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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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ruft Michu ihnen zu: "Ihr -- Verwegene und Tollkühne! Der Euch hergeschickt,
hat Eure Köpfe unter das Messer geliefert!" Und eh er noch geendet, stürzt
er in den Kampf, wendet sich rechts und links und macht sie alle nieder!
Und wieder zieht er vorwärts durch den grünen Wald. Wo der Braune den
Boden mit den Hufen berührt, sprühen Funken aus den Steinen-- die Nacht
wird hell wie der Tag. - Zu dem Aufenthalt des Janusch nimmt er seinen
Weg! Als Janusch ihn erblickt, ruft er: "Ihr, Verwegene und Tollkühne --
feuert die Büchsen ab und streckt die Spieße vor!" "Lasset die Büchsen, lasset
die Spieße, Leute, denn ich bin Michu! -- Ein schönes Lied will ich Euch
singen, daS Lied eines Kühnen, und blasen auf dem Horn von Knochen daß
es lieblich tönt!"

Horch! Da beginnt Michu seinen Gesang mit Feuer und geht dann leicht
in ein Lied der Sehnsucht über, so schön, daß die Berge wiederhallen, die
Falken sich versammeln, die Tannen sich schütteln, die Blätter flüstern, die
Sterne blinzeln und auf ihrer Bahn stehen bleiben. Die Ungarn hören
staunend zu -- Janusch aber gibt plötzlich seiner Stimme einen sanften Aus¬
druck, wie nie zuvor, spricht mit Michu und ladet ihn zur Tafel ein. --
"Komm, Michu! komm, kühner Mann! laß uns tafeln und lustig sein --
später wollen wir beide dann im Kampfe uns versuchen." Alle setzen sich zu
Tisch, tafeln vergnügt, schlagen die Waffen lärmend aneinander, und schreien
vor Lust. -- Als sie aber genug getafelt, des Weines genug gekostet, treten
Janusch der Ungar und Michu der Moldauer bei Seite und beginnen den
Kampf. Die Ungarn alle, des Janusch Enkel, stehen und schauen zu, wie sie
sich drehen und wenden, wie sie ringen, wie sie sich zu Boden werfen, wie
Zwei Tapfere, wie zwei wahre Drachensöhne. Siehe, Siehe! Da steht Michu
Plötzlich wie angewurzelt, reißt den Gegner an sich, hebt ihn in die Höh,
schleudert ihn zu Boden, stellt ihn auf die Knie, und haut ihm den Kopf ab!
Die Ungarn aber alle, deS Janusch Enkel, stehen wie versteinert, vom Schreck
überwältigt. Michu findet zuerst die Sprache wieder, und sagt so zu ihnen:
,,Jhr, Verwegene und Tollkühne! Welcher im Stande ist, meine Streitkeule
M heben, so schwer sie ist, meine Büchse, so schwer sie. ist, meine Waffen, so
schwer sie sind -- der werde mein Gefährte, der ziehe mit mir auf Abenteuer
aus, und raube mit mir im Dickicht der Wälder!" Die Ungarn drängen sich
herzu, bücken sich und versuchen es vergebens! Nicht Einer kann sich die auf
dem Boden liegenden Waffen auf die Schulter heben! -- "Kinder seid Ihr
und Strauchdiebe! Verlaßt den Wald und spannt Eure Ochsen ins Joch,
denn Ihr seid nicht, seid nicht wie wir -- für männliche Thaten geschaffen,
seid nur dazu gut, die Hacke und den Spaten zu führen!" Und nachdem er
so gesprochen, hebt der tapfere Michu seine Waffen mit dem kleinen Finger
auf und schlägt den Fußsteig ein. -- Hinter ihm her aber sauft es im Walde,


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ruft Michu ihnen zu: „Ihr — Verwegene und Tollkühne! Der Euch hergeschickt,
hat Eure Köpfe unter das Messer geliefert!" Und eh er noch geendet, stürzt
er in den Kampf, wendet sich rechts und links und macht sie alle nieder!
Und wieder zieht er vorwärts durch den grünen Wald. Wo der Braune den
Boden mit den Hufen berührt, sprühen Funken aus den Steinen— die Nacht
wird hell wie der Tag. - Zu dem Aufenthalt des Janusch nimmt er seinen
Weg! Als Janusch ihn erblickt, ruft er: „Ihr, Verwegene und Tollkühne —
feuert die Büchsen ab und streckt die Spieße vor!" „Lasset die Büchsen, lasset
die Spieße, Leute, denn ich bin Michu! — Ein schönes Lied will ich Euch
singen, daS Lied eines Kühnen, und blasen auf dem Horn von Knochen daß
es lieblich tönt!"

Horch! Da beginnt Michu seinen Gesang mit Feuer und geht dann leicht
in ein Lied der Sehnsucht über, so schön, daß die Berge wiederhallen, die
Falken sich versammeln, die Tannen sich schütteln, die Blätter flüstern, die
Sterne blinzeln und auf ihrer Bahn stehen bleiben. Die Ungarn hören
staunend zu — Janusch aber gibt plötzlich seiner Stimme einen sanften Aus¬
druck, wie nie zuvor, spricht mit Michu und ladet ihn zur Tafel ein. —
„Komm, Michu! komm, kühner Mann! laß uns tafeln und lustig sein —
später wollen wir beide dann im Kampfe uns versuchen." Alle setzen sich zu
Tisch, tafeln vergnügt, schlagen die Waffen lärmend aneinander, und schreien
vor Lust. — Als sie aber genug getafelt, des Weines genug gekostet, treten
Janusch der Ungar und Michu der Moldauer bei Seite und beginnen den
Kampf. Die Ungarn alle, des Janusch Enkel, stehen und schauen zu, wie sie
sich drehen und wenden, wie sie ringen, wie sie sich zu Boden werfen, wie
Zwei Tapfere, wie zwei wahre Drachensöhne. Siehe, Siehe! Da steht Michu
Plötzlich wie angewurzelt, reißt den Gegner an sich, hebt ihn in die Höh,
schleudert ihn zu Boden, stellt ihn auf die Knie, und haut ihm den Kopf ab!
Die Ungarn aber alle, deS Janusch Enkel, stehen wie versteinert, vom Schreck
überwältigt. Michu findet zuerst die Sprache wieder, und sagt so zu ihnen:
,,Jhr, Verwegene und Tollkühne! Welcher im Stande ist, meine Streitkeule
M heben, so schwer sie ist, meine Büchse, so schwer sie. ist, meine Waffen, so
schwer sie sind — der werde mein Gefährte, der ziehe mit mir auf Abenteuer
aus, und raube mit mir im Dickicht der Wälder!" Die Ungarn drängen sich
herzu, bücken sich und versuchen es vergebens! Nicht Einer kann sich die auf
dem Boden liegenden Waffen auf die Schulter heben! — „Kinder seid Ihr
und Strauchdiebe! Verlaßt den Wald und spannt Eure Ochsen ins Joch,
denn Ihr seid nicht, seid nicht wie wir — für männliche Thaten geschaffen,
seid nur dazu gut, die Hacke und den Spaten zu führen!" Und nachdem er
so gesprochen, hebt der tapfere Michu seine Waffen mit dem kleinen Finger
auf und schlägt den Fußsteig ein. — Hinter ihm her aber sauft es im Walde,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/483>, abgerufen am 28.07.2024.