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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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ohne den Hintergrund der Wüsten des Karst würde Trieft zu den anmuthigsten
und freundlichsten Städten Norditaliens zu zählen sein.

Dies gilt nicht blos von dem Anblicke, den die Stadt aus der Ferne
gesehen gewährt. Auch ein großer Theil des Innern hat eine heitere, Wohl¬
stand, Geschmack und Gefallen an Sauberkeit und Regelmäßigkeit ausdrückende
Physiognomie. Die Altstadt allerdings hat viele enge und krumme Gassen,
die bergauf, bergab laufen und deren Häuser oft bedenklich schmuzige Gesichter
haben. Die Neustadt dagegen ist durchaus regelmäßig angelegt, und wenn
sie in dem Theile, der unter den Bergen liegt, mit ihren breiten lustigen Stra¬
ßen , die sich allenthalben im rechten Winkel durchschneiden, und ihren fast
überall gleich hohen Häusern etwas an die nüchterne Schachbretform amerika¬
nischer Städte erinnert, so gleicht sich das durch die ungemein malerische Weise
aus, in der sich die höher gelegenen Quartiere erst in einzelne Häusergruppen,
dann in zerstreute Gebäude zwischen grünen Gartenanlagen auflösen, bis das
Auge zuletzt unter dem obern Rande des BergamphitheaterS nur selten noch
einer Menschenwohnung begegnet.

An öffentlichen Plätzen ist kein Mangel. Die größten sind die Piazza
Grande mit der Roccocostatue Kaiser Karls des IV., der Theaterplatz, der
Börsen- und der San Antonioplatz. Einige tragen ein entschieden großstädti¬
sches Gepränge an sich, welches dadurch noch erhöht wird, daß sie wie ganz
Trieft durchaus mit schönen, parkettartig aneinandergefügten Quadern gepflastert
sind. Die Kirchen Triests sind, wo nicht gradezu häßlich, so doch vom archi¬
tektonischen Standpunkte aus unbedeutend und interesselos. Nicht eine von ihm'"
hat einen erwähnenswerthen Thurm, wie denn überhaupt Trieft dieser Zierden
einer Stadt so gut wie ganz entbehrt. Die größte von ihnen/ 18i9 vollendet
und Sanct Anton dem Wunderthäter geweiht, ist ein griechischer Tempel mit
modernen Fenstern, eine andere, im obern Theile der Altstadt gelegen und
soeben fertig geworden, macht, im Verhältniß zu ihrer Länge zu schmal, den
Eindruck des Schwindsüchtigen, wieder andere sind in Häuser eingeklemmt.

Nur der Dom, welcher auf dem Hügelrücken sich erhebt, auf dem das
Castell steht, verlohnt einen Besuch. Dem Schutzpatron der Stadt, Sanct
Just geweiht, ist er eine der ältesten Kirchen der Welt. Er entstand aus zwe>
ursprünglich getrennten Heiligthümern, von denen das eine bis ins vierte, das
andere bis in das sechste Jahrhundert hinaufreicht. Der Stil ist der altrö-
mische Basilikenstil, doch befindet sich über der Eingangsthür eine gothische
Rose und eine der Seitenkapellen gehört ebenfalls der germanischen' Baukunst
an. Die Fresken, 18S0-restaurirt und die Werkzeuge, mit denen der heilige
Justus gemarterr wurde, haben nur für den, der an die Legende glaubt, Be¬
deutung. Im Uebrigen mag noch bemerkt werden, daß vor einem der Altare
dieser Kirche "König Karl V. von Spanien", das heißt der Prätendent Don


ohne den Hintergrund der Wüsten des Karst würde Trieft zu den anmuthigsten
und freundlichsten Städten Norditaliens zu zählen sein.

Dies gilt nicht blos von dem Anblicke, den die Stadt aus der Ferne
gesehen gewährt. Auch ein großer Theil des Innern hat eine heitere, Wohl¬
stand, Geschmack und Gefallen an Sauberkeit und Regelmäßigkeit ausdrückende
Physiognomie. Die Altstadt allerdings hat viele enge und krumme Gassen,
die bergauf, bergab laufen und deren Häuser oft bedenklich schmuzige Gesichter
haben. Die Neustadt dagegen ist durchaus regelmäßig angelegt, und wenn
sie in dem Theile, der unter den Bergen liegt, mit ihren breiten lustigen Stra¬
ßen , die sich allenthalben im rechten Winkel durchschneiden, und ihren fast
überall gleich hohen Häusern etwas an die nüchterne Schachbretform amerika¬
nischer Städte erinnert, so gleicht sich das durch die ungemein malerische Weise
aus, in der sich die höher gelegenen Quartiere erst in einzelne Häusergruppen,
dann in zerstreute Gebäude zwischen grünen Gartenanlagen auflösen, bis das
Auge zuletzt unter dem obern Rande des BergamphitheaterS nur selten noch
einer Menschenwohnung begegnet.

An öffentlichen Plätzen ist kein Mangel. Die größten sind die Piazza
Grande mit der Roccocostatue Kaiser Karls des IV., der Theaterplatz, der
Börsen- und der San Antonioplatz. Einige tragen ein entschieden großstädti¬
sches Gepränge an sich, welches dadurch noch erhöht wird, daß sie wie ganz
Trieft durchaus mit schönen, parkettartig aneinandergefügten Quadern gepflastert
sind. Die Kirchen Triests sind, wo nicht gradezu häßlich, so doch vom archi¬
tektonischen Standpunkte aus unbedeutend und interesselos. Nicht eine von ihm'»
hat einen erwähnenswerthen Thurm, wie denn überhaupt Trieft dieser Zierden
einer Stadt so gut wie ganz entbehrt. Die größte von ihnen/ 18i9 vollendet
und Sanct Anton dem Wunderthäter geweiht, ist ein griechischer Tempel mit
modernen Fenstern, eine andere, im obern Theile der Altstadt gelegen und
soeben fertig geworden, macht, im Verhältniß zu ihrer Länge zu schmal, den
Eindruck des Schwindsüchtigen, wieder andere sind in Häuser eingeklemmt.

Nur der Dom, welcher auf dem Hügelrücken sich erhebt, auf dem das
Castell steht, verlohnt einen Besuch. Dem Schutzpatron der Stadt, Sanct
Just geweiht, ist er eine der ältesten Kirchen der Welt. Er entstand aus zwe>
ursprünglich getrennten Heiligthümern, von denen das eine bis ins vierte, das
andere bis in das sechste Jahrhundert hinaufreicht. Der Stil ist der altrö-
mische Basilikenstil, doch befindet sich über der Eingangsthür eine gothische
Rose und eine der Seitenkapellen gehört ebenfalls der germanischen' Baukunst
an. Die Fresken, 18S0-restaurirt und die Werkzeuge, mit denen der heilige
Justus gemarterr wurde, haben nur für den, der an die Legende glaubt, Be¬
deutung. Im Uebrigen mag noch bemerkt werden, daß vor einem der Altare
dieser Kirche „König Karl V. von Spanien", das heißt der Prätendent Don


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/344>, abgerufen am 01.09.2024.