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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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schmuck an deiner Brust oder drückt dich der Sattel, daß du so schwer trägst
an meinem Körper?"

"Der Metallschmuck verwundet mich nicht, der Sattel drückt mich nicht,
aber waS mich ängstigt und drückt, ist: daß sich hier Wegelagerer aufhalten,
fünf und vierzig an der Zahl, fünfzig weniger fünf -- kühne Abenteurer, noch
.als Kinder ihren Eltern entlaufen! Jetzt schmausen und zechen sie in einem
diesen Thale, am Fuße eines Felsens, wo Ahornbäume dicht zusammenstehen
und niedrige Haselnußsträuche . . . Ihr steinerner Tisch ist in vier Stücke ge¬
spalten und mit Eisendraht gebunden, Worte sind darauf eingegraben, Worte
aus gedruckten Büchern, mit Gold ausgelegt . . . Und an dem Tische sitzt,
bereit Dich auszuplündern, Janusch der Ungar, ein alter Räuber mit un¬
gekannten, in Missethaten grau gewordenen Bart, bis an den Gürtel reichend
und um den Gürtel gewunden. Wehe Dir -- er hat einen blinkenden Säbel,
eine gezogene Büchse und ein Herz von Stahl. Und dann hat er noch, oben
aus dem Felsen, kühne Abenteurer, schon als Kinder ihren Eltern entlause"
-- lauter Bursche mit dicken Adern und dicken Köpfen, Bursche, denen er
keinen Gehalt zahlt! . . . Hohe Mützen haben sie auf, und breite Flechten
hängen ihnen über den Rücken! . . . Sie werden Dich hören, werden Dir in
den Weg treten, werden Dich angreifen und wehe Dir! wehe mir!"

"Nur immer zu längs dem AbHange, Brauner, lasse die Höhe und bleibe
auf dem Wege, denn Michu ist tapfer, mit ihm brauchst Du nichts zu fürch¬
ten: verlasse Dich, Brauner, auf diese Arme, stark und sehnig -- aus d.lese
Brust, breit und wohlverwahrt, auf diese Klinge, die Stahl schneidet!"

Schnell wie der Gedanke verläßt der Braune die Höhe und folgt dem
Wege. Er gehet fort ohne Unterlaß und Michu wiederholt: "Nur immer zu
längs dem AbHange, Brauner; wir kommen zu einer fetten Weide, mit schat¬
tigem Gebüsch, wo hohes Gras steht mit blühenden Blumen!"

Sieh! Da hält Janusch plötzlich ein im Walde mit Trinken und lärmen¬
der Lustigkeit; er ist versteinert und blickt starr vor sich hin, denn er hört von
Zeit zu Zeit, süß dem Ohr, einen schönen Gesang, den Gesang eines kühnen
Mannes, dem Walde eine Liebkosung, und die lieblichen Töne eines Hornes.
-- Und siehe! Janusch springt plötzlich auf und ruft mit lauter Stimme: ,,J^
-- Verwegene und Tollkühne! Erhebt Euch und horcht -- ergreift Eure Waffen,
denn ich höre die Stimme eines Hornes, die durch die Blätter tönt und den
Wald liebkost. Fort also in Eile und umstellt den Weg -- an der Brücke,
im Hohlwege, in dem Pappelthale, an dem engen Fußsteg, der durch Schluch¬
ten führt, an dem wasserarmen Brunnen. Ist es ein Held, so verderbt ihn
mir nicht, ists aber ein von den Weibern verweichlichtes Wesen, so gebt ihm
einen Backenstreich und laßt ihn seines Weges ziehen."

Die Ungarn brechen auf und umstellen den Weg ! Doch als er sie erblickt,


schmuck an deiner Brust oder drückt dich der Sattel, daß du so schwer trägst
an meinem Körper?"

„Der Metallschmuck verwundet mich nicht, der Sattel drückt mich nicht,
aber waS mich ängstigt und drückt, ist: daß sich hier Wegelagerer aufhalten,
fünf und vierzig an der Zahl, fünfzig weniger fünf — kühne Abenteurer, noch
.als Kinder ihren Eltern entlaufen! Jetzt schmausen und zechen sie in einem
diesen Thale, am Fuße eines Felsens, wo Ahornbäume dicht zusammenstehen
und niedrige Haselnußsträuche . . . Ihr steinerner Tisch ist in vier Stücke ge¬
spalten und mit Eisendraht gebunden, Worte sind darauf eingegraben, Worte
aus gedruckten Büchern, mit Gold ausgelegt . . . Und an dem Tische sitzt,
bereit Dich auszuplündern, Janusch der Ungar, ein alter Räuber mit un¬
gekannten, in Missethaten grau gewordenen Bart, bis an den Gürtel reichend
und um den Gürtel gewunden. Wehe Dir — er hat einen blinkenden Säbel,
eine gezogene Büchse und ein Herz von Stahl. Und dann hat er noch, oben
aus dem Felsen, kühne Abenteurer, schon als Kinder ihren Eltern entlause»
— lauter Bursche mit dicken Adern und dicken Köpfen, Bursche, denen er
keinen Gehalt zahlt! . . . Hohe Mützen haben sie auf, und breite Flechten
hängen ihnen über den Rücken! . . . Sie werden Dich hören, werden Dir in
den Weg treten, werden Dich angreifen und wehe Dir! wehe mir!"

„Nur immer zu längs dem AbHange, Brauner, lasse die Höhe und bleibe
auf dem Wege, denn Michu ist tapfer, mit ihm brauchst Du nichts zu fürch¬
ten: verlasse Dich, Brauner, auf diese Arme, stark und sehnig — aus d.lese
Brust, breit und wohlverwahrt, auf diese Klinge, die Stahl schneidet!"

Schnell wie der Gedanke verläßt der Braune die Höhe und folgt dem
Wege. Er gehet fort ohne Unterlaß und Michu wiederholt: „Nur immer zu
längs dem AbHange, Brauner; wir kommen zu einer fetten Weide, mit schat¬
tigem Gebüsch, wo hohes Gras steht mit blühenden Blumen!"

Sieh! Da hält Janusch plötzlich ein im Walde mit Trinken und lärmen¬
der Lustigkeit; er ist versteinert und blickt starr vor sich hin, denn er hört von
Zeit zu Zeit, süß dem Ohr, einen schönen Gesang, den Gesang eines kühnen
Mannes, dem Walde eine Liebkosung, und die lieblichen Töne eines Hornes.
— Und siehe! Janusch springt plötzlich auf und ruft mit lauter Stimme: ,,J^
— Verwegene und Tollkühne! Erhebt Euch und horcht — ergreift Eure Waffen,
denn ich höre die Stimme eines Hornes, die durch die Blätter tönt und den
Wald liebkost. Fort also in Eile und umstellt den Weg — an der Brücke,
im Hohlwege, in dem Pappelthale, an dem engen Fußsteg, der durch Schluch¬
ten führt, an dem wasserarmen Brunnen. Ist es ein Held, so verderbt ihn
mir nicht, ists aber ein von den Weibern verweichlichtes Wesen, so gebt ihm
einen Backenstreich und laßt ihn seines Weges ziehen."

Die Ungarn brechen auf und umstellen den Weg ! Doch als er sie erblickt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/482>, abgerufen am 28.07.2024.