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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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nicht nöthig, wie der Nachfolger Petri, allein zu speisen. Sämmtliche Tobias-
hündlein deS Quartiers leisten ihm Gesellschaft, will er ja einmal um deS
guten Verdienstes willen das heimische Mittagsmahl und die stärkende Siesta
opfern. Lieber aber reitet er Mittags nach Hause. Unter dem schattigen Vor¬
sprung des ohnlängst noch von Peter Cornelius bewohnten Eckhauses der Via
Sistina steht Pepes grauweißes, schmuckes Eselein und harrt geduldig seines
Reiters. ES ist wohlgenährt und trägt den glücklichen Bettler trabend durch
die Straßen Roms, nicht minder stolz auf seine nach allen Seiten Grüße
spendende und empfangende Bürde, als es der Pony sein mag, auf wel¬
chem James von Rothschild Abends aus der City nach seinem Landhause
hinaüSreitet. Häufig schließt sich ein blindes Paar dem heimkehrenden Pepe
an, ein Alter und ein Mädchen, die in der Nähe der Eselsstation ihren
Bettelerwerb haben und denen der Schwanz des Grauthiers zum Ariadne¬
faden in dem Labyrinth deö römischen Volksviertels dient. Man würde dem
Reiter indessen Unrecht thun, wenn man ihm seine Ritterschaft als Hochmuth
oder Ueberhebung auslegte. Er ist verkrüppelt und durchaus der Fähigkeit
beraubt, sich seiner Beine anders als rutschend zu bedienen. Hierin hat ers
freilich zu einer so großen Fertigkeit gebracht, daß ihm auf seiner Station trotz
der Breite des Treppenabsatzes so leicht kein Forestiere entgeht und finge die¬
ser eS auch noch so schlau an, ungesehen und ungegrüßt an dem freundlichen
Zöllner vorüberzuschlüpsen. Denn seine Art zu grüßen hat etwas von jenem
geheimnißvollen Zauber, um dessentwillen Held Ulysses seine Ohren mit Wachs
verstopfte. lZuori Aorno, SiKnore! Ja, Hunderte Sprechens täglich aus und
lernen doch nicht den Klang hineinlegen, der in Pepes Munde sich sofort
klingend verwerthet. Wenn er den schön geputzten Töchtern Albions bei hei¬
term Wetter ein fröhliches bot tewpo, Sixnorel zuruft, so scheint die Sonne
für die nächsten zwei Minuten noch einmal so lustig als zuvor, und während
dieser zwei Minuten öffnet sich Manches Portemonnaie,, das bei zehn voraus¬
gegangenen Anreden geschlossen blieb. So mächtig ist die Wirkung, daß viele
Bewohner des eleganten Viertels, um nur nicht täglich in die Tasche greisen
zu müssen, sich von Zeit zu Zeit durch runde Summen frei kaufen. Von der
Macht, welche Pepe über Herz und Börse der ihm nahe Kommenden ausübt,
hat er übrigens selbst ein zu sicheres Bewußtsein, um nicht durch Bescheiden¬
heit diese unumschränkte Herrschaft weise zu zügeln. Er wird nie zweimal
grüßen, wenn er das erste Mal seinen Zweck erreichte, oder er wird in einer
Weise grüßen, daß der Geber sich im Stillen sagen muß: im Grunde läßt sich
doch nirgend Geld besser anlegen. Hat er irgend Gelegenheit, so kehrt er
auch den Gefälligen heraus und sucht sich Andere zu verpflichten. Hierzu
bietet namentlich der Sonntagnachmittag Veranlassung. Um fünf Uhr ist
Nonnengesang. Zwar steht man die schönen Abgeschiedenen nicht, -- ein


nicht nöthig, wie der Nachfolger Petri, allein zu speisen. Sämmtliche Tobias-
hündlein deS Quartiers leisten ihm Gesellschaft, will er ja einmal um deS
guten Verdienstes willen das heimische Mittagsmahl und die stärkende Siesta
opfern. Lieber aber reitet er Mittags nach Hause. Unter dem schattigen Vor¬
sprung des ohnlängst noch von Peter Cornelius bewohnten Eckhauses der Via
Sistina steht Pepes grauweißes, schmuckes Eselein und harrt geduldig seines
Reiters. ES ist wohlgenährt und trägt den glücklichen Bettler trabend durch
die Straßen Roms, nicht minder stolz auf seine nach allen Seiten Grüße
spendende und empfangende Bürde, als es der Pony sein mag, auf wel¬
chem James von Rothschild Abends aus der City nach seinem Landhause
hinaüSreitet. Häufig schließt sich ein blindes Paar dem heimkehrenden Pepe
an, ein Alter und ein Mädchen, die in der Nähe der Eselsstation ihren
Bettelerwerb haben und denen der Schwanz des Grauthiers zum Ariadne¬
faden in dem Labyrinth deö römischen Volksviertels dient. Man würde dem
Reiter indessen Unrecht thun, wenn man ihm seine Ritterschaft als Hochmuth
oder Ueberhebung auslegte. Er ist verkrüppelt und durchaus der Fähigkeit
beraubt, sich seiner Beine anders als rutschend zu bedienen. Hierin hat ers
freilich zu einer so großen Fertigkeit gebracht, daß ihm auf seiner Station trotz
der Breite des Treppenabsatzes so leicht kein Forestiere entgeht und finge die¬
ser eS auch noch so schlau an, ungesehen und ungegrüßt an dem freundlichen
Zöllner vorüberzuschlüpsen. Denn seine Art zu grüßen hat etwas von jenem
geheimnißvollen Zauber, um dessentwillen Held Ulysses seine Ohren mit Wachs
verstopfte. lZuori Aorno, SiKnore! Ja, Hunderte Sprechens täglich aus und
lernen doch nicht den Klang hineinlegen, der in Pepes Munde sich sofort
klingend verwerthet. Wenn er den schön geputzten Töchtern Albions bei hei¬
term Wetter ein fröhliches bot tewpo, Sixnorel zuruft, so scheint die Sonne
für die nächsten zwei Minuten noch einmal so lustig als zuvor, und während
dieser zwei Minuten öffnet sich Manches Portemonnaie,, das bei zehn voraus¬
gegangenen Anreden geschlossen blieb. So mächtig ist die Wirkung, daß viele
Bewohner des eleganten Viertels, um nur nicht täglich in die Tasche greisen
zu müssen, sich von Zeit zu Zeit durch runde Summen frei kaufen. Von der
Macht, welche Pepe über Herz und Börse der ihm nahe Kommenden ausübt,
hat er übrigens selbst ein zu sicheres Bewußtsein, um nicht durch Bescheiden¬
heit diese unumschränkte Herrschaft weise zu zügeln. Er wird nie zweimal
grüßen, wenn er das erste Mal seinen Zweck erreichte, oder er wird in einer
Weise grüßen, daß der Geber sich im Stillen sagen muß: im Grunde läßt sich
doch nirgend Geld besser anlegen. Hat er irgend Gelegenheit, so kehrt er
auch den Gefälligen heraus und sucht sich Andere zu verpflichten. Hierzu
bietet namentlich der Sonntagnachmittag Veranlassung. Um fünf Uhr ist
Nonnengesang. Zwar steht man die schönen Abgeschiedenen nicht, — ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/74>, abgerufen am 06.10.2024.