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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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wo ein Creditinstitut als Herrscher auftritt, wird es niemals allein maßgebend
auf den Verkehr einwirken können, wie auch der absoluteste Monarch die
Grenze seines Willens und seiner Kraft in bestimmten staatlichen Zuständen
findet. Jenes aber wird um so viel maßvoller als dieser austreten, eben wegen
der eigenthümlichen Natur deö Credits. Er ist eine sehr zarte Pflanze, eine
wahre Mimose, die durch jede rauhe Berührung sich sofort schließt. Er ist
alles, daS Leben und der Athem des Verkehrs, so lange die Dinge gut gehen;
er fällt in sich zusammen schon beim bloßen Gerücht des Unheils. Man kann
ihn mit der Ehre und dem guten Namen vergleichen, die unter Umstände"
aber noch eher herstellbar sind, als der verlorene Credit. Wenn eS nun ferner
auch richtig ist, daß ohne Credit kein schwunghafter Verkehr denkbar ist, so ist
letzterer doch wieder die Voraussetzung seines Gedeihens. Das alles weist
auf Freiheit, auf Gehenlassen, auf Nichtbevormunvung hin, und die Geschichte
lehrt es deutlich, daß, je mehr man von obenherab reglementirte, desto be¬
denklicher auch die Credit- uno Verkehrskrisen sich gestalteten.

Wir kehren zu dem Dithyrambus zurück, mit dem wir diesen Aufsatz be¬
gonnen haben. "Der Credit, jene Industrie-, welche allen andern Nahrung
verleiht und zum Gleichgewicht des Arbeitslohnes so Bedeutendes mitwirkt,
bedürfte einer kraftvollen, mächtigen Organisation, welche fähig war, den
Schrecken wie das leidenschaftliche Vertrauen zu beherrschen, welche ein be¬
stimmtes Ziel verfolgte und auf dieses Ziel mit Entschlossenheit zuschritt, ohne
sich um kleinliche Hindernisse, eigennützige ober eifersüchtige Kritik und heftige
oder berechnungsvolle Angriffe, von welcher Seite sie auch kommen möchten,
zu kümmern." Kann in diesen Worten, die obendrein in ihrer Stilisirung
nur zu sehr-an den hofmeisternden Ton des kaiserlichen Moniteur erinnern,
sobald derselbe es für gut findet, dem beschränkten Unterthanenverstand eine
Ohrfeige zu appliciren, kann in diesen Worten von der gewöhnlichen Bedeu¬
tung des Wortes (Kredit die Rede sein? Der Credit wird hier, wie oft genug
der Staat zu etwas, man möchte sagen, Personellem, obgleich Credit und
Staat r>ur Aeußerungen menschlichen Zusammenlebens sind. "Der Credit be¬
dürfte einer kraftvollen, mächtigen Organisation", unmöglich kann das "bei
der Credit sein, durch den der Verkehr lebt; denn dieser Credit hat sich sckM
längst selbst organisirt. Wo will denn irgend ein Creditinstitut seine Opera¬
tionen beginnen, wenn es nicht Verkehr und Credit längst vorfindet? Aber
der Creditverkehr ist vielleicht auf falschen Bahnen, er soll -- ja was soll
denn eigentlich mit ihm geschehen? Hier ist eine von den Räthselfragen, die
wie die Organisation der Arbeit ihre Lösung höchstens von einer Offenbarung?
nicht vom gewöhnlichen Menschenverstande erwarten können. Die Organisation
des Credits soll sich zu einem Institut verkörpern, das Schrecken und leiden¬
schaftliches Vertrauen beherrscht. Man muß sich ordentlich fragen, seit wan"


wo ein Creditinstitut als Herrscher auftritt, wird es niemals allein maßgebend
auf den Verkehr einwirken können, wie auch der absoluteste Monarch die
Grenze seines Willens und seiner Kraft in bestimmten staatlichen Zuständen
findet. Jenes aber wird um so viel maßvoller als dieser austreten, eben wegen
der eigenthümlichen Natur deö Credits. Er ist eine sehr zarte Pflanze, eine
wahre Mimose, die durch jede rauhe Berührung sich sofort schließt. Er ist
alles, daS Leben und der Athem des Verkehrs, so lange die Dinge gut gehen;
er fällt in sich zusammen schon beim bloßen Gerücht des Unheils. Man kann
ihn mit der Ehre und dem guten Namen vergleichen, die unter Umstände»
aber noch eher herstellbar sind, als der verlorene Credit. Wenn eS nun ferner
auch richtig ist, daß ohne Credit kein schwunghafter Verkehr denkbar ist, so ist
letzterer doch wieder die Voraussetzung seines Gedeihens. Das alles weist
auf Freiheit, auf Gehenlassen, auf Nichtbevormunvung hin, und die Geschichte
lehrt es deutlich, daß, je mehr man von obenherab reglementirte, desto be¬
denklicher auch die Credit- uno Verkehrskrisen sich gestalteten.

Wir kehren zu dem Dithyrambus zurück, mit dem wir diesen Aufsatz be¬
gonnen haben. „Der Credit, jene Industrie-, welche allen andern Nahrung
verleiht und zum Gleichgewicht des Arbeitslohnes so Bedeutendes mitwirkt,
bedürfte einer kraftvollen, mächtigen Organisation, welche fähig war, den
Schrecken wie das leidenschaftliche Vertrauen zu beherrschen, welche ein be¬
stimmtes Ziel verfolgte und auf dieses Ziel mit Entschlossenheit zuschritt, ohne
sich um kleinliche Hindernisse, eigennützige ober eifersüchtige Kritik und heftige
oder berechnungsvolle Angriffe, von welcher Seite sie auch kommen möchten,
zu kümmern." Kann in diesen Worten, die obendrein in ihrer Stilisirung
nur zu sehr-an den hofmeisternden Ton des kaiserlichen Moniteur erinnern,
sobald derselbe es für gut findet, dem beschränkten Unterthanenverstand eine
Ohrfeige zu appliciren, kann in diesen Worten von der gewöhnlichen Bedeu¬
tung des Wortes (Kredit die Rede sein? Der Credit wird hier, wie oft genug
der Staat zu etwas, man möchte sagen, Personellem, obgleich Credit und
Staat r>ur Aeußerungen menschlichen Zusammenlebens sind. „Der Credit be¬
dürfte einer kraftvollen, mächtigen Organisation", unmöglich kann das «bei
der Credit sein, durch den der Verkehr lebt; denn dieser Credit hat sich sckM
längst selbst organisirt. Wo will denn irgend ein Creditinstitut seine Opera¬
tionen beginnen, wenn es nicht Verkehr und Credit längst vorfindet? Aber
der Creditverkehr ist vielleicht auf falschen Bahnen, er soll — ja was soll
denn eigentlich mit ihm geschehen? Hier ist eine von den Räthselfragen, die
wie die Organisation der Arbeit ihre Lösung höchstens von einer Offenbarung?
nicht vom gewöhnlichen Menschenverstande erwarten können. Die Organisation
des Credits soll sich zu einem Institut verkörpern, das Schrecken und leiden¬
schaftliches Vertrauen beherrscht. Man muß sich ordentlich fragen, seit wan"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/472>, abgerufen am 28.07.2024.