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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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Organisation des Credits K la Pereire noch keine Spur, wie auch kein Be¬
dürfniß; die Geschäftswelt hilft sich selber und besteht sehr gut dabei. Was
sie verlangt, ist allein Rechtssicherheit, vernünftige Regierung und möglichst
wenig Vorsehung durch den Staat. Man kann übrigens gar nicht verkennen,
daß nach all diesen Beziehungen der Credit ein Bildungsmoment in sich trägt;
die Moralität verliert ganz gewiß nicht, wenn die Ehrlichkeit zugleich der eigene
Vortheil ist, und die Gesundheit der öffentlichen Zustände noch weniger, wenn
der Staat für menschliche Zwecke und nicht als Moloch da ist, dem man fort¬
während seine eigenen Interessen zu opfern hat.

Aber so einfach bleiben die Zustände denn doch bald nicht mehr; der
Credit löst sich in vielen Beziehungen von den einzelnen Betrieben ab, um
gleichsam als selbstständige Waare von Hand zu Hand zu gehen. Es ent¬
stehen Einrichtungen, deren Mittelpunkt das Creditgeben gegen bestimmte Vor¬
theile ist, zuerst durch Privatpersonen, später durch die sreie Vereinigung
mehrer zu demselben Zwecke. Von solchen Mittelpunkten aus läßt sich nun
das Creditbedürfniß und die Creditfähigkeit der Einzelnen besser schätzen, als
in einem Geschäftsbetrieb, der nur ganz gelegentlich dazu kommt, sich um
fremde Personen kümmern zu müssen; zugleich kann aber auch jeder einzelne
Geschäftsmann seine Operationen um so weiter ausdehnen, je mehr ihm die
Sorge genommen wird, selbststä.nvig die Creditverhältnisse aller, mit denen
er zu thun haben kann, zu erforschen. Auch diese Entwicklung ist noch eine
vollkommen normale, sie entspringt aus dem Bedürfniß der Arbeitstheilung;
man kann sie eine Organisation nennen, insofern hier bereits ein Ineinander¬
greifen verschiedenartiger Thätigkeiten besteht; aber eine Organisation im
französischen Sinne, die einer Leitung von hoher Hand gleichkommt, ist es
nicht, denn die freie Bewegung ist das Lebenselement jener Entwicklungsstufe.

Diese wird aber sehr bald beeinträchtigt, nämlich von dem Augenblick an,
wo die Regierungen, welche das Geschäft mit Geld als so gewinnbringend
erkennen, das Recht dazu entweder auf Einzelne oder Gesellschaften vermittelst
eines Monopols, natürlich gegen Entgeld, übertragen, oder es später selbst
in die Hände nehmen. Es entstehen die privilegirten Banken. So sehr, nament¬
lich auch in Deutschland, noch die Ansicht vorwaltet, daß es nicht in der
Befugniß der Einzelnen liege, ohne staatliche Genehmigung Banken zu errichten,
so wenig begründet ist doch diese Ansicht. Wir wollen einen Augenblick von
der Ausgabe von Papiergeld absehen, da nicht blos hierfür obrigkeitliche Con¬
cession verlangt wird, was ist der regelmäßige Geschäftskreis von Banken?
Sie handeln mit Credit, mit dem eigenen, indem sie andere veranlassen, ihnen
Gelder und Forderungen anzuvertrauen, und mit fremdem, indem sie geschäft¬
liche und ähnliche Papiere vermitteln. Im Grunde läßt sich auch gar nicht
verkennen, daß hier zwei Geschäftszweige sind, die dem einzelnen Kaufmann


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Organisation des Credits K la Pereire noch keine Spur, wie auch kein Be¬
dürfniß; die Geschäftswelt hilft sich selber und besteht sehr gut dabei. Was
sie verlangt, ist allein Rechtssicherheit, vernünftige Regierung und möglichst
wenig Vorsehung durch den Staat. Man kann übrigens gar nicht verkennen,
daß nach all diesen Beziehungen der Credit ein Bildungsmoment in sich trägt;
die Moralität verliert ganz gewiß nicht, wenn die Ehrlichkeit zugleich der eigene
Vortheil ist, und die Gesundheit der öffentlichen Zustände noch weniger, wenn
der Staat für menschliche Zwecke und nicht als Moloch da ist, dem man fort¬
während seine eigenen Interessen zu opfern hat.

Aber so einfach bleiben die Zustände denn doch bald nicht mehr; der
Credit löst sich in vielen Beziehungen von den einzelnen Betrieben ab, um
gleichsam als selbstständige Waare von Hand zu Hand zu gehen. Es ent¬
stehen Einrichtungen, deren Mittelpunkt das Creditgeben gegen bestimmte Vor¬
theile ist, zuerst durch Privatpersonen, später durch die sreie Vereinigung
mehrer zu demselben Zwecke. Von solchen Mittelpunkten aus läßt sich nun
das Creditbedürfniß und die Creditfähigkeit der Einzelnen besser schätzen, als
in einem Geschäftsbetrieb, der nur ganz gelegentlich dazu kommt, sich um
fremde Personen kümmern zu müssen; zugleich kann aber auch jeder einzelne
Geschäftsmann seine Operationen um so weiter ausdehnen, je mehr ihm die
Sorge genommen wird, selbststä.nvig die Creditverhältnisse aller, mit denen
er zu thun haben kann, zu erforschen. Auch diese Entwicklung ist noch eine
vollkommen normale, sie entspringt aus dem Bedürfniß der Arbeitstheilung;
man kann sie eine Organisation nennen, insofern hier bereits ein Ineinander¬
greifen verschiedenartiger Thätigkeiten besteht; aber eine Organisation im
französischen Sinne, die einer Leitung von hoher Hand gleichkommt, ist es
nicht, denn die freie Bewegung ist das Lebenselement jener Entwicklungsstufe.

Diese wird aber sehr bald beeinträchtigt, nämlich von dem Augenblick an,
wo die Regierungen, welche das Geschäft mit Geld als so gewinnbringend
erkennen, das Recht dazu entweder auf Einzelne oder Gesellschaften vermittelst
eines Monopols, natürlich gegen Entgeld, übertragen, oder es später selbst
in die Hände nehmen. Es entstehen die privilegirten Banken. So sehr, nament¬
lich auch in Deutschland, noch die Ansicht vorwaltet, daß es nicht in der
Befugniß der Einzelnen liege, ohne staatliche Genehmigung Banken zu errichten,
so wenig begründet ist doch diese Ansicht. Wir wollen einen Augenblick von
der Ausgabe von Papiergeld absehen, da nicht blos hierfür obrigkeitliche Con¬
cession verlangt wird, was ist der regelmäßige Geschäftskreis von Banken?
Sie handeln mit Credit, mit dem eigenen, indem sie andere veranlassen, ihnen
Gelder und Forderungen anzuvertrauen, und mit fremdem, indem sie geschäft¬
liche und ähnliche Papiere vermitteln. Im Grunde läßt sich auch gar nicht
verkennen, daß hier zwei Geschäftszweige sind, die dem einzelnen Kaufmann


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[0467] Organisation des Credits K la Pereire noch keine Spur, wie auch kein Be¬ dürfniß; die Geschäftswelt hilft sich selber und besteht sehr gut dabei. Was sie verlangt, ist allein Rechtssicherheit, vernünftige Regierung und möglichst wenig Vorsehung durch den Staat. Man kann übrigens gar nicht verkennen, daß nach all diesen Beziehungen der Credit ein Bildungsmoment in sich trägt; die Moralität verliert ganz gewiß nicht, wenn die Ehrlichkeit zugleich der eigene Vortheil ist, und die Gesundheit der öffentlichen Zustände noch weniger, wenn der Staat für menschliche Zwecke und nicht als Moloch da ist, dem man fort¬ während seine eigenen Interessen zu opfern hat. Aber so einfach bleiben die Zustände denn doch bald nicht mehr; der Credit löst sich in vielen Beziehungen von den einzelnen Betrieben ab, um gleichsam als selbstständige Waare von Hand zu Hand zu gehen. Es ent¬ stehen Einrichtungen, deren Mittelpunkt das Creditgeben gegen bestimmte Vor¬ theile ist, zuerst durch Privatpersonen, später durch die sreie Vereinigung mehrer zu demselben Zwecke. Von solchen Mittelpunkten aus läßt sich nun das Creditbedürfniß und die Creditfähigkeit der Einzelnen besser schätzen, als in einem Geschäftsbetrieb, der nur ganz gelegentlich dazu kommt, sich um fremde Personen kümmern zu müssen; zugleich kann aber auch jeder einzelne Geschäftsmann seine Operationen um so weiter ausdehnen, je mehr ihm die Sorge genommen wird, selbststä.nvig die Creditverhältnisse aller, mit denen er zu thun haben kann, zu erforschen. Auch diese Entwicklung ist noch eine vollkommen normale, sie entspringt aus dem Bedürfniß der Arbeitstheilung; man kann sie eine Organisation nennen, insofern hier bereits ein Ineinander¬ greifen verschiedenartiger Thätigkeiten besteht; aber eine Organisation im französischen Sinne, die einer Leitung von hoher Hand gleichkommt, ist es nicht, denn die freie Bewegung ist das Lebenselement jener Entwicklungsstufe. Diese wird aber sehr bald beeinträchtigt, nämlich von dem Augenblick an, wo die Regierungen, welche das Geschäft mit Geld als so gewinnbringend erkennen, das Recht dazu entweder auf Einzelne oder Gesellschaften vermittelst eines Monopols, natürlich gegen Entgeld, übertragen, oder es später selbst in die Hände nehmen. Es entstehen die privilegirten Banken. So sehr, nament¬ lich auch in Deutschland, noch die Ansicht vorwaltet, daß es nicht in der Befugniß der Einzelnen liege, ohne staatliche Genehmigung Banken zu errichten, so wenig begründet ist doch diese Ansicht. Wir wollen einen Augenblick von der Ausgabe von Papiergeld absehen, da nicht blos hierfür obrigkeitliche Con¬ cession verlangt wird, was ist der regelmäßige Geschäftskreis von Banken? Sie handeln mit Credit, mit dem eigenen, indem sie andere veranlassen, ihnen Gelder und Forderungen anzuvertrauen, und mit fremdem, indem sie geschäft¬ liche und ähnliche Papiere vermitteln. Im Grunde läßt sich auch gar nicht verkennen, daß hier zwei Geschäftszweige sind, die dem einzelnen Kaufmann S8*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/467>, abgerufen am 28.07.2024.