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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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neue Spekulationen und neuen Schwindel befördert, indem die weiter Sehenden
nur so selbst mit Vortheil sich frei machen konnten. Die Krisis trat ein, aber
viel schlimmer, als wenn die Bank niemals helfend beigesprungen wäre.
Was nicht solid war, fiel jetzt, wie es vorher gefallen wäre; aber die Wir¬
kungen gingen nun viel weiter, zumal die Bank jetzt, um sich selbst zu retten,
alle Vorschüsse einzog und nur unter den erschwerendsten Bedingungen neue
gewährte; sie konnte jetzt vielleicht noch retten, wo später nichts mehr zu er¬
halten war. Und nun ging es Schlag auf Schlag, reiche, angesehene Ge¬
schäftshäuser fallirten und darunter solche, deren Guthaben in Waaren und
Aufständen die Schuldenmasse überstieg, blos weil sie nicht zur Verfallzeit ihrer
Wechsel zu Geld kommen konnten. Endlich beruhigte sich der Sturm, aber die
Bank machte es bei der nächsten Gelegenheit nicht viel besser. Zuweilen aller¬
dings ergriff sie zeitige Maßregeln, aber öfters zur Unzeit, und rief dadurch
die Krisis erst recht herbei. Die Geschichte der englischen Bank ist die Ge¬
schichte der englischen Geldwirren, hervorgegangen aus der privilegirten Stel¬
lung, welche die englische Bank zur finanziellen Vorsehung der englischen
Nation erhob. Erst in neuerer Zeit, etwa seit Peels Acte -I8Li ist ein
Wandel zum Bessern eingetreten; aber man würde sich irren, wenn man glaubte
infolge dieser Gesetzgebung; die Wirkung ist vielmehr nur eine gleichzeitige.
Die Bank hat endlich die durch bittere Erfahrungen ihr aufgedrungene Lehre
fest angenommen, daß, je schwieriger der Geldmarkt an sich, desto behutsamer
sie auch in ihren Operationen sei" müsse. Mit ängstlicher Aufmerksamkeit
folgt sie daher allen Bewegungen des Geld- und Geschäftsmarktes fast auf der
ganzen Erde, um daraus den höhern oder niedern Stand des Disconto als
Fluch oder Segen auf die Geschäftsleute auszugießen. Man kann nur sagen,
daß sie in den letzten sehr schwierigen Jahren ihre Aufgabe sehr gut durch'
geführt habe, wobei man freilich oft nicht wissen kann, was bei den von ihr
ergriffenen Maßregeln Wirkung und waS Ursache der Geldnoth war, eben
wegen ihrer eigenthümlich mächtigen Stellung als regulirende Bank der ersten
Handelsnation der Erde. So viel aber ist gewiß, daß jeder Fehltritt, den sie
begeht, von den unermeßlichsten Folgen sein kann.

Wir wollen nicht auf andere Banken und andere Bankoperationen ein¬
gehen; das Bisherige wird genügend zeigen, um welche Art von Credite und
Geschäfte es sich bei den Diskontobanken handelt, und im Wesentlichen bei
der pereireschen Bank nicht handeln kann. Der Credit, den die Banken bis¬
her gewährten, ist entweder, wie dies auch der Privatmann thut, auf die per¬
sönlichen Eigenschaften der Creditsuchenden gegründet, oder wie dies bei den
großen privilegirten Banken der Fall ist, auf Wechselunterzeichnungen oder
irgend welche andere sachliche Garantie. Wir haben hier nicht den Nutzen der
Banken im Allgemeinen zu untersuchen, werden dies vielleicht ein anderes 2> a


neue Spekulationen und neuen Schwindel befördert, indem die weiter Sehenden
nur so selbst mit Vortheil sich frei machen konnten. Die Krisis trat ein, aber
viel schlimmer, als wenn die Bank niemals helfend beigesprungen wäre.
Was nicht solid war, fiel jetzt, wie es vorher gefallen wäre; aber die Wir¬
kungen gingen nun viel weiter, zumal die Bank jetzt, um sich selbst zu retten,
alle Vorschüsse einzog und nur unter den erschwerendsten Bedingungen neue
gewährte; sie konnte jetzt vielleicht noch retten, wo später nichts mehr zu er¬
halten war. Und nun ging es Schlag auf Schlag, reiche, angesehene Ge¬
schäftshäuser fallirten und darunter solche, deren Guthaben in Waaren und
Aufständen die Schuldenmasse überstieg, blos weil sie nicht zur Verfallzeit ihrer
Wechsel zu Geld kommen konnten. Endlich beruhigte sich der Sturm, aber die
Bank machte es bei der nächsten Gelegenheit nicht viel besser. Zuweilen aller¬
dings ergriff sie zeitige Maßregeln, aber öfters zur Unzeit, und rief dadurch
die Krisis erst recht herbei. Die Geschichte der englischen Bank ist die Ge¬
schichte der englischen Geldwirren, hervorgegangen aus der privilegirten Stel¬
lung, welche die englische Bank zur finanziellen Vorsehung der englischen
Nation erhob. Erst in neuerer Zeit, etwa seit Peels Acte -I8Li ist ein
Wandel zum Bessern eingetreten; aber man würde sich irren, wenn man glaubte
infolge dieser Gesetzgebung; die Wirkung ist vielmehr nur eine gleichzeitige.
Die Bank hat endlich die durch bittere Erfahrungen ihr aufgedrungene Lehre
fest angenommen, daß, je schwieriger der Geldmarkt an sich, desto behutsamer
sie auch in ihren Operationen sei» müsse. Mit ängstlicher Aufmerksamkeit
folgt sie daher allen Bewegungen des Geld- und Geschäftsmarktes fast auf der
ganzen Erde, um daraus den höhern oder niedern Stand des Disconto als
Fluch oder Segen auf die Geschäftsleute auszugießen. Man kann nur sagen,
daß sie in den letzten sehr schwierigen Jahren ihre Aufgabe sehr gut durch'
geführt habe, wobei man freilich oft nicht wissen kann, was bei den von ihr
ergriffenen Maßregeln Wirkung und waS Ursache der Geldnoth war, eben
wegen ihrer eigenthümlich mächtigen Stellung als regulirende Bank der ersten
Handelsnation der Erde. So viel aber ist gewiß, daß jeder Fehltritt, den sie
begeht, von den unermeßlichsten Folgen sein kann.

Wir wollen nicht auf andere Banken und andere Bankoperationen ein¬
gehen; das Bisherige wird genügend zeigen, um welche Art von Credite und
Geschäfte es sich bei den Diskontobanken handelt, und im Wesentlichen bei
der pereireschen Bank nicht handeln kann. Der Credit, den die Banken bis¬
her gewährten, ist entweder, wie dies auch der Privatmann thut, auf die per¬
sönlichen Eigenschaften der Creditsuchenden gegründet, oder wie dies bei den
großen privilegirten Banken der Fall ist, auf Wechselunterzeichnungen oder
irgend welche andere sachliche Garantie. Wir haben hier nicht den Nutzen der
Banken im Allgemeinen zu untersuchen, werden dies vielleicht ein anderes 2> a


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[0470] neue Spekulationen und neuen Schwindel befördert, indem die weiter Sehenden nur so selbst mit Vortheil sich frei machen konnten. Die Krisis trat ein, aber viel schlimmer, als wenn die Bank niemals helfend beigesprungen wäre. Was nicht solid war, fiel jetzt, wie es vorher gefallen wäre; aber die Wir¬ kungen gingen nun viel weiter, zumal die Bank jetzt, um sich selbst zu retten, alle Vorschüsse einzog und nur unter den erschwerendsten Bedingungen neue gewährte; sie konnte jetzt vielleicht noch retten, wo später nichts mehr zu er¬ halten war. Und nun ging es Schlag auf Schlag, reiche, angesehene Ge¬ schäftshäuser fallirten und darunter solche, deren Guthaben in Waaren und Aufständen die Schuldenmasse überstieg, blos weil sie nicht zur Verfallzeit ihrer Wechsel zu Geld kommen konnten. Endlich beruhigte sich der Sturm, aber die Bank machte es bei der nächsten Gelegenheit nicht viel besser. Zuweilen aller¬ dings ergriff sie zeitige Maßregeln, aber öfters zur Unzeit, und rief dadurch die Krisis erst recht herbei. Die Geschichte der englischen Bank ist die Ge¬ schichte der englischen Geldwirren, hervorgegangen aus der privilegirten Stel¬ lung, welche die englische Bank zur finanziellen Vorsehung der englischen Nation erhob. Erst in neuerer Zeit, etwa seit Peels Acte -I8Li ist ein Wandel zum Bessern eingetreten; aber man würde sich irren, wenn man glaubte infolge dieser Gesetzgebung; die Wirkung ist vielmehr nur eine gleichzeitige. Die Bank hat endlich die durch bittere Erfahrungen ihr aufgedrungene Lehre fest angenommen, daß, je schwieriger der Geldmarkt an sich, desto behutsamer sie auch in ihren Operationen sei» müsse. Mit ängstlicher Aufmerksamkeit folgt sie daher allen Bewegungen des Geld- und Geschäftsmarktes fast auf der ganzen Erde, um daraus den höhern oder niedern Stand des Disconto als Fluch oder Segen auf die Geschäftsleute auszugießen. Man kann nur sagen, daß sie in den letzten sehr schwierigen Jahren ihre Aufgabe sehr gut durch' geführt habe, wobei man freilich oft nicht wissen kann, was bei den von ihr ergriffenen Maßregeln Wirkung und waS Ursache der Geldnoth war, eben wegen ihrer eigenthümlich mächtigen Stellung als regulirende Bank der ersten Handelsnation der Erde. So viel aber ist gewiß, daß jeder Fehltritt, den sie begeht, von den unermeßlichsten Folgen sein kann. Wir wollen nicht auf andere Banken und andere Bankoperationen ein¬ gehen; das Bisherige wird genügend zeigen, um welche Art von Credite und Geschäfte es sich bei den Diskontobanken handelt, und im Wesentlichen bei der pereireschen Bank nicht handeln kann. Der Credit, den die Banken bis¬ her gewährten, ist entweder, wie dies auch der Privatmann thut, auf die per¬ sönlichen Eigenschaften der Creditsuchenden gegründet, oder wie dies bei den großen privilegirten Banken der Fall ist, auf Wechselunterzeichnungen oder irgend welche andere sachliche Garantie. Wir haben hier nicht den Nutzen der Banken im Allgemeinen zu untersuchen, werden dies vielleicht ein anderes 2> a

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/470>, abgerufen am 28.07.2024.