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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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Menschen nicht beschränkt wissen; so ist eS, ihm we,ik interessanter, wenn ein
weibliches Wesen ihm, ohne an ihn gebunden zu sein, ihre Liebe und mit
ihr das Höchste schenkt. In dem Verhältniß des Mannes zum Weihe, so
schien mir, glaubte er die Freiheit des Weibes beschränkt. Er fuhy dann fort
von einem Freunde zu erzählen, welcher ihm gesagt habe, "mau müsse ganz
ohne Liebe ehelichen, er sei recht glücklich und habe viele Kinder." Wir Mädchen
waren noch weniger dieser Meinung als Beethoven, welcher nur sagte: "ex
wüßte es nicht. -- Was ihn beträfe, so habe er noch keine Ehe gekannt, von
welcher nach einiger Zeit nicht das Eine oder Andere den Schritt bereut
hätte; -- und von einigen Mädchen, welche er in früheren Zeiten zu besitzen
als das größte Glück erachtet hätte, habe er in der Folge eingesehen, daß er
sehr glücklich sei, daß keine derselben seine Frau geworden sei, und wie gut e,S,
sei, daß die Wünsche oft nicht erfüllt werden." Meine Schwester machte auch
die Bemerkung, daß er seine Kunst immer mehr lieben würde als seine Frau, --
das, erwiederte er, wäre auch in der Ordnung; auch daß er eine Frau nicht
lieben könnte, welche seine Kunst nicht zu würdigen verstände.

Hierher gehört wohl, waS, er uns einmal von einem Freunde erzählte,
welcher mit ihm dasselbe Mädchen liebte, das Mädchen aber zog Beethoven vor.
War es ein Anfall von Edelmuth? kurz B. überließ sie dem Freunde und zog
sich zurück, das Mädchen aber starb bald, ich glaube, nachdem sie dennoch der
Freund geheirathet hatte. -- Das gab ein großes Lamento von unserer Seite,
was wir B. auch kund thaten.

Meine Schwester, welche einst einen Goldring an seinem Finger gewahrte,
fragte ihn scherzweise: "ob er noch eine andere, als die "ferne Geliebte"
habe?" Auskunft scheint er ihr nicht gegeben zu haben. -- Ganz ergriffen
von einer traurigen Begebenheit erzählten wir ihm: daß ein Freund des Hauses,
den er bei uns gesehen hatte, vor kurzem gestorben und seine Frau--
-- "hat wieder geheirathet! rief er lachend," aber wie sehr veränderte sich der
Ausdruck seiner Züge, als wir ihm sagten, daß sie in Anfällen von krankhaf¬
ter Muthlosigkeit, ihre Kinder ernähren zu können, sich den Tod gegeben habe.

Zuweilen war er voll Scherz und Neckerei; so kam er eines Abends mit
dem jungen Simrock von Bonn, als ich ihm sagte: ich hätte geglaubt, er
wäre schon in Baden, antwortete er mir lachend: "er höre immer mehr auf
zu glauben, und ich glaube immer." Wegen einem Lied, das er mir geschenkt
und wieder ausgeliehen, sagte er nun müsse er es wir wohl bald wiederbringen,
schon meiner Liebe zur Wahrheit wegen! es war: "das Geheimniß, Liebe und
Wahrheit von Wessenberg." Und so war er oft in heiterer Laune voll Wort¬
spiele und Witzfunken. -- Sehr erfreute es uns, daß B., nachdem er schon den
Entschluß gefaßt, seinen Neffen zu sich zu nehmen, dennoch wünschte eine
Wohnung in unserer Nähe zu finden.


Menschen nicht beschränkt wissen; so ist eS, ihm we,ik interessanter, wenn ein
weibliches Wesen ihm, ohne an ihn gebunden zu sein, ihre Liebe und mit
ihr das Höchste schenkt. In dem Verhältniß des Mannes zum Weihe, so
schien mir, glaubte er die Freiheit des Weibes beschränkt. Er fuhy dann fort
von einem Freunde zu erzählen, welcher ihm gesagt habe, „mau müsse ganz
ohne Liebe ehelichen, er sei recht glücklich und habe viele Kinder." Wir Mädchen
waren noch weniger dieser Meinung als Beethoven, welcher nur sagte: „ex
wüßte es nicht. — Was ihn beträfe, so habe er noch keine Ehe gekannt, von
welcher nach einiger Zeit nicht das Eine oder Andere den Schritt bereut
hätte; — und von einigen Mädchen, welche er in früheren Zeiten zu besitzen
als das größte Glück erachtet hätte, habe er in der Folge eingesehen, daß er
sehr glücklich sei, daß keine derselben seine Frau geworden sei, und wie gut e,S,
sei, daß die Wünsche oft nicht erfüllt werden." Meine Schwester machte auch
die Bemerkung, daß er seine Kunst immer mehr lieben würde als seine Frau, —
das, erwiederte er, wäre auch in der Ordnung; auch daß er eine Frau nicht
lieben könnte, welche seine Kunst nicht zu würdigen verstände.

Hierher gehört wohl, waS, er uns einmal von einem Freunde erzählte,
welcher mit ihm dasselbe Mädchen liebte, das Mädchen aber zog Beethoven vor.
War es ein Anfall von Edelmuth? kurz B. überließ sie dem Freunde und zog
sich zurück, das Mädchen aber starb bald, ich glaube, nachdem sie dennoch der
Freund geheirathet hatte. — Das gab ein großes Lamento von unserer Seite,
was wir B. auch kund thaten.

Meine Schwester, welche einst einen Goldring an seinem Finger gewahrte,
fragte ihn scherzweise: „ob er noch eine andere, als die „ferne Geliebte"
habe?" Auskunft scheint er ihr nicht gegeben zu haben. — Ganz ergriffen
von einer traurigen Begebenheit erzählten wir ihm: daß ein Freund des Hauses,
den er bei uns gesehen hatte, vor kurzem gestorben und seine Frau--
— „hat wieder geheirathet! rief er lachend," aber wie sehr veränderte sich der
Ausdruck seiner Züge, als wir ihm sagten, daß sie in Anfällen von krankhaf¬
ter Muthlosigkeit, ihre Kinder ernähren zu können, sich den Tod gegeben habe.

Zuweilen war er voll Scherz und Neckerei; so kam er eines Abends mit
dem jungen Simrock von Bonn, als ich ihm sagte: ich hätte geglaubt, er
wäre schon in Baden, antwortete er mir lachend: „er höre immer mehr auf
zu glauben, und ich glaube immer." Wegen einem Lied, das er mir geschenkt
und wieder ausgeliehen, sagte er nun müsse er es wir wohl bald wiederbringen,
schon meiner Liebe zur Wahrheit wegen! es war: „das Geheimniß, Liebe und
Wahrheit von Wessenberg." Und so war er oft in heiterer Laune voll Wort¬
spiele und Witzfunken. — Sehr erfreute es uns, daß B., nachdem er schon den
Entschluß gefaßt, seinen Neffen zu sich zu nehmen, dennoch wünschte eine
Wohnung in unserer Nähe zu finden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/38>, abgerufen am 28.07.2024.