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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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aus den Augen verloren, obgleich er der zahlreichste ist. Wir wollen darum
später auch die übrigen Volksclassen einer ähnlichen Prüfung unterwerfen.




Correspondenzen.
Bon der Schlei,
Das Danisirungswcrk in Schleswig.


Die Dänen wollen also nachgeben/) Gewisse deutsche Zeitungen jubeln darüber
wie über einen großen Sieg. Andre bleiben kühl und wir Schleswiger schließen
uns ihnen an, da, wenn mit der Zusage, den holsteinischen Ständen die von ihnen
noch nicht berathenen Theile der Gesammtstaatsverfassung zur Begutachtung vor¬
zulegen, überhaupt etwas erreicht wurde, dieses Etwas "icht viel mehr als die Ge¬
legenheit zu einer Demonstration sein kann. Gesetzt aber auch, den unwahrschein¬
lichen, sast unmöglichen Hall, der Gewinn wäre ein größerer, Holstein würde wirk¬
lich, frei und unabhängig von der im Gesammtstaat herrschenden Dänenmajorität,
wirklich einmal ganz für Deutschland gewonnen: so lange nicht Schleswig in das
alte Verhältniß zu Holstein zurück und aus dem neuern zu Dänemark heraustritt,
ist die dänisch-deutsche Frage selbst dann noch nicht genügend beantwortet, wenn,
was wenigstens möglich ist, die zunächst Betheiligten, die Holstciucr, ihren Frieden
mit Dänemark machen.

Wir lassen es dahingestellt, ob man 18i9 in Deutschland "icht weise gehan¬
delt hätte, sich mit den damals herrschenden Eidcrdäncn zu vertragen oder wenig¬
stens auf eine Ausgleichung einzugehen, welche die dcutschredende Südhälfte Schles¬
wigs mit Holstein und Deutschland, die Nordhälfte mit Dänemark verband. Man
hätte auf diese Weise ohne weiteres Blutgeld den kieler Hasen, Rendsburg und
die starke Position bei Jdstedt bekommen. Man zog es vor, das volle Recht in
Anspruch zu nehmen, und man ist dabei völlig leer ausgegangen. Konnte man
damals der Klugheit den Rang vor dem Rechte lassen, und hat man vielleicht ge¬
fehlt, indem mau dies nicht that, so hätte man, wenn jetzt die Gelegenheit wieder
winkte, keine Wahl mehr. Durch den Ausgang, den damals die Sache nahm, ist
es Ehrensache für Deutschland geworden, sobald günstige Sterne scheinen, auch
Schleswig wieder in den Kreis der Verhandlung zu ziehen, und wenigstens die
öffentliche Meinung und die Presse, die ihr Stimme verleiht, darf kein Arran¬
gement, das Schleswig nicht ausdrücklich mit berücksichtigt nud die damals adop-
tirten Grundsätze verwirklicht, als ein endgültiges gutheißen, ohne an der Ehre
der Nation zu freveln.

Die Zeiten find indeß nicht der Art, daß man hoffen dürfte, die Angelegen¬
heit werde jetzt, werde auch nur in der nächsten Zukunft von diesem Gesichtspunkte
aus geregelt werden. Wenn in der Frage, so lange sie als blos holstein-lanen-
burgische auftrat, England, Frankreich und Rußland sich gleichgiltig, wenigstens



*) Den neuesten Nachrichten zufolge hat das kopenhagener Cabinet auf die Noten Preu¬
ßens und Oestreichs, welche größere Zugeständnisse als die in' der Depesche vom >IiZ. Mai
enthaltenen verlangten, ablehnend zu antworten beschlossen.

aus den Augen verloren, obgleich er der zahlreichste ist. Wir wollen darum
später auch die übrigen Volksclassen einer ähnlichen Prüfung unterwerfen.




Correspondenzen.
Bon der Schlei,
Das Danisirungswcrk in Schleswig.


Die Dänen wollen also nachgeben/) Gewisse deutsche Zeitungen jubeln darüber
wie über einen großen Sieg. Andre bleiben kühl und wir Schleswiger schließen
uns ihnen an, da, wenn mit der Zusage, den holsteinischen Ständen die von ihnen
noch nicht berathenen Theile der Gesammtstaatsverfassung zur Begutachtung vor¬
zulegen, überhaupt etwas erreicht wurde, dieses Etwas »icht viel mehr als die Ge¬
legenheit zu einer Demonstration sein kann. Gesetzt aber auch, den unwahrschein¬
lichen, sast unmöglichen Hall, der Gewinn wäre ein größerer, Holstein würde wirk¬
lich, frei und unabhängig von der im Gesammtstaat herrschenden Dänenmajorität,
wirklich einmal ganz für Deutschland gewonnen: so lange nicht Schleswig in das
alte Verhältniß zu Holstein zurück und aus dem neuern zu Dänemark heraustritt,
ist die dänisch-deutsche Frage selbst dann noch nicht genügend beantwortet, wenn,
was wenigstens möglich ist, die zunächst Betheiligten, die Holstciucr, ihren Frieden
mit Dänemark machen.

Wir lassen es dahingestellt, ob man 18i9 in Deutschland »icht weise gehan¬
delt hätte, sich mit den damals herrschenden Eidcrdäncn zu vertragen oder wenig¬
stens auf eine Ausgleichung einzugehen, welche die dcutschredende Südhälfte Schles¬
wigs mit Holstein und Deutschland, die Nordhälfte mit Dänemark verband. Man
hätte auf diese Weise ohne weiteres Blutgeld den kieler Hasen, Rendsburg und
die starke Position bei Jdstedt bekommen. Man zog es vor, das volle Recht in
Anspruch zu nehmen, und man ist dabei völlig leer ausgegangen. Konnte man
damals der Klugheit den Rang vor dem Rechte lassen, und hat man vielleicht ge¬
fehlt, indem mau dies nicht that, so hätte man, wenn jetzt die Gelegenheit wieder
winkte, keine Wahl mehr. Durch den Ausgang, den damals die Sache nahm, ist
es Ehrensache für Deutschland geworden, sobald günstige Sterne scheinen, auch
Schleswig wieder in den Kreis der Verhandlung zu ziehen, und wenigstens die
öffentliche Meinung und die Presse, die ihr Stimme verleiht, darf kein Arran¬
gement, das Schleswig nicht ausdrücklich mit berücksichtigt nud die damals adop-
tirten Grundsätze verwirklicht, als ein endgültiges gutheißen, ohne an der Ehre
der Nation zu freveln.

Die Zeiten find indeß nicht der Art, daß man hoffen dürfte, die Angelegen¬
heit werde jetzt, werde auch nur in der nächsten Zukunft von diesem Gesichtspunkte
aus geregelt werden. Wenn in der Frage, so lange sie als blos holstein-lanen-
burgische auftrat, England, Frankreich und Rußland sich gleichgiltig, wenigstens



*) Den neuesten Nachrichten zufolge hat das kopenhagener Cabinet auf die Noten Preu¬
ßens und Oestreichs, welche größere Zugeständnisse als die in' der Depesche vom >IiZ. Mai
enthaltenen verlangten, ablehnend zu antworten beschlossen.
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[0524] aus den Augen verloren, obgleich er der zahlreichste ist. Wir wollen darum später auch die übrigen Volksclassen einer ähnlichen Prüfung unterwerfen. Correspondenzen. Bon der Schlei, Das Danisirungswcrk in Schleswig. Die Dänen wollen also nachgeben/) Gewisse deutsche Zeitungen jubeln darüber wie über einen großen Sieg. Andre bleiben kühl und wir Schleswiger schließen uns ihnen an, da, wenn mit der Zusage, den holsteinischen Ständen die von ihnen noch nicht berathenen Theile der Gesammtstaatsverfassung zur Begutachtung vor¬ zulegen, überhaupt etwas erreicht wurde, dieses Etwas »icht viel mehr als die Ge¬ legenheit zu einer Demonstration sein kann. Gesetzt aber auch, den unwahrschein¬ lichen, sast unmöglichen Hall, der Gewinn wäre ein größerer, Holstein würde wirk¬ lich, frei und unabhängig von der im Gesammtstaat herrschenden Dänenmajorität, wirklich einmal ganz für Deutschland gewonnen: so lange nicht Schleswig in das alte Verhältniß zu Holstein zurück und aus dem neuern zu Dänemark heraustritt, ist die dänisch-deutsche Frage selbst dann noch nicht genügend beantwortet, wenn, was wenigstens möglich ist, die zunächst Betheiligten, die Holstciucr, ihren Frieden mit Dänemark machen. Wir lassen es dahingestellt, ob man 18i9 in Deutschland »icht weise gehan¬ delt hätte, sich mit den damals herrschenden Eidcrdäncn zu vertragen oder wenig¬ stens auf eine Ausgleichung einzugehen, welche die dcutschredende Südhälfte Schles¬ wigs mit Holstein und Deutschland, die Nordhälfte mit Dänemark verband. Man hätte auf diese Weise ohne weiteres Blutgeld den kieler Hasen, Rendsburg und die starke Position bei Jdstedt bekommen. Man zog es vor, das volle Recht in Anspruch zu nehmen, und man ist dabei völlig leer ausgegangen. Konnte man damals der Klugheit den Rang vor dem Rechte lassen, und hat man vielleicht ge¬ fehlt, indem mau dies nicht that, so hätte man, wenn jetzt die Gelegenheit wieder winkte, keine Wahl mehr. Durch den Ausgang, den damals die Sache nahm, ist es Ehrensache für Deutschland geworden, sobald günstige Sterne scheinen, auch Schleswig wieder in den Kreis der Verhandlung zu ziehen, und wenigstens die öffentliche Meinung und die Presse, die ihr Stimme verleiht, darf kein Arran¬ gement, das Schleswig nicht ausdrücklich mit berücksichtigt nud die damals adop- tirten Grundsätze verwirklicht, als ein endgültiges gutheißen, ohne an der Ehre der Nation zu freveln. Die Zeiten find indeß nicht der Art, daß man hoffen dürfte, die Angelegen¬ heit werde jetzt, werde auch nur in der nächsten Zukunft von diesem Gesichtspunkte aus geregelt werden. Wenn in der Frage, so lange sie als blos holstein-lanen- burgische auftrat, England, Frankreich und Rußland sich gleichgiltig, wenigstens *) Den neuesten Nachrichten zufolge hat das kopenhagener Cabinet auf die Noten Preu¬ ßens und Oestreichs, welche größere Zugeständnisse als die in' der Depesche vom >IiZ. Mai enthaltenen verlangten, ablehnend zu antworten beschlossen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/524>, abgerufen am 01.09.2024.