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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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getragen und dieses nun abgeworfen hat, nicht im ersten Augenblick so der
Fall ist, wie es zu wünschen wäre, ist natürlich, eS muß eben auch dies gelernt
und durch Angewöhnung befestigt werden. Einen einzelnen Beweis dafür, daß
der Grieche durchaus nicht ohne Anlage für gesetzliche Unterordnung und Dis¬
ciplin ist, liefert daS Gendarmeriecorps, das nach dem allgemeinen Urtheil bis
1863 wirklich musterhaft gewesen sein soll, voll Treue, Eifer und Ergebenheit.
Auch nachher war eS noch tüchtig, obwol in Folge der veränderten Verhältnisse
nicht mehr so gut als früher; jetzt, hat man mich versichert, sei eS wieder aus¬
gezeichnet. Noch viel entschiedener aber spricht für den politischen Takt des
Volks die, ausgenommen bei einigen wenigen Werkzeugen des Auslandes, all¬
gemeine Anhänglichkeit an das Königthum und an den König, welche ich durch¬
weg vorgefunden habe, auch bei solchen Personen, die mit dem Gange der
Dinge sehr unzufrieden waren, indem alle anerkannten, daß nur das König¬
thum eine Gewähr für die Ruhe und Einigkeit des Landes gebe. Man hat
von vornherein den griechischen Staat nur zu halber Lebensfähigkeit geschaffen
und ihm ungenügende Grenzen gegeben, und selbst in diesem engen Kreise hat
man ihn sich nicht frei bewegen lassen, sondern ihn von allen Seiten gedrängt
und gehetzt, ordentlich als hätte man zeigen wollen, welch ein Unglück eS für
einen kleinen Staat ist, unter der Obhut sogenannter Schutzmächte zu stehen.
Nußland wollte nur die Türkei schwächen und die eigne Herrschaft vorbereiten,
darum sollte sich kein andres Centrum sür die christliche Bevölkerung im Oriente
consolidiren. England wollte die Türkei halten, damit ein möglichst indolentes
Volk ihm den Handel im Orient lasse und keine Seemacht sich dort bilde; eS
fürchtet die nautische Tüchtigkeit der Griechen. Nur Frankreich, wie zu seiner
Ehre gesagt werden muß, hat bis vor wenigen Jahren unter den verschiedensten
Regierungen von der Restauration bis zur Republik den kleinen Staat wohl¬
wollend behandelt. Eine mit den Bedürfnissen des Landes wenig vertraute
Regentschaft trat nach Capo d'JstriaS Tod, von Mißtrauen umgeben und viel¬
fach gehemmt, an die Spitze. Bedeutende Mißgriffe konnten nicht vermieden
werden. Unter schwierigen Verhältnissen übernahm der junge König die Negie¬
rung. Und doch begann das Land allmälig sich von den schweren Leiden des
Krieges zu erholen^ die Parteiungen fingen an sich zu legen, neue Ortschaften
entstanden, der Handel nahm einen großen Ausschwung, täglich wuchs die
Handelsmarine, die Bildungsanstalten, durch großartige Schenkungen reicher
Patrioten gefördert oder gestiftet, blühten auf, der Zustand der Finanzen wurde
geordnet und die Hilfsquellen des Staates flössen von Jahr zu Jahr reichlicher.
Da setzte die durch auswärtige Intriguen angezettelte Revolution vom Sep¬
tember 18i3 wieder alles in Frage. Sie trieb unter dem Vorgeben, die Na¬
tionalität zu schirmen, fast alle angestellten Fremden aus dem Lande und brachte
dem Volke, das vor allem eine feste Regierung brauchte, eine ganz andere


getragen und dieses nun abgeworfen hat, nicht im ersten Augenblick so der
Fall ist, wie es zu wünschen wäre, ist natürlich, eS muß eben auch dies gelernt
und durch Angewöhnung befestigt werden. Einen einzelnen Beweis dafür, daß
der Grieche durchaus nicht ohne Anlage für gesetzliche Unterordnung und Dis¬
ciplin ist, liefert daS Gendarmeriecorps, das nach dem allgemeinen Urtheil bis
1863 wirklich musterhaft gewesen sein soll, voll Treue, Eifer und Ergebenheit.
Auch nachher war eS noch tüchtig, obwol in Folge der veränderten Verhältnisse
nicht mehr so gut als früher; jetzt, hat man mich versichert, sei eS wieder aus¬
gezeichnet. Noch viel entschiedener aber spricht für den politischen Takt des
Volks die, ausgenommen bei einigen wenigen Werkzeugen des Auslandes, all¬
gemeine Anhänglichkeit an das Königthum und an den König, welche ich durch¬
weg vorgefunden habe, auch bei solchen Personen, die mit dem Gange der
Dinge sehr unzufrieden waren, indem alle anerkannten, daß nur das König¬
thum eine Gewähr für die Ruhe und Einigkeit des Landes gebe. Man hat
von vornherein den griechischen Staat nur zu halber Lebensfähigkeit geschaffen
und ihm ungenügende Grenzen gegeben, und selbst in diesem engen Kreise hat
man ihn sich nicht frei bewegen lassen, sondern ihn von allen Seiten gedrängt
und gehetzt, ordentlich als hätte man zeigen wollen, welch ein Unglück eS für
einen kleinen Staat ist, unter der Obhut sogenannter Schutzmächte zu stehen.
Nußland wollte nur die Türkei schwächen und die eigne Herrschaft vorbereiten,
darum sollte sich kein andres Centrum sür die christliche Bevölkerung im Oriente
consolidiren. England wollte die Türkei halten, damit ein möglichst indolentes
Volk ihm den Handel im Orient lasse und keine Seemacht sich dort bilde; eS
fürchtet die nautische Tüchtigkeit der Griechen. Nur Frankreich, wie zu seiner
Ehre gesagt werden muß, hat bis vor wenigen Jahren unter den verschiedensten
Regierungen von der Restauration bis zur Republik den kleinen Staat wohl¬
wollend behandelt. Eine mit den Bedürfnissen des Landes wenig vertraute
Regentschaft trat nach Capo d'JstriaS Tod, von Mißtrauen umgeben und viel¬
fach gehemmt, an die Spitze. Bedeutende Mißgriffe konnten nicht vermieden
werden. Unter schwierigen Verhältnissen übernahm der junge König die Negie¬
rung. Und doch begann das Land allmälig sich von den schweren Leiden des
Krieges zu erholen^ die Parteiungen fingen an sich zu legen, neue Ortschaften
entstanden, der Handel nahm einen großen Ausschwung, täglich wuchs die
Handelsmarine, die Bildungsanstalten, durch großartige Schenkungen reicher
Patrioten gefördert oder gestiftet, blühten auf, der Zustand der Finanzen wurde
geordnet und die Hilfsquellen des Staates flössen von Jahr zu Jahr reichlicher.
Da setzte die durch auswärtige Intriguen angezettelte Revolution vom Sep¬
tember 18i3 wieder alles in Frage. Sie trieb unter dem Vorgeben, die Na¬
tionalität zu schirmen, fast alle angestellten Fremden aus dem Lande und brachte
dem Volke, das vor allem eine feste Regierung brauchte, eine ganz andere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/244>, abgerufen am 01.09.2024.