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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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hohe. Eingeschlossen müssen die Gärten sein, da das Viel) das ganze Jahr
hindurch innerhalb der Grenzen des Dorfes frei herumgeht und ohne Zaun
nichts unverwüstet bleiben würde.

Man darf sich den rumänischen Bauer nicht als ein ganz rohes Geschöpf
Gottes vorstellen. Von Bildung ist freilich noch keine Spur zu entdecken,
aber die Bildungsfähigkeit, die in ihm liegt, ist unverkennbar, und in Hinsicht
der Intelligenz übertrifft er vielleicht seine Standesgenossen in manchen andern
civilistrteren Ländern. Die Erzählungen, die er beim Glase Wein zum Besten
gibt, sind höchst ergötzlich, und die Lieder und Balladen der Dorfsänger zeich¬
nen sich durch poetische Bilder, ja nicht selten durch zarte Ideen aus, wenn
auch, wie es nicht anders sei), kann, rohe männliche Kraft die Hauptrolle
in den Gesängen spielt. -- -- --

Die Redaction erlaubt sich hier, den Verfasser (der, beiläufig, in der Moldau
lebt) zu unterbrechen, um auf Grund einer soeben erschienenen Sammlung
rumänischer Volkspoesien*) mit einiger Ausführlichkeit auf das hier zulept Er¬
wähnte einzugehen. Das betreffende kleine Buch enthält zunächst eine Anzahl
Balladen und Lieder, die unmittelbar aus dem Munde des Volkes stammen
und denen der Uebersetzer Anmerkungen hinzugefügt hat, welche in dankens-
werther Weise das Verständniß dunkler Stellen erleichtern. Dann folgen als
Anhang einige neuere Poesien von Kunstdichtern, dazu bestimmt, um dem
Leser die vorwiegend patriotische Tendenz anzudeuten, in der sich die rumänische
Literatur in unsern Tagen fortzubewegen versucht.

Die Volkspoesien rühren, wie unsere deutschen, von unbekannten Ver-
fassern her, wurden Zigeunern, Bottelmusikanten und andern Herumstreichen,
abgelauscht und sind durchgehends sehr alt. Die Art, wie der Uebersetzer die
Mehrzahl der Originale behandelte, ist im Hinblick auf den Zweck, den er
verfolgte, vollkommen zu billigen. Während sich in dem rumänischen Terte
die Reime oft vier bis fünfmal wiederholen, brachte er den Reim nur da an,
wo durch ihn kein Wort verloren ging und kein Bild verändert werden mußte.
Eine Ballade theilt er sogar in Prosa mit, um zu zeigen, wie wenig die me¬
trischen Uebersetzungen, bei denen derselbe mit der Form des Urterts freier um¬
ging, der Ausschmückung bedurften. Letztere bekunden hinreichende Kenntniß
der deutschen Sprache, Verständniß des Volkstümlichen und Sinn für Wohl-
^"g. Nur selten entschlüpft dem Uebersetzer eine Wendung, die nicht in den
naiven Ton des Uebrigen paßt, noch seltner eine falsche Wortbildung.

Wir halten uns hier vorzüglich an die Lieder und Balladen, wo der
Uebersetzer vollkommen davon abgesehen hat, von dem Eignen hinzuzuthun.



Rumänische Volkspoesie. -- Gesammelt und geordnet von Basil Alexandri-
putsch von W. v. Kotzebue. Berlin 18L7. Verlag der König!. Geh- Obcrhofbuchdruckerei
(R, Decker).

hohe. Eingeschlossen müssen die Gärten sein, da das Viel) das ganze Jahr
hindurch innerhalb der Grenzen des Dorfes frei herumgeht und ohne Zaun
nichts unverwüstet bleiben würde.

Man darf sich den rumänischen Bauer nicht als ein ganz rohes Geschöpf
Gottes vorstellen. Von Bildung ist freilich noch keine Spur zu entdecken,
aber die Bildungsfähigkeit, die in ihm liegt, ist unverkennbar, und in Hinsicht
der Intelligenz übertrifft er vielleicht seine Standesgenossen in manchen andern
civilistrteren Ländern. Die Erzählungen, die er beim Glase Wein zum Besten
gibt, sind höchst ergötzlich, und die Lieder und Balladen der Dorfsänger zeich¬
nen sich durch poetische Bilder, ja nicht selten durch zarte Ideen aus, wenn
auch, wie es nicht anders sei), kann, rohe männliche Kraft die Hauptrolle
in den Gesängen spielt. — — —

Die Redaction erlaubt sich hier, den Verfasser (der, beiläufig, in der Moldau
lebt) zu unterbrechen, um auf Grund einer soeben erschienenen Sammlung
rumänischer Volkspoesien*) mit einiger Ausführlichkeit auf das hier zulept Er¬
wähnte einzugehen. Das betreffende kleine Buch enthält zunächst eine Anzahl
Balladen und Lieder, die unmittelbar aus dem Munde des Volkes stammen
und denen der Uebersetzer Anmerkungen hinzugefügt hat, welche in dankens-
werther Weise das Verständniß dunkler Stellen erleichtern. Dann folgen als
Anhang einige neuere Poesien von Kunstdichtern, dazu bestimmt, um dem
Leser die vorwiegend patriotische Tendenz anzudeuten, in der sich die rumänische
Literatur in unsern Tagen fortzubewegen versucht.

Die Volkspoesien rühren, wie unsere deutschen, von unbekannten Ver-
fassern her, wurden Zigeunern, Bottelmusikanten und andern Herumstreichen,
abgelauscht und sind durchgehends sehr alt. Die Art, wie der Uebersetzer die
Mehrzahl der Originale behandelte, ist im Hinblick auf den Zweck, den er
verfolgte, vollkommen zu billigen. Während sich in dem rumänischen Terte
die Reime oft vier bis fünfmal wiederholen, brachte er den Reim nur da an,
wo durch ihn kein Wort verloren ging und kein Bild verändert werden mußte.
Eine Ballade theilt er sogar in Prosa mit, um zu zeigen, wie wenig die me¬
trischen Uebersetzungen, bei denen derselbe mit der Form des Urterts freier um¬
ging, der Ausschmückung bedurften. Letztere bekunden hinreichende Kenntniß
der deutschen Sprache, Verständniß des Volkstümlichen und Sinn für Wohl-
^»g. Nur selten entschlüpft dem Uebersetzer eine Wendung, die nicht in den
naiven Ton des Uebrigen paßt, noch seltner eine falsche Wortbildung.

Wir halten uns hier vorzüglich an die Lieder und Balladen, wo der
Uebersetzer vollkommen davon abgesehen hat, von dem Eignen hinzuzuthun.



Rumänische Volkspoesie. — Gesammelt und geordnet von Basil Alexandri-
putsch von W. v. Kotzebue. Berlin 18L7. Verlag der König!. Geh- Obcrhofbuchdruckerei
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[0479] hohe. Eingeschlossen müssen die Gärten sein, da das Viel) das ganze Jahr hindurch innerhalb der Grenzen des Dorfes frei herumgeht und ohne Zaun nichts unverwüstet bleiben würde. Man darf sich den rumänischen Bauer nicht als ein ganz rohes Geschöpf Gottes vorstellen. Von Bildung ist freilich noch keine Spur zu entdecken, aber die Bildungsfähigkeit, die in ihm liegt, ist unverkennbar, und in Hinsicht der Intelligenz übertrifft er vielleicht seine Standesgenossen in manchen andern civilistrteren Ländern. Die Erzählungen, die er beim Glase Wein zum Besten gibt, sind höchst ergötzlich, und die Lieder und Balladen der Dorfsänger zeich¬ nen sich durch poetische Bilder, ja nicht selten durch zarte Ideen aus, wenn auch, wie es nicht anders sei), kann, rohe männliche Kraft die Hauptrolle in den Gesängen spielt. — — — Die Redaction erlaubt sich hier, den Verfasser (der, beiläufig, in der Moldau lebt) zu unterbrechen, um auf Grund einer soeben erschienenen Sammlung rumänischer Volkspoesien*) mit einiger Ausführlichkeit auf das hier zulept Er¬ wähnte einzugehen. Das betreffende kleine Buch enthält zunächst eine Anzahl Balladen und Lieder, die unmittelbar aus dem Munde des Volkes stammen und denen der Uebersetzer Anmerkungen hinzugefügt hat, welche in dankens- werther Weise das Verständniß dunkler Stellen erleichtern. Dann folgen als Anhang einige neuere Poesien von Kunstdichtern, dazu bestimmt, um dem Leser die vorwiegend patriotische Tendenz anzudeuten, in der sich die rumänische Literatur in unsern Tagen fortzubewegen versucht. Die Volkspoesien rühren, wie unsere deutschen, von unbekannten Ver- fassern her, wurden Zigeunern, Bottelmusikanten und andern Herumstreichen, abgelauscht und sind durchgehends sehr alt. Die Art, wie der Uebersetzer die Mehrzahl der Originale behandelte, ist im Hinblick auf den Zweck, den er verfolgte, vollkommen zu billigen. Während sich in dem rumänischen Terte die Reime oft vier bis fünfmal wiederholen, brachte er den Reim nur da an, wo durch ihn kein Wort verloren ging und kein Bild verändert werden mußte. Eine Ballade theilt er sogar in Prosa mit, um zu zeigen, wie wenig die me¬ trischen Uebersetzungen, bei denen derselbe mit der Form des Urterts freier um¬ ging, der Ausschmückung bedurften. Letztere bekunden hinreichende Kenntniß der deutschen Sprache, Verständniß des Volkstümlichen und Sinn für Wohl- ^»g. Nur selten entschlüpft dem Uebersetzer eine Wendung, die nicht in den naiven Ton des Uebrigen paßt, noch seltner eine falsche Wortbildung. Wir halten uns hier vorzüglich an die Lieder und Balladen, wo der Uebersetzer vollkommen davon abgesehen hat, von dem Eignen hinzuzuthun. Rumänische Volkspoesie. — Gesammelt und geordnet von Basil Alexandri- putsch von W. v. Kotzebue. Berlin 18L7. Verlag der König!. Geh- Obcrhofbuchdruckerei (R, Decker).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/479>, abgerufen am 28.07.2024.