Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.kein Ausdruck der höchsten Staatsweisheit, keine Partei hält ihn dafür, aber er Gewiß ist es ein Unglück für Preußen gewesen, daß man die Bildung Gewiß ist die Verfassung, die wir haben, sehr unvollkommen; es wird sich Es ist merkwürdig, daß wir einem Schriftsteller, dem wir fast in allen Grenzboten. II. 18ö7. 33
kein Ausdruck der höchsten Staatsweisheit, keine Partei hält ihn dafür, aber er Gewiß ist es ein Unglück für Preußen gewesen, daß man die Bildung Gewiß ist die Verfassung, die wir haben, sehr unvollkommen; es wird sich Es ist merkwürdig, daß wir einem Schriftsteller, dem wir fast in allen Grenzboten. II. 18ö7. 33
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kein Ausdruck der höchsten Staatsweisheit, keine Partei hält ihn dafür, aber er
ist doch ein wesentlicher Fortschritt gegen den Wahlmodus der Provinzial-
stände und hat als vermittelnder Uebergang zur Bildung einer parlamentarischen
Gentry (um diesen Ausdruck beizubehalten) einigen Sinn. Der schroffe Gegen¬
satz, den die Nationalversammlung von -1848 gegen die bisherigen Zustände
Preußens bildete, konnte zu keinem gedeihlichen Resultat führen.
Gewiß ist es ein Unglück für Preußen gewesen, daß man die Bildung
korporativer Verbände im liberalen Sinn, mit der man 1808 einen so gedeih¬
lichen Anfang machte, später wieder fallen ließ. Gewiß ist es, daß man wieder
dazu zurückkehren muß, wenn die Verfassung einen festen Boden gewinnen soll;
'N diesem Augenblick aber müssen wir noch der natürlichen Gegenwirkung Rech¬
nung tragen > die das Uebermaß der Demokratisirung in den Plänen der Ge¬
meindeordnung aus dem Jahr 1848 nach sich gezogen hat. Die Schöpfungen,
d>e von der äußersten Rechten influirt werden, von jener Partei, die nach
ihrer eignen Erklärung aus eine Jmmobilisirung des Capitals ausgeht, sind
Zwar für den Augenblick störend genug, sie dürfen aber für die Zukunft keine
Besorgniß einflößen, denn sie sind nur für die Presse, nicht für das praktische
Leben gedacht, und was die Hauptsache ist, auf eine allmälige Bildung corpo-
rativer Verbände ist innerhalb der constitutionellen Verfassung eher zu rechnen,
als nach Aufhebung derselben.
Gewiß ist die Verfassung, die wir haben, sehr unvollkommen; es wird sich
nun zeigen, ob das Volk, alle Classen mit einbegriffen, elastisch und standhaft
genug ist, diese Unvollkommenheiten, mit der jede Verfassung anfängt, zu er¬
gänzen, ob in dem Adel der Patriotismus über das ständische Sonderinteresse,
°b in dem Bürgerthum der ideale Sinn über die materiellen Gesichtspunkte
Herr wird. Ein Prophet kann man hier nicht sein, zumal vieles von äu¬
ßern Umständen abhängt. Preußen ist kein Staat für sich wie England,
es ist ein integrirender Theil des deutschen Bundes. Wenn hier seine Heer¬
verfassung einen wichtigen Druck ausübt, so kann man das von seinem parla¬
mentarischen Leben nicht minder behaupten, und die Art und Weise, wie die
Negierung sich zu den übrigen Bundesgliedcrn stellt, wird auch für das innere
Leben des Staats maßgebend sein. Auf alle Fälle ist auch hier die Verfassung
für eine kräftige Negierung, die ihre Aufgabe versteht, eine brauchbare Waffe
«ach außen hin, für eine thörichte Regierung ein Hemmschuh.
Es ist merkwürdig, daß wir einem Schriftsteller, dem wir fast in allen
Punkten die reichste Belehrung verdanken, und der nicht nur mit tiefem Stu¬
dium, sondern auch,mit warmer Liebe zur Sache an sein Werk gegangen ist,
in der Hauptsache so entschieden widersprechen müssen, ja wir möchten an ihm
denselben Fehler hervorheben, den er an seinen Gegnern rügt. Er tadelt diese,
daß sie die englische Verfassung aus Verhältnisse anwenden wollen, die den
Grenzboten. II. 18ö7. 33
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