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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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Kleinen wiederholten. Man glaubte in lauter strahlenden Lustgezelten einher
zu wandern und der Arbeiter fand begreiflicherweise viel mehr Vergnügen daran,
in diesen geschmückten Räumen zwischen gaffenden und lichtgeblendeten Weibern
und Männern jeden Alters und Standes umher zu schlendern, als daheim
in der thranerhellten Werkstatt die Arme zu ermüden. Kam noch volle Or¬
chestermusik hinzu, so war des Gedränges kein Ende. Die große, akustisch
günstig construirte Chiesa nuova, unweit des LiebhabertheaterS deS Prinzen
Cäsarini, leistete in dieser Beziehung das Meiste. An drei Nachmittagen war
große Musik von 4 bis 6'/" Uhr. Capocci dirigirte und die Kastraten des
Papstes, unter andern Mustapha und Pasquilino, waren mit hinzugezogen, so
daß an den ersten zwei Tagen zwei Chöre zu je zwanzig Sängern beisammen
waren. Links und rechts vom Altar sah man sie sammt dem Orchester auf
zwei hohen Balcons des Querschiffes; jeder Balcon hatte seine Orgel. Am
dritten Tage kam noch ein Chor hinzu, welcher dem Altar gegenüber, hoch
über der Hauptthür angebracht war. Die Musik bot ein Gemisch von alten
und neuesten Meistern und war eigentlich eine Art heiliges Potpourri. Pausen
wurden nicht gemacht oder doch durch Orgelstückchen im raschesten Staccato
ausgefüllt. Große Kräfte und geschmacklose Wirkungen. -- Besonders thaten
sich die Jesuiten bei diesen Festfeiern hervor. Sie statteten durch große Bilder
und Transparente die unscheinbarsten Räume aus, und man staunte über die
Reichhaltigkeit der Darstellungen im Thierbudengeschmack, die plötzlich ganze
Plätze z. B. denjenigen gegenüber der Kirche Jesu, in Bilderausstellungen um¬
wandelten. Die Madonna, auf dem Halbmonde stehend, bot nur zum Theil
den Stoff zu diesen Kunstgebilden. Das alte Testament hatte auch sein Con¬
tingent gestellt, und auf einem ungeheuren Stücke Leinwand der Jesuitenkirche
gegenüber, griff Potiphars riesengroßes Weib, halb aus dem Bette sich auf-
richtend, mit häßlicher Begehrlichkeit nach dem flüchtenden Joseph. Man wird
vielleicht solche Scenen nicht viel mehr geeignet halten Andacht zu erwecken,
als die Darstellung der badenden Susanna, von den Richtern überfallen,, wie
sie in Se. Susanna fast eine ganze Mauerwarid bedeckt. Dennoch muß man
zugeben, daß, wenn es überhaupt möglich war, die OonoexionL immaoulata
zum Gegenstand ernstlicher Untersuchungen zu machen und während eines
ganzen Jubeljahrs darüber von allen Kanzeln mit eingehender Breite zu
predigen, kein Grund vorhanden ist, biblische Stoffe von der Hand zu weisen,
die geeignet scheinen, dem Mirakel eine grobsinnliche Folie zu geben. Auch
die Transparentinschriften dienten dem nämlichen Zweck. Unweit der Domini-
canerkirche sopra Wuerva, wo die Büchercensur betrieben wird, lasen wir:


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Kleinen wiederholten. Man glaubte in lauter strahlenden Lustgezelten einher
zu wandern und der Arbeiter fand begreiflicherweise viel mehr Vergnügen daran,
in diesen geschmückten Räumen zwischen gaffenden und lichtgeblendeten Weibern
und Männern jeden Alters und Standes umher zu schlendern, als daheim
in der thranerhellten Werkstatt die Arme zu ermüden. Kam noch volle Or¬
chestermusik hinzu, so war des Gedränges kein Ende. Die große, akustisch
günstig construirte Chiesa nuova, unweit des LiebhabertheaterS deS Prinzen
Cäsarini, leistete in dieser Beziehung das Meiste. An drei Nachmittagen war
große Musik von 4 bis 6'/« Uhr. Capocci dirigirte und die Kastraten des
Papstes, unter andern Mustapha und Pasquilino, waren mit hinzugezogen, so
daß an den ersten zwei Tagen zwei Chöre zu je zwanzig Sängern beisammen
waren. Links und rechts vom Altar sah man sie sammt dem Orchester auf
zwei hohen Balcons des Querschiffes; jeder Balcon hatte seine Orgel. Am
dritten Tage kam noch ein Chor hinzu, welcher dem Altar gegenüber, hoch
über der Hauptthür angebracht war. Die Musik bot ein Gemisch von alten
und neuesten Meistern und war eigentlich eine Art heiliges Potpourri. Pausen
wurden nicht gemacht oder doch durch Orgelstückchen im raschesten Staccato
ausgefüllt. Große Kräfte und geschmacklose Wirkungen. — Besonders thaten
sich die Jesuiten bei diesen Festfeiern hervor. Sie statteten durch große Bilder
und Transparente die unscheinbarsten Räume aus, und man staunte über die
Reichhaltigkeit der Darstellungen im Thierbudengeschmack, die plötzlich ganze
Plätze z. B. denjenigen gegenüber der Kirche Jesu, in Bilderausstellungen um¬
wandelten. Die Madonna, auf dem Halbmonde stehend, bot nur zum Theil
den Stoff zu diesen Kunstgebilden. Das alte Testament hatte auch sein Con¬
tingent gestellt, und auf einem ungeheuren Stücke Leinwand der Jesuitenkirche
gegenüber, griff Potiphars riesengroßes Weib, halb aus dem Bette sich auf-
richtend, mit häßlicher Begehrlichkeit nach dem flüchtenden Joseph. Man wird
vielleicht solche Scenen nicht viel mehr geeignet halten Andacht zu erwecken,
als die Darstellung der badenden Susanna, von den Richtern überfallen,, wie
sie in Se. Susanna fast eine ganze Mauerwarid bedeckt. Dennoch muß man
zugeben, daß, wenn es überhaupt möglich war, die OonoexionL immaoulata
zum Gegenstand ernstlicher Untersuchungen zu machen und während eines
ganzen Jubeljahrs darüber von allen Kanzeln mit eingehender Breite zu
predigen, kein Grund vorhanden ist, biblische Stoffe von der Hand zu weisen,
die geeignet scheinen, dem Mirakel eine grobsinnliche Folie zu geben. Auch
die Transparentinschriften dienten dem nämlichen Zweck. Unweit der Domini-
canerkirche sopra Wuerva, wo die Büchercensur betrieben wird, lasen wir:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/80>, abgerufen am 01.09.2024.