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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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FrühlingSbeginn Martius hat vom Mars den Namen, dessen Priester, die
Salier, dann ihre vierzehntägiger Umzüge hielten; am 14. März wurde dann
der Mammurius, oskischer Name für den alten Mavors, als ein mit dicken
Häuten behangener Mann umgeführt und mit Stangen geschlagen und ge¬
stoßen. Zugleich begannen an demselben Tage die römischen Wettläufe und
Wettfahrten auf dem Campus Martius. Diese Bräuche leben bei uns noch;
nur ist ein Schimmelreiter aus dem siegenden Helden, und die Gestalt des
Todes, des Strohmannes, der ledernen Frau u. s. w. aus. dem verjagten Win¬
ter geworden. Eine Maiensahrt anstellen, hieß dem Mittelalter überhaupt
Spiel und Lustbarkeit treiben, Hof halten. Wo es dann auch nicht grade zu
eigentlichen Festen kam, da galt dann doch mindestens diese Maienfahrt, sie ver¬
räth sich mit den zufälligsten Aufzeichnungen von Seite selbst unscheinbarer
Landstriche und geringer Orte. In unsern katholischen Landestheilen gilt im
Mai noch die kirchliche Oeschbesegnung und Waidbräucki, eine Einsegnung
der jungen Saaten; in den reformirten besteht die Bannbeschreitung, und bei¬
des in kirchlicher oder militärisch geordneter Procession vor sich gehend. Der
Städter, der zum ersten Mal wieder im Weinberg und Gartenhause nachsieht,
nennt dies das Maienhäuseln. Die Laufspiele, Wettritte, Laubvermummun-
gen, Scheingefechte, die dabei jetzt noch von den Erwachsenen auf den Dör¬
fern und von den Kindern der Städter in Schwaben mit aufgeführt werden,
schildert E. Meier, Schwäb. Sagen.

Der Bauer Jost von Brächershausen erzählt, in seiner 1653 über de"
Bauernkrieg verfaßten Chronik, vom Leben der emmenthaler Landleute um die
Stadt Burgdorf also. Die Dörfer Wyningen und Affoltern hielten zur Maien¬
zeit einen "Schimpfkrieg" ab, die ganze Mannschaft zog bewaffnet zu Fuß
und Roß unter ihren Ortssahnen auf das Oberfeld und scharmuzirte anein-
der. Dann zogen sie Paar um Paar, je ein Wyninger und Affoltrer zusam¬
men ins Dorf zurück, wurden da vom Ammann mit einer Bewillkommnungs-
rede empfangen und kostenfrei bewirthet. Dann geschah acht Tage darauf
dasselbe zu Affoltern. Daß solcher Brauch unter der Bauernsame auch früher
ziemlich allgemein gegolten hat und noch bis in unsre Gegenwart hineinreicht,
ist so bekannt, baß es hier statt der Beweisführung nur einiger redenden Bei¬
spiele bedarf. Im Entlebuch wurde am Hirsmontag der Hirsmontagöschwung
abgehalten, welchen Pfarrer Stalder von Escholzmatt (Fragmente über das
Entlebuch) so ausführlich beschrieben hat. Es war ein Scheingefecht, das
nachdrucksam und unter großem Pomp theils um Fastnacht, theils um Mai
und Ostern, auch um Pfingsten militärisch abgehalten wurde zwischen ver¬
schiedenen Thalschaften und Ortschaften. Ein solches Gefecht pflegten auch
die luzerner Nachbarorte Knutwil und Büren sich alljährlich zu liefern; die
Kriegsankündigung geschah in Knittelversen, ein großer Schmaus vereinte


FrühlingSbeginn Martius hat vom Mars den Namen, dessen Priester, die
Salier, dann ihre vierzehntägiger Umzüge hielten; am 14. März wurde dann
der Mammurius, oskischer Name für den alten Mavors, als ein mit dicken
Häuten behangener Mann umgeführt und mit Stangen geschlagen und ge¬
stoßen. Zugleich begannen an demselben Tage die römischen Wettläufe und
Wettfahrten auf dem Campus Martius. Diese Bräuche leben bei uns noch;
nur ist ein Schimmelreiter aus dem siegenden Helden, und die Gestalt des
Todes, des Strohmannes, der ledernen Frau u. s. w. aus. dem verjagten Win¬
ter geworden. Eine Maiensahrt anstellen, hieß dem Mittelalter überhaupt
Spiel und Lustbarkeit treiben, Hof halten. Wo es dann auch nicht grade zu
eigentlichen Festen kam, da galt dann doch mindestens diese Maienfahrt, sie ver¬
räth sich mit den zufälligsten Aufzeichnungen von Seite selbst unscheinbarer
Landstriche und geringer Orte. In unsern katholischen Landestheilen gilt im
Mai noch die kirchliche Oeschbesegnung und Waidbräucki, eine Einsegnung
der jungen Saaten; in den reformirten besteht die Bannbeschreitung, und bei¬
des in kirchlicher oder militärisch geordneter Procession vor sich gehend. Der
Städter, der zum ersten Mal wieder im Weinberg und Gartenhause nachsieht,
nennt dies das Maienhäuseln. Die Laufspiele, Wettritte, Laubvermummun-
gen, Scheingefechte, die dabei jetzt noch von den Erwachsenen auf den Dör¬
fern und von den Kindern der Städter in Schwaben mit aufgeführt werden,
schildert E. Meier, Schwäb. Sagen.

Der Bauer Jost von Brächershausen erzählt, in seiner 1653 über de»
Bauernkrieg verfaßten Chronik, vom Leben der emmenthaler Landleute um die
Stadt Burgdorf also. Die Dörfer Wyningen und Affoltern hielten zur Maien¬
zeit einen „Schimpfkrieg" ab, die ganze Mannschaft zog bewaffnet zu Fuß
und Roß unter ihren Ortssahnen auf das Oberfeld und scharmuzirte anein-
der. Dann zogen sie Paar um Paar, je ein Wyninger und Affoltrer zusam¬
men ins Dorf zurück, wurden da vom Ammann mit einer Bewillkommnungs-
rede empfangen und kostenfrei bewirthet. Dann geschah acht Tage darauf
dasselbe zu Affoltern. Daß solcher Brauch unter der Bauernsame auch früher
ziemlich allgemein gegolten hat und noch bis in unsre Gegenwart hineinreicht,
ist so bekannt, baß es hier statt der Beweisführung nur einiger redenden Bei¬
spiele bedarf. Im Entlebuch wurde am Hirsmontag der Hirsmontagöschwung
abgehalten, welchen Pfarrer Stalder von Escholzmatt (Fragmente über das
Entlebuch) so ausführlich beschrieben hat. Es war ein Scheingefecht, das
nachdrucksam und unter großem Pomp theils um Fastnacht, theils um Mai
und Ostern, auch um Pfingsten militärisch abgehalten wurde zwischen ver¬
schiedenen Thalschaften und Ortschaften. Ein solches Gefecht pflegten auch
die luzerner Nachbarorte Knutwil und Büren sich alljährlich zu liefern; die
Kriegsankündigung geschah in Knittelversen, ein großer Schmaus vereinte


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[0274] FrühlingSbeginn Martius hat vom Mars den Namen, dessen Priester, die Salier, dann ihre vierzehntägiger Umzüge hielten; am 14. März wurde dann der Mammurius, oskischer Name für den alten Mavors, als ein mit dicken Häuten behangener Mann umgeführt und mit Stangen geschlagen und ge¬ stoßen. Zugleich begannen an demselben Tage die römischen Wettläufe und Wettfahrten auf dem Campus Martius. Diese Bräuche leben bei uns noch; nur ist ein Schimmelreiter aus dem siegenden Helden, und die Gestalt des Todes, des Strohmannes, der ledernen Frau u. s. w. aus. dem verjagten Win¬ ter geworden. Eine Maiensahrt anstellen, hieß dem Mittelalter überhaupt Spiel und Lustbarkeit treiben, Hof halten. Wo es dann auch nicht grade zu eigentlichen Festen kam, da galt dann doch mindestens diese Maienfahrt, sie ver¬ räth sich mit den zufälligsten Aufzeichnungen von Seite selbst unscheinbarer Landstriche und geringer Orte. In unsern katholischen Landestheilen gilt im Mai noch die kirchliche Oeschbesegnung und Waidbräucki, eine Einsegnung der jungen Saaten; in den reformirten besteht die Bannbeschreitung, und bei¬ des in kirchlicher oder militärisch geordneter Procession vor sich gehend. Der Städter, der zum ersten Mal wieder im Weinberg und Gartenhause nachsieht, nennt dies das Maienhäuseln. Die Laufspiele, Wettritte, Laubvermummun- gen, Scheingefechte, die dabei jetzt noch von den Erwachsenen auf den Dör¬ fern und von den Kindern der Städter in Schwaben mit aufgeführt werden, schildert E. Meier, Schwäb. Sagen. Der Bauer Jost von Brächershausen erzählt, in seiner 1653 über de» Bauernkrieg verfaßten Chronik, vom Leben der emmenthaler Landleute um die Stadt Burgdorf also. Die Dörfer Wyningen und Affoltern hielten zur Maien¬ zeit einen „Schimpfkrieg" ab, die ganze Mannschaft zog bewaffnet zu Fuß und Roß unter ihren Ortssahnen auf das Oberfeld und scharmuzirte anein- der. Dann zogen sie Paar um Paar, je ein Wyninger und Affoltrer zusam¬ men ins Dorf zurück, wurden da vom Ammann mit einer Bewillkommnungs- rede empfangen und kostenfrei bewirthet. Dann geschah acht Tage darauf dasselbe zu Affoltern. Daß solcher Brauch unter der Bauernsame auch früher ziemlich allgemein gegolten hat und noch bis in unsre Gegenwart hineinreicht, ist so bekannt, baß es hier statt der Beweisführung nur einiger redenden Bei¬ spiele bedarf. Im Entlebuch wurde am Hirsmontag der Hirsmontagöschwung abgehalten, welchen Pfarrer Stalder von Escholzmatt (Fragmente über das Entlebuch) so ausführlich beschrieben hat. Es war ein Scheingefecht, das nachdrucksam und unter großem Pomp theils um Fastnacht, theils um Mai und Ostern, auch um Pfingsten militärisch abgehalten wurde zwischen ver¬ schiedenen Thalschaften und Ortschaften. Ein solches Gefecht pflegten auch die luzerner Nachbarorte Knutwil und Büren sich alljährlich zu liefern; die Kriegsankündigung geschah in Knittelversen, ein großer Schmaus vereinte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/274>, abgerufen am 28.07.2024.