablissement zu er¬
richten, hingewiesen. Wer nur etwas mit den Tiefenverhältnissen vertraut war,
konnte diesem Gedanken schön damals nicht ungetheilten Beifall zollen. Es
ist wahr, er hatte die Stütze großer Autoritäten für sich: Peters l. und Na¬
poleon !. "Wenn ich mir einen Ort zum Kriegshafen im baltischen Meere aus¬
suchen sollte, würde ich Danzig dazu wählen," hatte der Zar gesagt, und
der Kaiser der Franzosen hatte den Ort als eine Localität gelobt, wo
dereinst ein Marinebassin seine Stelle finden könne. Das waren Urtheile,
die, bei einem Blick auf die, welche sie gethan, bestechen konnten, den
Verhältnissen der Oertlichkeit nach aber als ungegründet und unausführ¬
bar befunden werden mußten. Dazu kam noch eins: Danzig ist auch des¬
halb zur Anlegung eines KriegöhafenS nicht zu empfehlen, weil es als
solcher dem Landangriff im Rücken zu sehr ausgesetzt wäre. In einem Kriege
mit Rußland wird der nächste Streich stets dem Geschicke der vorgescho¬
benen, vom feindlichen Gebiet beinahe ganz umringten Ostprovinz gelten,
und fiele er ungünstig aus, so würde Danzig blockirt und der etwaige
Kriegshafen vom Körper des Staats abgeschnitten sein. Um vieles günstiger
liegt in dieser Hinsicht sowol, wie in Bezug auf die Seetiefe, Swinemünde.
An den Molenköpfen des Hafens von Neufahrwasscr (Danzig) beträgt die
Tiefe etwa siebzehn, an denen von Swinemünde (Ostermolc) aber fünfund-
zwanzig Fuß. Als der russische Dreidecker Peter I. von 110 Kanonen
im Jahre 1833 mit neun anderen russischen Linienschiffen nach Danzig kam,
ankerte die ganze Flotte, weit ab von der Küste auf der durch die Halbinsel
Hela nur unzulänglich geschützten Rhede; dagegen gelangte dasselbe Schiff
einige Jahre darnach, zwischen den Swinemünder Molen hindurch, bis Öfter-
nothhafen, welcher Punkt schon inmitten der Swine (Odermündung) und
nicht weit von der Stadt Swinemünde entfernt ist. Wenn diese Thatsachen sehr
für Swinemünde reden, so kommt dazu, daß es in der Mitte der südbaltischen
Küste gelegen ist, da wo der größte rein preußische Strom ins Meer einfällt,
daß es auch dann noch nicht vom Gros der Monarchie abgeschnitten ist, wenn
ein russischer Angriff, ihm im Rücken, die Oderlinie gewonnen hätte, daß
seine Lage, in Hinsicht auf die Jnselabschnitte Usedom und Wollin eine von
Natur feste ist, und nicht nur über Peene und Diewenow leicht dereinst Eisen¬
bahnlinien gelegt werden können, sondern auch Stettins Nähe ihm eine schnelle
Verbindung mit der Hauptstadt und allen in Betracht kommenden Punkten
des Staats sichert. Es ist selbstverständlich, daß der Kriegshafen einer so
großen Landmacht wie Preußen, als Einschiffungspunkt wohlgelcgen sein muß,
und welche Lage könnte in dieser Hinsicht trefflicher sein, wie die Swine-
mündes? Um in Danzig eine große Heeresmasse einzuschiffen, müßte diese erst


im Mai 1848 veröffentlichten Denkschrift auf Danzig, als dem geeignetsten
Punkt der preußischen Küste, um daselbst ein großes Seeetablissement zu er¬
richten, hingewiesen. Wer nur etwas mit den Tiefenverhältnissen vertraut war,
konnte diesem Gedanken schön damals nicht ungetheilten Beifall zollen. Es
ist wahr, er hatte die Stütze großer Autoritäten für sich: Peters l. und Na¬
poleon !. „Wenn ich mir einen Ort zum Kriegshafen im baltischen Meere aus¬
suchen sollte, würde ich Danzig dazu wählen," hatte der Zar gesagt, und
der Kaiser der Franzosen hatte den Ort als eine Localität gelobt, wo
dereinst ein Marinebassin seine Stelle finden könne. Das waren Urtheile,
die, bei einem Blick auf die, welche sie gethan, bestechen konnten, den
Verhältnissen der Oertlichkeit nach aber als ungegründet und unausführ¬
bar befunden werden mußten. Dazu kam noch eins: Danzig ist auch des¬
halb zur Anlegung eines KriegöhafenS nicht zu empfehlen, weil es als
solcher dem Landangriff im Rücken zu sehr ausgesetzt wäre. In einem Kriege
mit Rußland wird der nächste Streich stets dem Geschicke der vorgescho¬
benen, vom feindlichen Gebiet beinahe ganz umringten Ostprovinz gelten,
und fiele er ungünstig aus, so würde Danzig blockirt und der etwaige
Kriegshafen vom Körper des Staats abgeschnitten sein. Um vieles günstiger
liegt in dieser Hinsicht sowol, wie in Bezug auf die Seetiefe, Swinemünde.
An den Molenköpfen des Hafens von Neufahrwasscr (Danzig) beträgt die
Tiefe etwa siebzehn, an denen von Swinemünde (Ostermolc) aber fünfund-
zwanzig Fuß. Als der russische Dreidecker Peter I. von 110 Kanonen
im Jahre 1833 mit neun anderen russischen Linienschiffen nach Danzig kam,
ankerte die ganze Flotte, weit ab von der Küste auf der durch die Halbinsel
Hela nur unzulänglich geschützten Rhede; dagegen gelangte dasselbe Schiff
einige Jahre darnach, zwischen den Swinemünder Molen hindurch, bis Öfter-
nothhafen, welcher Punkt schon inmitten der Swine (Odermündung) und
nicht weit von der Stadt Swinemünde entfernt ist. Wenn diese Thatsachen sehr
für Swinemünde reden, so kommt dazu, daß es in der Mitte der südbaltischen
Küste gelegen ist, da wo der größte rein preußische Strom ins Meer einfällt,
daß es auch dann noch nicht vom Gros der Monarchie abgeschnitten ist, wenn
ein russischer Angriff, ihm im Rücken, die Oderlinie gewonnen hätte, daß
seine Lage, in Hinsicht auf die Jnselabschnitte Usedom und Wollin eine von
Natur feste ist, und nicht nur über Peene und Diewenow leicht dereinst Eisen¬
bahnlinien gelegt werden können, sondern auch Stettins Nähe ihm eine schnelle
Verbindung mit der Hauptstadt und allen in Betracht kommenden Punkten
des Staats sichert. Es ist selbstverständlich, daß der Kriegshafen einer so
großen Landmacht wie Preußen, als Einschiffungspunkt wohlgelcgen sein muß,
und welche Lage könnte in dieser Hinsicht trefflicher sein, wie die Swine-
mündes? Um in Danzig eine große Heeresmasse einzuschiffen, müßte diese erst


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[0098] im Mai 1848 veröffentlichten Denkschrift auf Danzig, als dem geeignetsten Punkt der preußischen Küste, um daselbst ein großes Seeetablissement zu er¬ richten, hingewiesen. Wer nur etwas mit den Tiefenverhältnissen vertraut war, konnte diesem Gedanken schön damals nicht ungetheilten Beifall zollen. Es ist wahr, er hatte die Stütze großer Autoritäten für sich: Peters l. und Na¬ poleon !. „Wenn ich mir einen Ort zum Kriegshafen im baltischen Meere aus¬ suchen sollte, würde ich Danzig dazu wählen," hatte der Zar gesagt, und der Kaiser der Franzosen hatte den Ort als eine Localität gelobt, wo dereinst ein Marinebassin seine Stelle finden könne. Das waren Urtheile, die, bei einem Blick auf die, welche sie gethan, bestechen konnten, den Verhältnissen der Oertlichkeit nach aber als ungegründet und unausführ¬ bar befunden werden mußten. Dazu kam noch eins: Danzig ist auch des¬ halb zur Anlegung eines KriegöhafenS nicht zu empfehlen, weil es als solcher dem Landangriff im Rücken zu sehr ausgesetzt wäre. In einem Kriege mit Rußland wird der nächste Streich stets dem Geschicke der vorgescho¬ benen, vom feindlichen Gebiet beinahe ganz umringten Ostprovinz gelten, und fiele er ungünstig aus, so würde Danzig blockirt und der etwaige Kriegshafen vom Körper des Staats abgeschnitten sein. Um vieles günstiger liegt in dieser Hinsicht sowol, wie in Bezug auf die Seetiefe, Swinemünde. An den Molenköpfen des Hafens von Neufahrwasscr (Danzig) beträgt die Tiefe etwa siebzehn, an denen von Swinemünde (Ostermolc) aber fünfund- zwanzig Fuß. Als der russische Dreidecker Peter I. von 110 Kanonen im Jahre 1833 mit neun anderen russischen Linienschiffen nach Danzig kam, ankerte die ganze Flotte, weit ab von der Küste auf der durch die Halbinsel Hela nur unzulänglich geschützten Rhede; dagegen gelangte dasselbe Schiff einige Jahre darnach, zwischen den Swinemünder Molen hindurch, bis Öfter- nothhafen, welcher Punkt schon inmitten der Swine (Odermündung) und nicht weit von der Stadt Swinemünde entfernt ist. Wenn diese Thatsachen sehr für Swinemünde reden, so kommt dazu, daß es in der Mitte der südbaltischen Küste gelegen ist, da wo der größte rein preußische Strom ins Meer einfällt, daß es auch dann noch nicht vom Gros der Monarchie abgeschnitten ist, wenn ein russischer Angriff, ihm im Rücken, die Oderlinie gewonnen hätte, daß seine Lage, in Hinsicht auf die Jnselabschnitte Usedom und Wollin eine von Natur feste ist, und nicht nur über Peene und Diewenow leicht dereinst Eisen¬ bahnlinien gelegt werden können, sondern auch Stettins Nähe ihm eine schnelle Verbindung mit der Hauptstadt und allen in Betracht kommenden Punkten des Staats sichert. Es ist selbstverständlich, daß der Kriegshafen einer so großen Landmacht wie Preußen, als Einschiffungspunkt wohlgelcgen sein muß, und welche Lage könnte in dieser Hinsicht trefflicher sein, wie die Swine- mündes? Um in Danzig eine große Heeresmasse einzuschiffen, müßte diese erst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/98>, abgerufen am 28.07.2024.