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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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Carlos beigesetzt ist, wobei daran' zu erinnern ist, daß der jetzige König der
Carlisten, Graf von Montemolin mit seiner Familie in Trieft lebt, und zwar
in sehr bescheidenen, fast ärmlichen Verhältnissen.

In der Nähe des Doms befindet sich das Museum Winkelmann, ein
Gärtchen, das früher ein Gottesacker war und jetzt mit römischen Alterthümern
angefüllt ist, die in der Nachbarschaft von Trieft aufgesunden wurden, der
Mehrzahl nach aber ohne Kunstwerth sind. Bekanntlich wurde Winkelmann
hier in der Locanda Grande ermordet.

Von andern öffentlichen Gebäuden verdienen die alte Börse, im dorischen
Stil erbaut, das Opernhaus, der Palast Carciotli, das sehr stattliche und un¬
gewöhnlich elegant eingerichtete Hotel de Ville und vor allem das Tergestum,
der jetzige Mittelpunkt des Handels und Verkehrs von Trieft, Erwähnung.
Letzteres wurde im Jahre 1840 an der Stelle des alten Mauthgebäudes da,
wo der Corso, die Hauptstraße der Stadt, sich zum Börsenplatz erweitert, erbaut.
Die Mittel hierzu beschaffte man auf eine originelle Weise. Es bildete sich
eine Actiengesellschaft mit einem Capitale von 730,000 Gulden in 1500 Actien
zu 300 Gulden. Sechs Bürger Triests und das Bankierhaus Arnstein und
Eskeles in Wien übernahmen sämmtliche Actien für eigne Rechnung. Letztere
wurden auf den Vorzeiger lautend ausgestellt und können mithin durch einfache
Uebergabe ohne Uebertragung, Anmeldung oder andere Förmlichkeit veräußert
werden. Der Besitz derselben gibt kein Recht, deren Hypothecirung zu bean¬
spruchen und dadurch irgend eine Ausscheidung der Actien zu Lasten des Ge¬
bäudes oder des Vereins zu erwirken. Jede Actie trägt eine jährliche Rente
von 20 Gulden, und dieselben werden unter äußerst vortheilhaften Bedingungen
allmälig ausgelost. Während des ersten Jahrzehnts wurden alljährlich nur
Zehn, seitdem aber eine größere Anzahl gezogen. Die ersten tausend, welche
bei dieser Lotterie nach und nach herauskamen, wurden mit je tausend, die
folgenden 230 mit je fünfzehnhundert; die in den spätern Ziehungen gezogenen
sollen 240 mit zweitausend Gulden heimgezahlt und eingelöst werden. Sind nach
dieser Methode -1^90 Actien amortisirt, so verbleibt den Besitzern der letzten
10 Stück das Gebäude sammt allem Zubehör und allen Geldmitteln der Gesell¬
schaft als freies Eigenthum.

Das Tergestum, wol das größte Gebäude der Stadt, ist, wie angedeutet,
der Brennpunkt, in welchem sich alle Strahlen des Lebenselements von Trieft
concentriren. ES ist gegenwärtig die eigentliche Börse des Platzes, und eS
gibt wol nicht viele Personen, die zur Kaufmannschaft gehören und hier nicht
wenigstens einmal deS Tages vorsprechen. Hierher begeben sie sich des Mor¬
gens, um in den mit mehr als dritthalbhundert Zeitungen aller Sprachen
Europas ausgestatteten Lesezimmern sich über die neuesten Begebenheiten und
den Stand der Conjuncturen, die Preise der Waaren an entfernten Plätzen


Grenzbote" II. -1837. 43

Carlos beigesetzt ist, wobei daran' zu erinnern ist, daß der jetzige König der
Carlisten, Graf von Montemolin mit seiner Familie in Trieft lebt, und zwar
in sehr bescheidenen, fast ärmlichen Verhältnissen.

In der Nähe des Doms befindet sich das Museum Winkelmann, ein
Gärtchen, das früher ein Gottesacker war und jetzt mit römischen Alterthümern
angefüllt ist, die in der Nachbarschaft von Trieft aufgesunden wurden, der
Mehrzahl nach aber ohne Kunstwerth sind. Bekanntlich wurde Winkelmann
hier in der Locanda Grande ermordet.

Von andern öffentlichen Gebäuden verdienen die alte Börse, im dorischen
Stil erbaut, das Opernhaus, der Palast Carciotli, das sehr stattliche und un¬
gewöhnlich elegant eingerichtete Hotel de Ville und vor allem das Tergestum,
der jetzige Mittelpunkt des Handels und Verkehrs von Trieft, Erwähnung.
Letzteres wurde im Jahre 1840 an der Stelle des alten Mauthgebäudes da,
wo der Corso, die Hauptstraße der Stadt, sich zum Börsenplatz erweitert, erbaut.
Die Mittel hierzu beschaffte man auf eine originelle Weise. Es bildete sich
eine Actiengesellschaft mit einem Capitale von 730,000 Gulden in 1500 Actien
zu 300 Gulden. Sechs Bürger Triests und das Bankierhaus Arnstein und
Eskeles in Wien übernahmen sämmtliche Actien für eigne Rechnung. Letztere
wurden auf den Vorzeiger lautend ausgestellt und können mithin durch einfache
Uebergabe ohne Uebertragung, Anmeldung oder andere Förmlichkeit veräußert
werden. Der Besitz derselben gibt kein Recht, deren Hypothecirung zu bean¬
spruchen und dadurch irgend eine Ausscheidung der Actien zu Lasten des Ge¬
bäudes oder des Vereins zu erwirken. Jede Actie trägt eine jährliche Rente
von 20 Gulden, und dieselben werden unter äußerst vortheilhaften Bedingungen
allmälig ausgelost. Während des ersten Jahrzehnts wurden alljährlich nur
Zehn, seitdem aber eine größere Anzahl gezogen. Die ersten tausend, welche
bei dieser Lotterie nach und nach herauskamen, wurden mit je tausend, die
folgenden 230 mit je fünfzehnhundert; die in den spätern Ziehungen gezogenen
sollen 240 mit zweitausend Gulden heimgezahlt und eingelöst werden. Sind nach
dieser Methode -1^90 Actien amortisirt, so verbleibt den Besitzern der letzten
10 Stück das Gebäude sammt allem Zubehör und allen Geldmitteln der Gesell¬
schaft als freies Eigenthum.

Das Tergestum, wol das größte Gebäude der Stadt, ist, wie angedeutet,
der Brennpunkt, in welchem sich alle Strahlen des Lebenselements von Trieft
concentriren. ES ist gegenwärtig die eigentliche Börse des Platzes, und eS
gibt wol nicht viele Personen, die zur Kaufmannschaft gehören und hier nicht
wenigstens einmal deS Tages vorsprechen. Hierher begeben sie sich des Mor¬
gens, um in den mit mehr als dritthalbhundert Zeitungen aller Sprachen
Europas ausgestatteten Lesezimmern sich über die neuesten Begebenheiten und
den Stand der Conjuncturen, die Preise der Waaren an entfernten Plätzen


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[0345] Carlos beigesetzt ist, wobei daran' zu erinnern ist, daß der jetzige König der Carlisten, Graf von Montemolin mit seiner Familie in Trieft lebt, und zwar in sehr bescheidenen, fast ärmlichen Verhältnissen. In der Nähe des Doms befindet sich das Museum Winkelmann, ein Gärtchen, das früher ein Gottesacker war und jetzt mit römischen Alterthümern angefüllt ist, die in der Nachbarschaft von Trieft aufgesunden wurden, der Mehrzahl nach aber ohne Kunstwerth sind. Bekanntlich wurde Winkelmann hier in der Locanda Grande ermordet. Von andern öffentlichen Gebäuden verdienen die alte Börse, im dorischen Stil erbaut, das Opernhaus, der Palast Carciotli, das sehr stattliche und un¬ gewöhnlich elegant eingerichtete Hotel de Ville und vor allem das Tergestum, der jetzige Mittelpunkt des Handels und Verkehrs von Trieft, Erwähnung. Letzteres wurde im Jahre 1840 an der Stelle des alten Mauthgebäudes da, wo der Corso, die Hauptstraße der Stadt, sich zum Börsenplatz erweitert, erbaut. Die Mittel hierzu beschaffte man auf eine originelle Weise. Es bildete sich eine Actiengesellschaft mit einem Capitale von 730,000 Gulden in 1500 Actien zu 300 Gulden. Sechs Bürger Triests und das Bankierhaus Arnstein und Eskeles in Wien übernahmen sämmtliche Actien für eigne Rechnung. Letztere wurden auf den Vorzeiger lautend ausgestellt und können mithin durch einfache Uebergabe ohne Uebertragung, Anmeldung oder andere Förmlichkeit veräußert werden. Der Besitz derselben gibt kein Recht, deren Hypothecirung zu bean¬ spruchen und dadurch irgend eine Ausscheidung der Actien zu Lasten des Ge¬ bäudes oder des Vereins zu erwirken. Jede Actie trägt eine jährliche Rente von 20 Gulden, und dieselben werden unter äußerst vortheilhaften Bedingungen allmälig ausgelost. Während des ersten Jahrzehnts wurden alljährlich nur Zehn, seitdem aber eine größere Anzahl gezogen. Die ersten tausend, welche bei dieser Lotterie nach und nach herauskamen, wurden mit je tausend, die folgenden 230 mit je fünfzehnhundert; die in den spätern Ziehungen gezogenen sollen 240 mit zweitausend Gulden heimgezahlt und eingelöst werden. Sind nach dieser Methode -1^90 Actien amortisirt, so verbleibt den Besitzern der letzten 10 Stück das Gebäude sammt allem Zubehör und allen Geldmitteln der Gesell¬ schaft als freies Eigenthum. Das Tergestum, wol das größte Gebäude der Stadt, ist, wie angedeutet, der Brennpunkt, in welchem sich alle Strahlen des Lebenselements von Trieft concentriren. ES ist gegenwärtig die eigentliche Börse des Platzes, und eS gibt wol nicht viele Personen, die zur Kaufmannschaft gehören und hier nicht wenigstens einmal deS Tages vorsprechen. Hierher begeben sie sich des Mor¬ gens, um in den mit mehr als dritthalbhundert Zeitungen aller Sprachen Europas ausgestatteten Lesezimmern sich über die neuesten Begebenheiten und den Stand der Conjuncturen, die Preise der Waaren an entfernten Plätzen Grenzbote» II. -1837. 43

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/345>, abgerufen am 01.09.2024.