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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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entferntesten den deutschen Speciallandtagen zugestanden sind. Der dänische
Reichstag ist unverletzlich und besitzt daS vollständige Petitionsrecht, in Däne¬
mark kann ohne Zustimmung des Reichstags keine Steuer auferlegt oder
aufgehoben werden, ist die Presse frei, das Vereinsrecht unbeschränkt,
die Wohnung, das Eigenthum unverletzlich, sind die Gerichte berechtigt, jede
Frage über die obrigkeitliche Gewalt zu entscheiden, die Richter unabsetzbar.
In Schleswig, Holstein, Lauenburg von dem allen nichts, von vielem das
Gegentheil. Die Sicherheit und Freiheit der deutschen Provinziallandtage ist
nicht gewährleistet. In den Herzogtümern werden Richter nach ven Gutdün¬
ken des Ministeriums abgesetzt, die Zeitungen, welche der öffentlichen Meinung
Stimme geben, unterdrückt, sind die Gerichte den Polizeibehörden untergeordnet,
ist jede Vereinigung von Privatleuten schon dann strafbar, wenn sie die Be¬
rathung einer Petition zum Zwecke hat. In Dänemark sind die Minister ver¬
antwortlich, in den Verfassungen der Herzogthümer findet sich von dieser
Garantie gegen die Willkür der jeweiligen Negierung keine Spur.

Auch das sind nur Necapitulationen bekannter, aber nicht oft genug zu
wiederholender Dinge.

In der dänischen Antwort auf die Beschwerde der deutschen Großmächte
wurde geleugnet, daß Grund zur Klage vorhanden sei, und gleichzeitig wen¬
dete das kopenhagner Cabinet sich an die fremden Großmächte, sprach von
"einer althergebrachten Realunion" der Herzogthümer mit Dänemark, schilderte
seine staatliche Existenz als von Deutschland bedroht und bestritt das Recht
des deutschen Bundes, sich in Verfassungszustande zu mischen, die auch Däne¬
mark angingen. Der Ueberbringer der Antwort nach Berlin und Wien hatte
den Auftrag, mündlich hinzuzufügen, alles Verheißne sei erfüllt worden und
'"an sei außer Stande, die mühsam errungene Verfassung vom Ä. Octobet
nochmals in Frage zu stelle", indeß wolle man insofern nachgeben, als künftig
Domänenverkäufe nur mit einer Majorität von zwei Dritteln im Reichsrath
beschlossen und die holsteinischen Domänen wieder vom Minister für Holstein
verwaltet werden sollten.

sowol von Preußen als von Oestreich wurden diese Zugeständnisse als
unannehmbar zurückgewiesen. Man würdigte das dänische Cabinet keiner wei¬
teren Erwiederung, als der Anzeige, eS habe noch drei Wochen Bedenkzeit,
laufe bann keine befriedigende Anrwort ein, so werde die Angelegenheit an den
Bundestag gebracht werden. Die Frist wurde infolge der seitdem eingetretenen
Ainifterkrisis in Dänemark verlängert. Inzwischen aber mehrten sich die Ar¬
uesen, daß die deutschen Mächte in dieser Sache mit Nachdruck vorgehen
woll,en und können.

Beide Häuser der preußischen Volksvertretung erklärten ihre Ueberzeugung,
daß hier wohlbegründete Rechte verletzt seien und die Pflicht vorliege, kräftig


entferntesten den deutschen Speciallandtagen zugestanden sind. Der dänische
Reichstag ist unverletzlich und besitzt daS vollständige Petitionsrecht, in Däne¬
mark kann ohne Zustimmung des Reichstags keine Steuer auferlegt oder
aufgehoben werden, ist die Presse frei, das Vereinsrecht unbeschränkt,
die Wohnung, das Eigenthum unverletzlich, sind die Gerichte berechtigt, jede
Frage über die obrigkeitliche Gewalt zu entscheiden, die Richter unabsetzbar.
In Schleswig, Holstein, Lauenburg von dem allen nichts, von vielem das
Gegentheil. Die Sicherheit und Freiheit der deutschen Provinziallandtage ist
nicht gewährleistet. In den Herzogtümern werden Richter nach ven Gutdün¬
ken des Ministeriums abgesetzt, die Zeitungen, welche der öffentlichen Meinung
Stimme geben, unterdrückt, sind die Gerichte den Polizeibehörden untergeordnet,
ist jede Vereinigung von Privatleuten schon dann strafbar, wenn sie die Be¬
rathung einer Petition zum Zwecke hat. In Dänemark sind die Minister ver¬
antwortlich, in den Verfassungen der Herzogthümer findet sich von dieser
Garantie gegen die Willkür der jeweiligen Negierung keine Spur.

Auch das sind nur Necapitulationen bekannter, aber nicht oft genug zu
wiederholender Dinge.

In der dänischen Antwort auf die Beschwerde der deutschen Großmächte
wurde geleugnet, daß Grund zur Klage vorhanden sei, und gleichzeitig wen¬
dete das kopenhagner Cabinet sich an die fremden Großmächte, sprach von
»einer althergebrachten Realunion" der Herzogthümer mit Dänemark, schilderte
seine staatliche Existenz als von Deutschland bedroht und bestritt das Recht
des deutschen Bundes, sich in Verfassungszustande zu mischen, die auch Däne¬
mark angingen. Der Ueberbringer der Antwort nach Berlin und Wien hatte
den Auftrag, mündlich hinzuzufügen, alles Verheißne sei erfüllt worden und
'«an sei außer Stande, die mühsam errungene Verfassung vom Ä. Octobet
nochmals in Frage zu stelle», indeß wolle man insofern nachgeben, als künftig
Domänenverkäufe nur mit einer Majorität von zwei Dritteln im Reichsrath
beschlossen und die holsteinischen Domänen wieder vom Minister für Holstein
verwaltet werden sollten.

sowol von Preußen als von Oestreich wurden diese Zugeständnisse als
unannehmbar zurückgewiesen. Man würdigte das dänische Cabinet keiner wei¬
teren Erwiederung, als der Anzeige, eS habe noch drei Wochen Bedenkzeit,
laufe bann keine befriedigende Anrwort ein, so werde die Angelegenheit an den
Bundestag gebracht werden. Die Frist wurde infolge der seitdem eingetretenen
Ainifterkrisis in Dänemark verlängert. Inzwischen aber mehrten sich die Ar¬
uesen, daß die deutschen Mächte in dieser Sache mit Nachdruck vorgehen
woll,en und können.

Beide Häuser der preußischen Volksvertretung erklärten ihre Ueberzeugung,
daß hier wohlbegründete Rechte verletzt seien und die Pflicht vorliege, kräftig


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[0311] entferntesten den deutschen Speciallandtagen zugestanden sind. Der dänische Reichstag ist unverletzlich und besitzt daS vollständige Petitionsrecht, in Däne¬ mark kann ohne Zustimmung des Reichstags keine Steuer auferlegt oder aufgehoben werden, ist die Presse frei, das Vereinsrecht unbeschränkt, die Wohnung, das Eigenthum unverletzlich, sind die Gerichte berechtigt, jede Frage über die obrigkeitliche Gewalt zu entscheiden, die Richter unabsetzbar. In Schleswig, Holstein, Lauenburg von dem allen nichts, von vielem das Gegentheil. Die Sicherheit und Freiheit der deutschen Provinziallandtage ist nicht gewährleistet. In den Herzogtümern werden Richter nach ven Gutdün¬ ken des Ministeriums abgesetzt, die Zeitungen, welche der öffentlichen Meinung Stimme geben, unterdrückt, sind die Gerichte den Polizeibehörden untergeordnet, ist jede Vereinigung von Privatleuten schon dann strafbar, wenn sie die Be¬ rathung einer Petition zum Zwecke hat. In Dänemark sind die Minister ver¬ antwortlich, in den Verfassungen der Herzogthümer findet sich von dieser Garantie gegen die Willkür der jeweiligen Negierung keine Spur. Auch das sind nur Necapitulationen bekannter, aber nicht oft genug zu wiederholender Dinge. In der dänischen Antwort auf die Beschwerde der deutschen Großmächte wurde geleugnet, daß Grund zur Klage vorhanden sei, und gleichzeitig wen¬ dete das kopenhagner Cabinet sich an die fremden Großmächte, sprach von »einer althergebrachten Realunion" der Herzogthümer mit Dänemark, schilderte seine staatliche Existenz als von Deutschland bedroht und bestritt das Recht des deutschen Bundes, sich in Verfassungszustande zu mischen, die auch Däne¬ mark angingen. Der Ueberbringer der Antwort nach Berlin und Wien hatte den Auftrag, mündlich hinzuzufügen, alles Verheißne sei erfüllt worden und '«an sei außer Stande, die mühsam errungene Verfassung vom Ä. Octobet nochmals in Frage zu stelle», indeß wolle man insofern nachgeben, als künftig Domänenverkäufe nur mit einer Majorität von zwei Dritteln im Reichsrath beschlossen und die holsteinischen Domänen wieder vom Minister für Holstein verwaltet werden sollten. sowol von Preußen als von Oestreich wurden diese Zugeständnisse als unannehmbar zurückgewiesen. Man würdigte das dänische Cabinet keiner wei¬ teren Erwiederung, als der Anzeige, eS habe noch drei Wochen Bedenkzeit, laufe bann keine befriedigende Anrwort ein, so werde die Angelegenheit an den Bundestag gebracht werden. Die Frist wurde infolge der seitdem eingetretenen Ainifterkrisis in Dänemark verlängert. Inzwischen aber mehrten sich die Ar¬ uesen, daß die deutschen Mächte in dieser Sache mit Nachdruck vorgehen woll,en und können. Beide Häuser der preußischen Volksvertretung erklärten ihre Ueberzeugung, daß hier wohlbegründete Rechte verletzt seien und die Pflicht vorliege, kräftig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/311>, abgerufen am 01.09.2024.