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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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hatte sich eine büßende Magdalena eingeschlichen, welcher, um der guten Brü¬
der willen, etwas züchtigere Verhüllung zu wünschen gewesen wäre. Der Gar¬
ten war baumlos, fast nur zum Gemüsebau eingerichtet. Ueber jeder Zellen¬
thüre fand sich ein colorirtes Papierbild der Madonna, und unter demselben
in Buchstaben eine der unzähligen Eigenschaften, mit welcher die südliche Phan¬
tasie Maria ausgestattet hat. Frühmorgens, dann vor dem Mittagsmahle,
dann wieder nach beendigter Siesta, endlich um Ave Maria und zu guter
Letzt noch um Mitternacht horte man den Kapuzinergesang. Er bewegte sich
von der Tonica nach der Dominante hin und her, war kurz, rhythmisch trocken
und immer der nämliche. Die Mönche sahen meist gelangweilt, noch häufiger
seelenlos aus. Einige waren Söhne der Landleute in der Umgegend; andere
hatten sich nach Erwerbung der rohesten Schreibvorkenntnisse aus allerhand
Beschäftigungen in den gesicherten Klosterhafen gerettet; noch andere blieben
.wegen völliger Unwissenheit dienende Brüder. Der Schalk saß wol den
wenigsten im Nacken. Das schwächere Geschlecht, den Mönchen doch noch zu
stark, war durch die Ueberschrift Clausura von dem Eintritt in das Kloster ab¬
gesperrt, belagerte den Eingang desselben jedoch in allen Lebensaltern, meist
um Almosen oder Küchenabfall bettelnd, wie denn die Klöster immer eine große
Menge Bettler durch Suppenvertheilung an sich ziehen. Ueber einer Clausura
in der Nähe von Amalft lasen wir: "Nie betritt ein weiblicher Fuß diese hei¬
lige Schwelle!" Man wird an eine gewisse Fabel erinnert, in welcher die
Ruhmredigkeit Verdacht erweckte.

Unsere Nachbarn, die Kapuziner, theilten die allgemeine Mönchsscheu
gegen die Einblicke Unberufener. Es besteht ein neapolitanisches Gesetz, wel¬
ches Strafen über das Hineingucken in Nonnenklöster verhängt. Um präven¬
tiv wirken zu lassen, hat man den Nachbarhäusern Fensterladen zugelegt, so
zwar, daß eine eiserne Platte sich zwischen das Kloster und jedes in dessen
Richtung gelegene Fenster einschiebt. Nach und nach haben die Mönche gleiche
Vorkehrungen durchgesetzt und unsere ehrwürdigen Nachbarn duldeten aus glei¬
cher Befugniß keine Platten Dächer in ihrer Nähe. Weil sie einen "leisen"
Schlaf zu haben behaupteten, durste ihr Uebermensch auch von -I bis 3,
d. h. während sie Siesta hielten, von seiner Hausthürglocke keinen Gebrauch
machen. Einige von ihnen waren große Feigenliebhaber und ritten zur Zeit
der Reife gern nach Massa. Hatten fremde Damen das Unglück, dem Esel eines
solchen klösterlichen Feinschmeckers zu begegnen, so mußten sie, wenn sie beritten
waren, ausweichen und es kam einige Mal vor, daß der Mönch das Eslein
der Reiterin mit eignen Peitschenhieben zum Ausweichen zwang. Im Uebrigen
waren sie unschädliche Gesellen , denen man, in einiger Entfernung von ihren
duftenden Kutten, nicht böse zu sein brauchte.

Die meisten Bettelklöster, die wir besuchten, boten verwandte Züge mit


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hatte sich eine büßende Magdalena eingeschlichen, welcher, um der guten Brü¬
der willen, etwas züchtigere Verhüllung zu wünschen gewesen wäre. Der Gar¬
ten war baumlos, fast nur zum Gemüsebau eingerichtet. Ueber jeder Zellen¬
thüre fand sich ein colorirtes Papierbild der Madonna, und unter demselben
in Buchstaben eine der unzähligen Eigenschaften, mit welcher die südliche Phan¬
tasie Maria ausgestattet hat. Frühmorgens, dann vor dem Mittagsmahle,
dann wieder nach beendigter Siesta, endlich um Ave Maria und zu guter
Letzt noch um Mitternacht horte man den Kapuzinergesang. Er bewegte sich
von der Tonica nach der Dominante hin und her, war kurz, rhythmisch trocken
und immer der nämliche. Die Mönche sahen meist gelangweilt, noch häufiger
seelenlos aus. Einige waren Söhne der Landleute in der Umgegend; andere
hatten sich nach Erwerbung der rohesten Schreibvorkenntnisse aus allerhand
Beschäftigungen in den gesicherten Klosterhafen gerettet; noch andere blieben
.wegen völliger Unwissenheit dienende Brüder. Der Schalk saß wol den
wenigsten im Nacken. Das schwächere Geschlecht, den Mönchen doch noch zu
stark, war durch die Ueberschrift Clausura von dem Eintritt in das Kloster ab¬
gesperrt, belagerte den Eingang desselben jedoch in allen Lebensaltern, meist
um Almosen oder Küchenabfall bettelnd, wie denn die Klöster immer eine große
Menge Bettler durch Suppenvertheilung an sich ziehen. Ueber einer Clausura
in der Nähe von Amalft lasen wir: „Nie betritt ein weiblicher Fuß diese hei¬
lige Schwelle!" Man wird an eine gewisse Fabel erinnert, in welcher die
Ruhmredigkeit Verdacht erweckte.

Unsere Nachbarn, die Kapuziner, theilten die allgemeine Mönchsscheu
gegen die Einblicke Unberufener. Es besteht ein neapolitanisches Gesetz, wel¬
ches Strafen über das Hineingucken in Nonnenklöster verhängt. Um präven¬
tiv wirken zu lassen, hat man den Nachbarhäusern Fensterladen zugelegt, so
zwar, daß eine eiserne Platte sich zwischen das Kloster und jedes in dessen
Richtung gelegene Fenster einschiebt. Nach und nach haben die Mönche gleiche
Vorkehrungen durchgesetzt und unsere ehrwürdigen Nachbarn duldeten aus glei¬
cher Befugniß keine Platten Dächer in ihrer Nähe. Weil sie einen „leisen"
Schlaf zu haben behaupteten, durste ihr Uebermensch auch von -I bis 3,
d. h. während sie Siesta hielten, von seiner Hausthürglocke keinen Gebrauch
machen. Einige von ihnen waren große Feigenliebhaber und ritten zur Zeit
der Reife gern nach Massa. Hatten fremde Damen das Unglück, dem Esel eines
solchen klösterlichen Feinschmeckers zu begegnen, so mußten sie, wenn sie beritten
waren, ausweichen und es kam einige Mal vor, daß der Mönch das Eslein
der Reiterin mit eignen Peitschenhieben zum Ausweichen zwang. Im Uebrigen
waren sie unschädliche Gesellen , denen man, in einiger Entfernung von ihren
duftenden Kutten, nicht böse zu sein brauchte.

Die meisten Bettelklöster, die wir besuchten, boten verwandte Züge mit


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[0083] hatte sich eine büßende Magdalena eingeschlichen, welcher, um der guten Brü¬ der willen, etwas züchtigere Verhüllung zu wünschen gewesen wäre. Der Gar¬ ten war baumlos, fast nur zum Gemüsebau eingerichtet. Ueber jeder Zellen¬ thüre fand sich ein colorirtes Papierbild der Madonna, und unter demselben in Buchstaben eine der unzähligen Eigenschaften, mit welcher die südliche Phan¬ tasie Maria ausgestattet hat. Frühmorgens, dann vor dem Mittagsmahle, dann wieder nach beendigter Siesta, endlich um Ave Maria und zu guter Letzt noch um Mitternacht horte man den Kapuzinergesang. Er bewegte sich von der Tonica nach der Dominante hin und her, war kurz, rhythmisch trocken und immer der nämliche. Die Mönche sahen meist gelangweilt, noch häufiger seelenlos aus. Einige waren Söhne der Landleute in der Umgegend; andere hatten sich nach Erwerbung der rohesten Schreibvorkenntnisse aus allerhand Beschäftigungen in den gesicherten Klosterhafen gerettet; noch andere blieben .wegen völliger Unwissenheit dienende Brüder. Der Schalk saß wol den wenigsten im Nacken. Das schwächere Geschlecht, den Mönchen doch noch zu stark, war durch die Ueberschrift Clausura von dem Eintritt in das Kloster ab¬ gesperrt, belagerte den Eingang desselben jedoch in allen Lebensaltern, meist um Almosen oder Küchenabfall bettelnd, wie denn die Klöster immer eine große Menge Bettler durch Suppenvertheilung an sich ziehen. Ueber einer Clausura in der Nähe von Amalft lasen wir: „Nie betritt ein weiblicher Fuß diese hei¬ lige Schwelle!" Man wird an eine gewisse Fabel erinnert, in welcher die Ruhmredigkeit Verdacht erweckte. Unsere Nachbarn, die Kapuziner, theilten die allgemeine Mönchsscheu gegen die Einblicke Unberufener. Es besteht ein neapolitanisches Gesetz, wel¬ ches Strafen über das Hineingucken in Nonnenklöster verhängt. Um präven¬ tiv wirken zu lassen, hat man den Nachbarhäusern Fensterladen zugelegt, so zwar, daß eine eiserne Platte sich zwischen das Kloster und jedes in dessen Richtung gelegene Fenster einschiebt. Nach und nach haben die Mönche gleiche Vorkehrungen durchgesetzt und unsere ehrwürdigen Nachbarn duldeten aus glei¬ cher Befugniß keine Platten Dächer in ihrer Nähe. Weil sie einen „leisen" Schlaf zu haben behaupteten, durste ihr Uebermensch auch von -I bis 3, d. h. während sie Siesta hielten, von seiner Hausthürglocke keinen Gebrauch machen. Einige von ihnen waren große Feigenliebhaber und ritten zur Zeit der Reife gern nach Massa. Hatten fremde Damen das Unglück, dem Esel eines solchen klösterlichen Feinschmeckers zu begegnen, so mußten sie, wenn sie beritten waren, ausweichen und es kam einige Mal vor, daß der Mönch das Eslein der Reiterin mit eignen Peitschenhieben zum Ausweichen zwang. Im Uebrigen waren sie unschädliche Gesellen , denen man, in einiger Entfernung von ihren duftenden Kutten, nicht böse zu sein brauchte. Die meisten Bettelklöster, die wir besuchten, boten verwandte Züge mit -10*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/83>, abgerufen am 01.09.2024.