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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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Kanzeltreppe öffnet, ein hinter derselben stehendes Schwert von Holz ergreift
und dasselbe mit der Spitze nach dem Boden senkend ausruft: "Fürwahr, Gott
liebt und seine Engel segnen den Propheten! O ihr Gläubigen segnet ihn auch
und begrüßt ihn mit einem Gruße!" Dieser Aufforderung wird von einem oder
einigen Sängern, die auf der vorhin erwähnten Erhöhung stehen, durch einen
Lobgesang aus "den trefflichsten der Araber, dem die Spinne freundlich war, den
die Wüsteneidechse grüßte und vor dem der Mond sich in zwei Hälften theilte,
unser" Herrn Mohammed und seine Familie" entsprochen. Alsdann wird von
dem Diener mit dem Holzschwerte der Adam noch einmal gesungen, und wäh¬
rend dessen erscheint der Chatib oder Prediger am Fuße der Kanzeltreppe,
nimmt das Schwert, steigt zur Kanzel, die an diesem Tage mit Fahnen ge¬
schmückt ist, hinauf und setzt sich, um, nachdem der Adam beendigt ist, eine
Art Predigt vorzutragen, die mit Lobpreisungen Gottes beginnt, dann zu Er¬
mahnungen übergeht und zuletzt eine Aufforderung zum Beten enthält. Die
Gemeinde kommt dieser Aufforderung leise nach, indem alle die Hände vor sich
halten und dann mit denselben über das Gesicht streichen. Hierauf singen
die Sänger auf der Erhöhung: "Amen, Amen, o Herr aller Geschöpfe!"
Dann folgt eine zweite Predigt von ähnlichem Inhalt, an vie sich Gebete
für Mohammed und seine Frauen und Freunde, für die Verstorbenen, für den
Sultan, für die Heere des Islam, für Gefangene, Schuldner und Reisende
schließen. Der Vortrag endigt mit den Worten: "Gedenket Gottes und er
wird eurer gedenken. Danket ihm, und er wird euren Segen mehren. Preis
sei Gott, dem Herrn aller Erschaffenen!"

Während der Chatib nun die Kanzeltreppe herabsteigt, singen die Mu-
balligs (so heißen die Sänger) noch einmal das Glaubensbekenntniß des Is¬
lam. Dann spricht der Chatib zwei RekahS, welche von der ganzen Ver¬
sammlung leise nachgebetet werden und hierauf zerstreut sich die Gemeinde.

Frauen sieht man bei den Freitagsgottesdiensten niemals. Mohammed
zwar hat ihnen den Zutritt zu denselben nicht verboten, und früher soll er
ihnen allenthalben gestattet gewesen sein, wenn auch unter der Bedingung,
ihren Platz getrennt von den Männern und hinter denselben zu nehmen, eine
Angabe, die sich dadurch zu bestätigen scheint, daß sich in einigen Moscheen,
z. B. in der Dschami der Sejdi Senab, mit Gitterwerk von dem der Gebets¬
nische zunächst gelegenen größern Theile deS Schiffs abgeschiedene Räume fin¬
den. Die Erlaubniß mag indeß zu Ungebührlichkeiten der Art Veranlassung
gegeben haben, wie sie in der Markuskirche Venedigs an der Tagesordnung
sind. Wenigstens erklärte Hassan uns den Umstand, daß jetzt zu Kairo weder
Frauen noch bartlose Knaben beim Freitagsgottesdienste geduldet werden, damit,
daß die Gegenwart solcher Personen eine andere Art von Andacht errege,
als die, welche sich beim Gebete gezieme.


Kanzeltreppe öffnet, ein hinter derselben stehendes Schwert von Holz ergreift
und dasselbe mit der Spitze nach dem Boden senkend ausruft: „Fürwahr, Gott
liebt und seine Engel segnen den Propheten! O ihr Gläubigen segnet ihn auch
und begrüßt ihn mit einem Gruße!" Dieser Aufforderung wird von einem oder
einigen Sängern, die auf der vorhin erwähnten Erhöhung stehen, durch einen
Lobgesang aus „den trefflichsten der Araber, dem die Spinne freundlich war, den
die Wüsteneidechse grüßte und vor dem der Mond sich in zwei Hälften theilte,
unser» Herrn Mohammed und seine Familie" entsprochen. Alsdann wird von
dem Diener mit dem Holzschwerte der Adam noch einmal gesungen, und wäh¬
rend dessen erscheint der Chatib oder Prediger am Fuße der Kanzeltreppe,
nimmt das Schwert, steigt zur Kanzel, die an diesem Tage mit Fahnen ge¬
schmückt ist, hinauf und setzt sich, um, nachdem der Adam beendigt ist, eine
Art Predigt vorzutragen, die mit Lobpreisungen Gottes beginnt, dann zu Er¬
mahnungen übergeht und zuletzt eine Aufforderung zum Beten enthält. Die
Gemeinde kommt dieser Aufforderung leise nach, indem alle die Hände vor sich
halten und dann mit denselben über das Gesicht streichen. Hierauf singen
die Sänger auf der Erhöhung: „Amen, Amen, o Herr aller Geschöpfe!"
Dann folgt eine zweite Predigt von ähnlichem Inhalt, an vie sich Gebete
für Mohammed und seine Frauen und Freunde, für die Verstorbenen, für den
Sultan, für die Heere des Islam, für Gefangene, Schuldner und Reisende
schließen. Der Vortrag endigt mit den Worten: „Gedenket Gottes und er
wird eurer gedenken. Danket ihm, und er wird euren Segen mehren. Preis
sei Gott, dem Herrn aller Erschaffenen!"

Während der Chatib nun die Kanzeltreppe herabsteigt, singen die Mu-
balligs (so heißen die Sänger) noch einmal das Glaubensbekenntniß des Is¬
lam. Dann spricht der Chatib zwei RekahS, welche von der ganzen Ver¬
sammlung leise nachgebetet werden und hierauf zerstreut sich die Gemeinde.

Frauen sieht man bei den Freitagsgottesdiensten niemals. Mohammed
zwar hat ihnen den Zutritt zu denselben nicht verboten, und früher soll er
ihnen allenthalben gestattet gewesen sein, wenn auch unter der Bedingung,
ihren Platz getrennt von den Männern und hinter denselben zu nehmen, eine
Angabe, die sich dadurch zu bestätigen scheint, daß sich in einigen Moscheen,
z. B. in der Dschami der Sejdi Senab, mit Gitterwerk von dem der Gebets¬
nische zunächst gelegenen größern Theile deS Schiffs abgeschiedene Räume fin¬
den. Die Erlaubniß mag indeß zu Ungebührlichkeiten der Art Veranlassung
gegeben haben, wie sie in der Markuskirche Venedigs an der Tagesordnung
sind. Wenigstens erklärte Hassan uns den Umstand, daß jetzt zu Kairo weder
Frauen noch bartlose Knaben beim Freitagsgottesdienste geduldet werden, damit,
daß die Gegenwart solcher Personen eine andere Art von Andacht errege,
als die, welche sich beim Gebete gezieme.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/512>, abgerufen am 01.09.2024.