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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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thun und hoffentlich nachzuweisen vermögen, daß man denselben außerordentlich
übertrieben hat. Nur zwei Punkte wollen wir noch berühren. Zuerst wird
es aus dem früher Gesagten klar sein, daß die Banken bei weitem nicht alles
Creditgeben ausfüllen, vielmehr nur die äußersten Spitzen, den Großhandel
und das Bankiergeschäft, berühren; einzig die freien schottischen Banken machen
hierin eine Ausnahme, so wie einzelne englische Landbanken, so weit das
factische und rechtliche Monopol der großen Bank es gestatter, indem sie auch
den täglichen kleinen Betrieb unterstützen. Bis in die untersten Zweige des
Creditgebens versteigen sich nun Banken überhaupt nicht, und wenn der Ver¬
dienst der arbeitenden Classen, wie nicht zu.bezweifeln, von der Betriebsamkeit
und dem Erwerb der höhern abhängt, so umgekehrt das Gedeihen dieser von
dem Wohlergehen und der Consumtion der ersteren. Es gibt gar keine größere
nationalökonomische Unwahrheit, als die verschiedenen Classen ver Bevölkerung
wirthschaftlich voneinander trennen zu wollen. Man wird hiernach auch die
Wichtigkeit des Creditgebens durch die Banken nicht überschätzen, da sie nur
die eine Seite des wirthschaftlichen Lebens im Volke beeinflussen, und man
wird daS um so weniger thun, je fester man überzeugt sein kann, daß das
Creditbedmfniß auch ohne Banken Befriedigung finden würde, vorausgesetzt,
daß die Staatsgesetze nicht durch Zinsverbote, Mangel an Rechtsschutz u. s. w.
dem hemmend entgegentreten. Die andere Bemerkung folgt aus der ersteren.
Grade weil die großen Banken nur die reichern Erwerbsclassen patronisiren,
und es um so mehr thun, je ausschließlicher sie dastehen und statutenmäßig an
Garantien der realen Sicherheit gebunden sind, nehmen sie den übrigen. Es
bildet sich eine Classe von Leuten, welche bei der Bank Credit finden und von
solchen, die ihn nicht haben. Das letztere ist ein kaufmännischer Makel, der
auf die größere Gefahr der ihnen gewährten Credite hinweist, die ganz noth¬
wendig mit irgend einem erhöhten Procentsatz gebüßt werden muß. "Wer hat,
dem wird gegeben, und wer nicht hat, dem wird noch genommen." Man wird
viele Erscheinungen im VerkehrSleben auf diesen bisher noch wenig beachteten
Unterschied in der so grell hingestellten Creditfähigkeit zweier Classen der Be¬
völkerung, die doch mit und durcheinander bestehen, erklären können, denn
auf die Dauer werden auch die Wohlhabender" leiden, wenn ihren minder
begüterten Mitbürgern zu große Lasten zugewälzt werden. Man mag daS
Solidarität nennen; wir nennen es die Gerechtigkeit der Geschichte.

Aller von Banken gewährte Credit, so viel leuchtet ein, ist nichts Außer¬
ordentliches, auf dessen Erfindung jemand ein Patent hätte nehmen können;
ist vielmehr nichts als die nothwendige Entwicklung aus einem lebhaften
Handelsverkehr, mag man sie sich selbst überlassen oder in vom Staate vor¬
geschriebene Bahnen lenken. Der Organismus des Credits liegt nicht in diesem
selbst, sondern in den Verkehrszuständen, für und durch welche er wirkt. Selbst


thun und hoffentlich nachzuweisen vermögen, daß man denselben außerordentlich
übertrieben hat. Nur zwei Punkte wollen wir noch berühren. Zuerst wird
es aus dem früher Gesagten klar sein, daß die Banken bei weitem nicht alles
Creditgeben ausfüllen, vielmehr nur die äußersten Spitzen, den Großhandel
und das Bankiergeschäft, berühren; einzig die freien schottischen Banken machen
hierin eine Ausnahme, so wie einzelne englische Landbanken, so weit das
factische und rechtliche Monopol der großen Bank es gestatter, indem sie auch
den täglichen kleinen Betrieb unterstützen. Bis in die untersten Zweige des
Creditgebens versteigen sich nun Banken überhaupt nicht, und wenn der Ver¬
dienst der arbeitenden Classen, wie nicht zu.bezweifeln, von der Betriebsamkeit
und dem Erwerb der höhern abhängt, so umgekehrt das Gedeihen dieser von
dem Wohlergehen und der Consumtion der ersteren. Es gibt gar keine größere
nationalökonomische Unwahrheit, als die verschiedenen Classen ver Bevölkerung
wirthschaftlich voneinander trennen zu wollen. Man wird hiernach auch die
Wichtigkeit des Creditgebens durch die Banken nicht überschätzen, da sie nur
die eine Seite des wirthschaftlichen Lebens im Volke beeinflussen, und man
wird daS um so weniger thun, je fester man überzeugt sein kann, daß das
Creditbedmfniß auch ohne Banken Befriedigung finden würde, vorausgesetzt,
daß die Staatsgesetze nicht durch Zinsverbote, Mangel an Rechtsschutz u. s. w.
dem hemmend entgegentreten. Die andere Bemerkung folgt aus der ersteren.
Grade weil die großen Banken nur die reichern Erwerbsclassen patronisiren,
und es um so mehr thun, je ausschließlicher sie dastehen und statutenmäßig an
Garantien der realen Sicherheit gebunden sind, nehmen sie den übrigen. Es
bildet sich eine Classe von Leuten, welche bei der Bank Credit finden und von
solchen, die ihn nicht haben. Das letztere ist ein kaufmännischer Makel, der
auf die größere Gefahr der ihnen gewährten Credite hinweist, die ganz noth¬
wendig mit irgend einem erhöhten Procentsatz gebüßt werden muß. „Wer hat,
dem wird gegeben, und wer nicht hat, dem wird noch genommen." Man wird
viele Erscheinungen im VerkehrSleben auf diesen bisher noch wenig beachteten
Unterschied in der so grell hingestellten Creditfähigkeit zweier Classen der Be¬
völkerung, die doch mit und durcheinander bestehen, erklären können, denn
auf die Dauer werden auch die Wohlhabender» leiden, wenn ihren minder
begüterten Mitbürgern zu große Lasten zugewälzt werden. Man mag daS
Solidarität nennen; wir nennen es die Gerechtigkeit der Geschichte.

Aller von Banken gewährte Credit, so viel leuchtet ein, ist nichts Außer¬
ordentliches, auf dessen Erfindung jemand ein Patent hätte nehmen können;
ist vielmehr nichts als die nothwendige Entwicklung aus einem lebhaften
Handelsverkehr, mag man sie sich selbst überlassen oder in vom Staate vor¬
geschriebene Bahnen lenken. Der Organismus des Credits liegt nicht in diesem
selbst, sondern in den Verkehrszuständen, für und durch welche er wirkt. Selbst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/471>, abgerufen am 28.07.2024.