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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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verständlich machen. Die Sprache des Regierungsblattes, die der Bühne
und die der Börse ist italienisch, wie die der Handelsmarine. Trieft hat kei¬
nen Bürgermeister, sondern einen Podcsta. Das ganze niedere Volk ist zu
reichlich neun Zehnteln italienischer oder slawischer Abkunft, italienische und
slawische Sitte überwiegt auf der Straße wie im Hause die deutsche bis zum
Verschwinden der letztern, italienische Begriffe von dem was erlaubt, waS schön,
was bequem*), wKs anständig ist, bilden den Ton, der über das ganze Leben
der Stadt ausgegossen ist, und wenn im Jahre 1848 die italienischen Sym¬
pathien hier nicht stark genug waren, um ebenfalls den Abfall vom Hause
Habsburg durchzusetzen, wenn Trieft vielmehr in 'jener Zeit der Prüfung sich
den Namen der "allergetreusten Stadt" verdiente, so mögen bei denen, die
hier den Ausschlag gaben, wol mehr Rücksichten auf Handelsinteressen und
überhaupt der Verstand mehr als das Gefühl maßgebend gewesen sein.

Daß die deutsche Sprache in den letzten Decennien große Fortschritte ge¬
macht hat, soll nicht geleugnet werden. Zur überwiegenden aber wird sie schon
deshalb nicht leicht werden, weil das Italienische eine Cultursprache mit einer
reichen Literatur ist, und weil andrerseits die Landstriche, wo das letztere auch
in den Dörfern und kleinen Städten allein herrscht, Trieft näher liegen als
die, wo daS Deutsche die Sprache des platten Landes ist. Lobenswert!) ist es
übrigens, daß sich unter der jüngern deutschen Generation mehre Gesellschaften
gebildet haben, die deutschen Gesang pflegen, und deren Statuten es bei
Strafe untersagen, in den abendlichen Versammlungen sich des Italienischen
zu bedienen. Beispiele deS Gegentheils, wo junge Thoren im Vollgefühle des
Bewußtseins, einer fremden Sprache mächtig geworden zu sein, sich als Ita¬
liener geriren, sind dem Vernehmen nach auch nicht selten, indeß schwerlich so
häufig als unter den Deutschamerikanern.

Schließlich ist über diesen Gegenstand zu bemerken, daß der in Trieft ge¬
wöhnlich gesprochene italienische Dialekt stark mit slawischen Worten gemischt ist
und dem, der nur die Schriftsprache versteht, erhebliche Schwierigkeiten macht,
und daß in der unmittelbaren Nachbarschaft sehr viele Leute wohnen, welche
nur krainerisch sprechen und des Italienischen völlig unkundig sind.

Auch der Orient oder vielmehr die halborientalischen Länder der südöstlichen
Küsten haben zu der Bevölkerung Triests ein beträchtliches Contingent gestellt.
Mehre der größten Kaufleute sind Griechen, andere stammen aus Kroatien oder
Dalmatien. Griechische und südslawische Namen begegnen uns häufig unter den
Rhedern, den Schiffscapitänen und den Klrinkrämern. Die Fischer und die
Lastträger bedecken den Kopf meist mit derselben hohen rothwollnen, aus die
Seite gelegten Mütze, welche auf den jonischen Inseln und im Königreich



In letzterer Beziehung mag nur daran erinnert werden, daß in Trieft trotz der Bora,
die es bisweilen empfindlich kalt werden läßt, nur in wenigen Häusern Oefen existiren.
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verständlich machen. Die Sprache des Regierungsblattes, die der Bühne
und die der Börse ist italienisch, wie die der Handelsmarine. Trieft hat kei¬
nen Bürgermeister, sondern einen Podcsta. Das ganze niedere Volk ist zu
reichlich neun Zehnteln italienischer oder slawischer Abkunft, italienische und
slawische Sitte überwiegt auf der Straße wie im Hause die deutsche bis zum
Verschwinden der letztern, italienische Begriffe von dem was erlaubt, waS schön,
was bequem*), wKs anständig ist, bilden den Ton, der über das ganze Leben
der Stadt ausgegossen ist, und wenn im Jahre 1848 die italienischen Sym¬
pathien hier nicht stark genug waren, um ebenfalls den Abfall vom Hause
Habsburg durchzusetzen, wenn Trieft vielmehr in 'jener Zeit der Prüfung sich
den Namen der „allergetreusten Stadt" verdiente, so mögen bei denen, die
hier den Ausschlag gaben, wol mehr Rücksichten auf Handelsinteressen und
überhaupt der Verstand mehr als das Gefühl maßgebend gewesen sein.

Daß die deutsche Sprache in den letzten Decennien große Fortschritte ge¬
macht hat, soll nicht geleugnet werden. Zur überwiegenden aber wird sie schon
deshalb nicht leicht werden, weil das Italienische eine Cultursprache mit einer
reichen Literatur ist, und weil andrerseits die Landstriche, wo das letztere auch
in den Dörfern und kleinen Städten allein herrscht, Trieft näher liegen als
die, wo daS Deutsche die Sprache des platten Landes ist. Lobenswert!) ist es
übrigens, daß sich unter der jüngern deutschen Generation mehre Gesellschaften
gebildet haben, die deutschen Gesang pflegen, und deren Statuten es bei
Strafe untersagen, in den abendlichen Versammlungen sich des Italienischen
zu bedienen. Beispiele deS Gegentheils, wo junge Thoren im Vollgefühle des
Bewußtseins, einer fremden Sprache mächtig geworden zu sein, sich als Ita¬
liener geriren, sind dem Vernehmen nach auch nicht selten, indeß schwerlich so
häufig als unter den Deutschamerikanern.

Schließlich ist über diesen Gegenstand zu bemerken, daß der in Trieft ge¬
wöhnlich gesprochene italienische Dialekt stark mit slawischen Worten gemischt ist
und dem, der nur die Schriftsprache versteht, erhebliche Schwierigkeiten macht,
und daß in der unmittelbaren Nachbarschaft sehr viele Leute wohnen, welche
nur krainerisch sprechen und des Italienischen völlig unkundig sind.

Auch der Orient oder vielmehr die halborientalischen Länder der südöstlichen
Küsten haben zu der Bevölkerung Triests ein beträchtliches Contingent gestellt.
Mehre der größten Kaufleute sind Griechen, andere stammen aus Kroatien oder
Dalmatien. Griechische und südslawische Namen begegnen uns häufig unter den
Rhedern, den Schiffscapitänen und den Klrinkrämern. Die Fischer und die
Lastträger bedecken den Kopf meist mit derselben hohen rothwollnen, aus die
Seite gelegten Mütze, welche auf den jonischen Inseln und im Königreich



In letzterer Beziehung mag nur daran erinnert werden, daß in Trieft trotz der Bora,
die es bisweilen empfindlich kalt werden läßt, nur in wenigen Häusern Oefen existiren.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/347>, abgerufen am 01.09.2024.