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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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Tage beginnen sollte; der Weizen war natürlich verloren, aber im nächsten
Jahr war er ohne Bearbeitung in wunderbarer Ueppigkeit wieder da, die rei¬
fen Körner waren auf den Boden gefallen und hatten gekeimt!

Die Moldau war, vor der neuerdings erfolgten Vergrößerung durch die
Rectification der Grenze gegen Bessarabien, in dreizehn Districte getheilt, ein
jeder mit seiner Hauptstadt und auch wol einigen Städtchen, ein Name, mit
dem man in den Fürstenthümern sehr freigebig ist. Zwei eine Straße bildende
Reihen von Buden mit weitvorstehendem Dach und einer rückwärts daran¬
stoßenden armseligen Wohnung für den Kaufmann, der fast durchgehends zu
dem Volke Israel gehört, werden ohne weiteres mit dem Namen Tirg, Stadt,
belegt, die Buden füllen sich mit den einfachen Bedürfnissen der Landbewohner,
ein paar elende Schenken gesellen sich dazu, die Negierung bestimmt einen
Tag in der Woche, wo Markt gehalten wird, die Bauern treiben dann ihr
Vieh zum Verkauf, und es regt sich bisweilen ein recht lebhafter Handel und
Wandel in dem kleinen Orte. Alle Städte der Moldau haben sich auf diese
Weise gebildet; die Budenreihen sind der Kern einer jeden; was von oft recht
geschmackvollen Bojarenhäusern oder sonstigen Gebäuden sich an den Kern ge¬
fügt hat, ist viel später entstanden, und den einen Markttag in der Woche,
wo man vor Vieh und Menschen in den Provinzstädten kaum durch die Straßen
kann, laßt sich keine nehmen.

Uebrigens haben die moldauischen Städte, Jassy und die Donauhasen¬
stadt Galatz ausgenommen, auch keine andere Bedeutung, als daß sie der Sitz
der Lvcaladministration sind. Die Industrie in denselben wird höchstens durch eine
Tuchfabrik und eine Papiermühle repräsentirt, das Hauptgeschäft des Landes ,
ist der Ackerbau. Die Landgüter, von denen etwa 300 einheimischen und grie¬
chischen Klöstern gehören, sind oft von sehr bedeutender Ausdehnung, und die
Ackerfelder dieser herrlichen Besitzungen liefern jene fabelhaften Massen von
Getreide, die noch lange die vorzüglichste Quelle des Reichthums der Donau¬
provinzen bilden werden.

Eine Chaussee durchzieht das Land fast in seiner ganzen Länge, vom
Kornolungi bis Galatz; an Zweigkunststraßen wird schon seit Jahren gearbeitet,
ohne daß man bis jetzt einen andern Vortheil davon hätte, als hin und wieder
auf ungeebneten Steinhaufen statt auf der Erde in ihrem Naturzustande zu
fahren. Alle übrigen Verbindungslinien haben sich nach Maßgabe der Noth¬
wendigkeit gebildet, ohne Zuthun der Kunst. Da, die Gebirgsgegenden aus¬
genommen, nicht ein Stein im Boden zu finden ist, so rollt man bei schönem
Vetter sast unhörbar dahin, bei dem geringsten Regen aber wird aus der
schwarzen, mit Lehm untermischten Gartenerde ein Koth, von dem man sich in
Deutschland kaum einen Begriff machen kann. Hält ein Regen mehre Tage
so kann es dem Reisenden widerfahren, keine Postpferde zu bekommen,


Tage beginnen sollte; der Weizen war natürlich verloren, aber im nächsten
Jahr war er ohne Bearbeitung in wunderbarer Ueppigkeit wieder da, die rei¬
fen Körner waren auf den Boden gefallen und hatten gekeimt!

Die Moldau war, vor der neuerdings erfolgten Vergrößerung durch die
Rectification der Grenze gegen Bessarabien, in dreizehn Districte getheilt, ein
jeder mit seiner Hauptstadt und auch wol einigen Städtchen, ein Name, mit
dem man in den Fürstenthümern sehr freigebig ist. Zwei eine Straße bildende
Reihen von Buden mit weitvorstehendem Dach und einer rückwärts daran¬
stoßenden armseligen Wohnung für den Kaufmann, der fast durchgehends zu
dem Volke Israel gehört, werden ohne weiteres mit dem Namen Tirg, Stadt,
belegt, die Buden füllen sich mit den einfachen Bedürfnissen der Landbewohner,
ein paar elende Schenken gesellen sich dazu, die Negierung bestimmt einen
Tag in der Woche, wo Markt gehalten wird, die Bauern treiben dann ihr
Vieh zum Verkauf, und es regt sich bisweilen ein recht lebhafter Handel und
Wandel in dem kleinen Orte. Alle Städte der Moldau haben sich auf diese
Weise gebildet; die Budenreihen sind der Kern einer jeden; was von oft recht
geschmackvollen Bojarenhäusern oder sonstigen Gebäuden sich an den Kern ge¬
fügt hat, ist viel später entstanden, und den einen Markttag in der Woche,
wo man vor Vieh und Menschen in den Provinzstädten kaum durch die Straßen
kann, laßt sich keine nehmen.

Uebrigens haben die moldauischen Städte, Jassy und die Donauhasen¬
stadt Galatz ausgenommen, auch keine andere Bedeutung, als daß sie der Sitz
der Lvcaladministration sind. Die Industrie in denselben wird höchstens durch eine
Tuchfabrik und eine Papiermühle repräsentirt, das Hauptgeschäft des Landes ,
ist der Ackerbau. Die Landgüter, von denen etwa 300 einheimischen und grie¬
chischen Klöstern gehören, sind oft von sehr bedeutender Ausdehnung, und die
Ackerfelder dieser herrlichen Besitzungen liefern jene fabelhaften Massen von
Getreide, die noch lange die vorzüglichste Quelle des Reichthums der Donau¬
provinzen bilden werden.

Eine Chaussee durchzieht das Land fast in seiner ganzen Länge, vom
Kornolungi bis Galatz; an Zweigkunststraßen wird schon seit Jahren gearbeitet,
ohne daß man bis jetzt einen andern Vortheil davon hätte, als hin und wieder
auf ungeebneten Steinhaufen statt auf der Erde in ihrem Naturzustande zu
fahren. Alle übrigen Verbindungslinien haben sich nach Maßgabe der Noth¬
wendigkeit gebildet, ohne Zuthun der Kunst. Da, die Gebirgsgegenden aus¬
genommen, nicht ein Stein im Boden zu finden ist, so rollt man bei schönem
Vetter sast unhörbar dahin, bei dem geringsten Regen aber wird aus der
schwarzen, mit Lehm untermischten Gartenerde ein Koth, von dem man sich in
Deutschland kaum einen Begriff machen kann. Hält ein Regen mehre Tage
so kann es dem Reisenden widerfahren, keine Postpferde zu bekommen,


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[0477] Tage beginnen sollte; der Weizen war natürlich verloren, aber im nächsten Jahr war er ohne Bearbeitung in wunderbarer Ueppigkeit wieder da, die rei¬ fen Körner waren auf den Boden gefallen und hatten gekeimt! Die Moldau war, vor der neuerdings erfolgten Vergrößerung durch die Rectification der Grenze gegen Bessarabien, in dreizehn Districte getheilt, ein jeder mit seiner Hauptstadt und auch wol einigen Städtchen, ein Name, mit dem man in den Fürstenthümern sehr freigebig ist. Zwei eine Straße bildende Reihen von Buden mit weitvorstehendem Dach und einer rückwärts daran¬ stoßenden armseligen Wohnung für den Kaufmann, der fast durchgehends zu dem Volke Israel gehört, werden ohne weiteres mit dem Namen Tirg, Stadt, belegt, die Buden füllen sich mit den einfachen Bedürfnissen der Landbewohner, ein paar elende Schenken gesellen sich dazu, die Negierung bestimmt einen Tag in der Woche, wo Markt gehalten wird, die Bauern treiben dann ihr Vieh zum Verkauf, und es regt sich bisweilen ein recht lebhafter Handel und Wandel in dem kleinen Orte. Alle Städte der Moldau haben sich auf diese Weise gebildet; die Budenreihen sind der Kern einer jeden; was von oft recht geschmackvollen Bojarenhäusern oder sonstigen Gebäuden sich an den Kern ge¬ fügt hat, ist viel später entstanden, und den einen Markttag in der Woche, wo man vor Vieh und Menschen in den Provinzstädten kaum durch die Straßen kann, laßt sich keine nehmen. Uebrigens haben die moldauischen Städte, Jassy und die Donauhasen¬ stadt Galatz ausgenommen, auch keine andere Bedeutung, als daß sie der Sitz der Lvcaladministration sind. Die Industrie in denselben wird höchstens durch eine Tuchfabrik und eine Papiermühle repräsentirt, das Hauptgeschäft des Landes , ist der Ackerbau. Die Landgüter, von denen etwa 300 einheimischen und grie¬ chischen Klöstern gehören, sind oft von sehr bedeutender Ausdehnung, und die Ackerfelder dieser herrlichen Besitzungen liefern jene fabelhaften Massen von Getreide, die noch lange die vorzüglichste Quelle des Reichthums der Donau¬ provinzen bilden werden. Eine Chaussee durchzieht das Land fast in seiner ganzen Länge, vom Kornolungi bis Galatz; an Zweigkunststraßen wird schon seit Jahren gearbeitet, ohne daß man bis jetzt einen andern Vortheil davon hätte, als hin und wieder auf ungeebneten Steinhaufen statt auf der Erde in ihrem Naturzustande zu fahren. Alle übrigen Verbindungslinien haben sich nach Maßgabe der Noth¬ wendigkeit gebildet, ohne Zuthun der Kunst. Da, die Gebirgsgegenden aus¬ genommen, nicht ein Stein im Boden zu finden ist, so rollt man bei schönem Vetter sast unhörbar dahin, bei dem geringsten Regen aber wird aus der schwarzen, mit Lehm untermischten Gartenerde ein Koth, von dem man sich in Deutschland kaum einen Begriff machen kann. Hält ein Regen mehre Tage so kann es dem Reisenden widerfahren, keine Postpferde zu bekommen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/477>, abgerufen am 28.07.2024.