Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

lich vorenthalten hat. Für jeden Deutschen und namentlich für jeden Preu¬
ßen sind die Jahre von 1807 bis 1813 die Periode der glorwürdigsten und
der lehrreichsten Ereignisse, bei denen sich der Gebildete nicht mit einer
kurzen historischen Darstellung begnügen darf, denen er vielmehr ein quellenmäßiges
Studium widmen muß. Es sollte sich jeder eine Bibliothek anlegen, die es ihm
möglich macht, die Helden und Thaten jeuer Periode sich im Detail zu vergegen¬
wärtigen. In einer solchen Bibliothek behauptet aber das Leben Steins die erste
Stelle, nicht blos weil es uns das Verständniß eines Charakters erschließt, der
über alle seine Zeitgenossen hoch emporragt, sondern auch weil es für die tieferen
Motive jener Begebenheiten die wichtigste Quelle ist. Durch die darin enthaltenen
Dokumente wird uns die Geschichte jener Zeit zur lebendigen Gegenwart. Wir
empfinden noch einmal den ganzen Haß und die ganze Begeisterung jener Tage,
und es thut Noth, aus der Vergangenheit alle Wärme zu sammeln, von der wir
noch einmal ein neues Leben hoffen können.

Geschichte des neuern Italiens. Von der ersten französischen Revolution
bis zum Jahre 1830. Aus dem Englischen des Richard Heber Wrightsvn von
I. Seybt. Leipzig, Lorck. 1836. -- Die Uebersetzung des Buchs ist um so zeit¬
gemäßer, da sich die italienischen Verwirrungen neben den schlcswtg-holsteinschen in
diesem Augenblick wieder in den Vordergrund dräugen. Zwar theilen wir mit der
östreichischen Zeitung die Ansicht, daß für jetzt der Conflict nur zu einer bedeu¬
tenden Konsumtion von Stahlfedern führen wird, denn in diesem Augenblick wird sich
jeder Staat hüten, es zu einem ernsten Conflict kommen zu lassen, der das berühmte
europäische Gleichgewicht in Frage stellt. Der Verfasser des vorliegenden Werks
hat nicht die Absicht einer eigenthümlichen Forschung, er begnügt sich damit, die
Zeitungsberichte kritisch gesichtet in einer möglichst übersichtlichen Anordnung zu¬
sammenzustellen. Seine Gesinnung ist die des gemäßigten Liberalismus, des all-
mäligen Fortschrittes auf der Grundlage der constitutionellen Monarchie, und wenn
er sich auch auf der Grundlage dieser Ueberzeugung zuweilen heftiger gegen die
linke Seite ausspricht, als gegen die rechte, über die ein rücksichtsloses Wort wohl¬
angebracht wäre, so wird man doch im Durchschnitt seinen Ansichten beipflichten.
Einzelne Ereignisse, wo der Verfasser im Zusammenhang bleibt, namentlich die
Entwicklung des Papstthums seit Pius IX., siud gut erzählt; was aber die Kunst¬
form betrifft, so hat sich der Verfasser die Aufgabe doch ein wenig zu leicht gemacht.
Es ist mitunter in Bezug aus die Zeitbestimmungen ein Durcheinander, daß mau
uicht recht weiß, wo man den Anfang und wo das Ende zu suchen hat.
"'"'''"


iA>i,,
S°IU"


.,-^,',.i>,,.
Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Als verantwort!. Redacteur legitimirt! F. W. Grunow. -- Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig.
Druck von C. E> Wert in Leipzig.

lich vorenthalten hat. Für jeden Deutschen und namentlich für jeden Preu¬
ßen sind die Jahre von 1807 bis 1813 die Periode der glorwürdigsten und
der lehrreichsten Ereignisse, bei denen sich der Gebildete nicht mit einer
kurzen historischen Darstellung begnügen darf, denen er vielmehr ein quellenmäßiges
Studium widmen muß. Es sollte sich jeder eine Bibliothek anlegen, die es ihm
möglich macht, die Helden und Thaten jeuer Periode sich im Detail zu vergegen¬
wärtigen. In einer solchen Bibliothek behauptet aber das Leben Steins die erste
Stelle, nicht blos weil es uns das Verständniß eines Charakters erschließt, der
über alle seine Zeitgenossen hoch emporragt, sondern auch weil es für die tieferen
Motive jener Begebenheiten die wichtigste Quelle ist. Durch die darin enthaltenen
Dokumente wird uns die Geschichte jener Zeit zur lebendigen Gegenwart. Wir
empfinden noch einmal den ganzen Haß und die ganze Begeisterung jener Tage,
und es thut Noth, aus der Vergangenheit alle Wärme zu sammeln, von der wir
noch einmal ein neues Leben hoffen können.

Geschichte des neuern Italiens. Von der ersten französischen Revolution
bis zum Jahre 1830. Aus dem Englischen des Richard Heber Wrightsvn von
I. Seybt. Leipzig, Lorck. 1836. — Die Uebersetzung des Buchs ist um so zeit¬
gemäßer, da sich die italienischen Verwirrungen neben den schlcswtg-holsteinschen in
diesem Augenblick wieder in den Vordergrund dräugen. Zwar theilen wir mit der
östreichischen Zeitung die Ansicht, daß für jetzt der Conflict nur zu einer bedeu¬
tenden Konsumtion von Stahlfedern führen wird, denn in diesem Augenblick wird sich
jeder Staat hüten, es zu einem ernsten Conflict kommen zu lassen, der das berühmte
europäische Gleichgewicht in Frage stellt. Der Verfasser des vorliegenden Werks
hat nicht die Absicht einer eigenthümlichen Forschung, er begnügt sich damit, die
Zeitungsberichte kritisch gesichtet in einer möglichst übersichtlichen Anordnung zu¬
sammenzustellen. Seine Gesinnung ist die des gemäßigten Liberalismus, des all-
mäligen Fortschrittes auf der Grundlage der constitutionellen Monarchie, und wenn
er sich auch auf der Grundlage dieser Ueberzeugung zuweilen heftiger gegen die
linke Seite ausspricht, als gegen die rechte, über die ein rücksichtsloses Wort wohl¬
angebracht wäre, so wird man doch im Durchschnitt seinen Ansichten beipflichten.
Einzelne Ereignisse, wo der Verfasser im Zusammenhang bleibt, namentlich die
Entwicklung des Papstthums seit Pius IX., siud gut erzählt; was aber die Kunst¬
form betrifft, so hat sich der Verfasser die Aufgabe doch ein wenig zu leicht gemacht.
Es ist mitunter in Bezug aus die Zeitbestimmungen ein Durcheinander, daß mau
uicht recht weiß, wo man den Anfang und wo das Ende zu suchen hat.
"'"'''"


iA>i,,
S°IU»


.,-^,',.i>,,.
Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Als verantwort!. Redacteur legitimirt! F. W. Grunow. — Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig.
Druck von C. E> Wert in Leipzig.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0048" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103715"/>
            <p xml:id="ID_111" prev="#ID_110"> lich vorenthalten hat. Für jeden Deutschen und namentlich für jeden Preu¬<lb/>
ßen sind die Jahre von 1807 bis 1813 die Periode der glorwürdigsten und<lb/>
der lehrreichsten Ereignisse, bei denen sich der Gebildete nicht mit einer<lb/>
kurzen historischen Darstellung begnügen darf, denen er vielmehr ein quellenmäßiges<lb/>
Studium widmen muß. Es sollte sich jeder eine Bibliothek anlegen, die es ihm<lb/>
möglich macht, die Helden und Thaten jeuer Periode sich im Detail zu vergegen¬<lb/>
wärtigen. In einer solchen Bibliothek behauptet aber das Leben Steins die erste<lb/>
Stelle, nicht blos weil es uns das Verständniß eines Charakters erschließt, der<lb/>
über alle seine Zeitgenossen hoch emporragt, sondern auch weil es für die tieferen<lb/>
Motive jener Begebenheiten die wichtigste Quelle ist. Durch die darin enthaltenen<lb/>
Dokumente wird uns die Geschichte jener Zeit zur lebendigen Gegenwart. Wir<lb/>
empfinden noch einmal den ganzen Haß und die ganze Begeisterung jener Tage,<lb/>
und es thut Noth, aus der Vergangenheit alle Wärme zu sammeln, von der wir<lb/>
noch einmal ein neues Leben hoffen können.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_112"> Geschichte des neuern Italiens. Von der ersten französischen Revolution<lb/>
bis zum Jahre 1830. Aus dem Englischen des Richard Heber Wrightsvn von<lb/>
I. Seybt. Leipzig, Lorck. 1836. &#x2014; Die Uebersetzung des Buchs ist um so zeit¬<lb/>
gemäßer, da sich die italienischen Verwirrungen neben den schlcswtg-holsteinschen in<lb/>
diesem Augenblick wieder in den Vordergrund dräugen. Zwar theilen wir mit der<lb/>
östreichischen Zeitung die Ansicht, daß für jetzt der Conflict nur zu einer bedeu¬<lb/>
tenden Konsumtion von Stahlfedern führen wird, denn in diesem Augenblick wird sich<lb/>
jeder Staat hüten, es zu einem ernsten Conflict kommen zu lassen, der das berühmte<lb/>
europäische Gleichgewicht in Frage stellt. Der Verfasser des vorliegenden Werks<lb/>
hat nicht die Absicht einer eigenthümlichen Forschung, er begnügt sich damit, die<lb/>
Zeitungsberichte kritisch gesichtet in einer möglichst übersichtlichen Anordnung zu¬<lb/>
sammenzustellen. Seine Gesinnung ist die des gemäßigten Liberalismus, des all-<lb/>
mäligen Fortschrittes auf der Grundlage der constitutionellen Monarchie, und wenn<lb/>
er sich auch auf der Grundlage dieser Ueberzeugung zuweilen heftiger gegen die<lb/>
linke Seite ausspricht, als gegen die rechte, über die ein rücksichtsloses Wort wohl¬<lb/>
angebracht wäre, so wird man doch im Durchschnitt seinen Ansichten beipflichten.<lb/>
Einzelne Ereignisse, wo der Verfasser im Zusammenhang bleibt, namentlich die<lb/>
Entwicklung des Papstthums seit Pius IX., siud gut erzählt; was aber die Kunst¬<lb/>
form betrifft, so hat sich der Verfasser die Aufgabe doch ein wenig zu leicht gemacht.<lb/>
Es ist mitunter in Bezug aus die Zeitbestimmungen ein Durcheinander, daß mau<lb/>
uicht recht weiß, wo man den Anfang und wo das Ende zu suchen hat.<lb/>
"'"'''"</p><lb/>
            <note type="byline"> iA&gt;i,,<lb/>
S°IU»</note><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <note type="byline"> .,-^,',.i&gt;,,.<lb/>
Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt.<lb/>
Als verantwort!. Redacteur legitimirt! F. W. Grunow. &#x2014; Verlag von F. L. Herbig<lb/>
in Leipzig.<lb/>
Druck von C. E&gt; Wert in Leipzig.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0048] lich vorenthalten hat. Für jeden Deutschen und namentlich für jeden Preu¬ ßen sind die Jahre von 1807 bis 1813 die Periode der glorwürdigsten und der lehrreichsten Ereignisse, bei denen sich der Gebildete nicht mit einer kurzen historischen Darstellung begnügen darf, denen er vielmehr ein quellenmäßiges Studium widmen muß. Es sollte sich jeder eine Bibliothek anlegen, die es ihm möglich macht, die Helden und Thaten jeuer Periode sich im Detail zu vergegen¬ wärtigen. In einer solchen Bibliothek behauptet aber das Leben Steins die erste Stelle, nicht blos weil es uns das Verständniß eines Charakters erschließt, der über alle seine Zeitgenossen hoch emporragt, sondern auch weil es für die tieferen Motive jener Begebenheiten die wichtigste Quelle ist. Durch die darin enthaltenen Dokumente wird uns die Geschichte jener Zeit zur lebendigen Gegenwart. Wir empfinden noch einmal den ganzen Haß und die ganze Begeisterung jener Tage, und es thut Noth, aus der Vergangenheit alle Wärme zu sammeln, von der wir noch einmal ein neues Leben hoffen können. Geschichte des neuern Italiens. Von der ersten französischen Revolution bis zum Jahre 1830. Aus dem Englischen des Richard Heber Wrightsvn von I. Seybt. Leipzig, Lorck. 1836. — Die Uebersetzung des Buchs ist um so zeit¬ gemäßer, da sich die italienischen Verwirrungen neben den schlcswtg-holsteinschen in diesem Augenblick wieder in den Vordergrund dräugen. Zwar theilen wir mit der östreichischen Zeitung die Ansicht, daß für jetzt der Conflict nur zu einer bedeu¬ tenden Konsumtion von Stahlfedern führen wird, denn in diesem Augenblick wird sich jeder Staat hüten, es zu einem ernsten Conflict kommen zu lassen, der das berühmte europäische Gleichgewicht in Frage stellt. Der Verfasser des vorliegenden Werks hat nicht die Absicht einer eigenthümlichen Forschung, er begnügt sich damit, die Zeitungsberichte kritisch gesichtet in einer möglichst übersichtlichen Anordnung zu¬ sammenzustellen. Seine Gesinnung ist die des gemäßigten Liberalismus, des all- mäligen Fortschrittes auf der Grundlage der constitutionellen Monarchie, und wenn er sich auch auf der Grundlage dieser Ueberzeugung zuweilen heftiger gegen die linke Seite ausspricht, als gegen die rechte, über die ein rücksichtsloses Wort wohl¬ angebracht wäre, so wird man doch im Durchschnitt seinen Ansichten beipflichten. Einzelne Ereignisse, wo der Verfasser im Zusammenhang bleibt, namentlich die Entwicklung des Papstthums seit Pius IX., siud gut erzählt; was aber die Kunst¬ form betrifft, so hat sich der Verfasser die Aufgabe doch ein wenig zu leicht gemacht. Es ist mitunter in Bezug aus die Zeitbestimmungen ein Durcheinander, daß mau uicht recht weiß, wo man den Anfang und wo das Ende zu suchen hat. "'"'''" iA>i,, S°IU» .,-^,',.i>,,. Herausgegeben von Gustav Freytag und Julian Schmidt. Als verantwort!. Redacteur legitimirt! F. W. Grunow. — Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. Druck von C. E> Wert in Leipzig.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/48
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/48>, abgerufen am 28.07.2024.