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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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liebster Arbeit, welche ihr ehemaliger Bewohner Cardinal Eitel Friedrich aus
Italien heimgebracht hatte. In der Schloßkapelle, die wenig Alterthümliches
besaß, war ein großer Reliquienkasten mit wunderthätigen Gebeinen, der all¬
jährlich am Meinradstage den Andächtigen zum Küssen gereicht wurde, auch
wurde in ihr am Se. Martinsvorabend zum Andenken der Schwedenzeit, in
welcher ein Theil des Schlosses abbrannte, ein Rosenkranz gebetet. Der
Zugang zu dem kleinen Oratorium des Fürsten lag in einem Zwischenstock, in
welchem die Lakaien hausten, und der von einem eigenthümlichen Duft von Weih¬
rauch und Stiefelschmiere angefüllt, auch eine Hirschkuh beherbergte, die frei
im Schlosse umherwandern durfte.

Mit einiger Kenntniß mittelalterlicher Bauwerke konnte man sich leicht
die ursprüngliche Gestalt der Burg vergegenwärtigen, indem man sich mehre
neue Anhängsel wegdachte, wozu besonders ein Corps de Logis gehörte,
d"s den ehemaligen Aufgang zu derselben, der über eine Zugbrücke zwischen
Zwei Thürmen steil emporführte, überbaute. Oben steht ein mächtiger viereckiger
Thurm, der über den . Neubau emporragt, und in verschiedenen Stockwerken
feste gewölbte Gemächer enthält. Dies ist wol der älteste Theil deS ganzen
Baucompleres, einer jener Signalthürme, wie wir sie in allen Flußthälern
Süddeutschlands in beinahe gleichmäßigen Entfernungen, aus Bossoquadern
aufgeführt, finden- Um solche Thürme schössen krystallartig in späterer Zeit
größere und kleinere Edelsche an. Erst bei diesem Thurme, dem die Schloß-
Wartsbehausung gegenüber liegt, öffnet sich daS innere Burgthor, und der weite
Schloßhof, der, auf drei Seiten von Gebäuden umgeben, gegen Süden eine
mächtige Terrasse bildet, die von riesenhaften Gewölben gestützt ist,, in welchen
ehedem ti" Pferdeställe und Vorrathskammern waren. Eine große Halle für
das Gesinde liegt seitwärts deS Thores, wo alltäglich das niedere Dienst¬
personal mio zahlreichen! Armen, deren jeder, einen Topf mit Abhub erhielt,.,.ge¬
speist wurde. Ein Stockwerk höher war das Speisezimmer für den Kammer-
Usch, an welchem das Dienstpersonal, Köche, Kammerdiener, Hausmeisterin,
nebst angehenden Beamten bis zum Rathe hinauf ihre LeibeSnahrung fanden.

Dos Tafelzimmer des Fürsten machte einen Theil seiner Wohnung aus,
die aus vier Gemächern bestand und über der Kapelle lag. Im Vorzimmer
schlief der Leibjäger oder Büchsenspanner, dann kam das Schlafcabinet, in
welchem zur Zeit deS fürstlichen Vorgängers auch der Hofjude schlafen mußte.
Auf dieses nicht sehr geräumige-Gemach folgte daS Staats - und Empfangs¬
zimmer mit einer riesigen Walzenuhr, und dann der Speisesaal.

Der übrige Theil des Schlosses enthielt große Räumlichkeiten für Fremde,
den Hofstaat aus einem Jägermeister, einem Stallmeister und Hoskaplan be¬
sehend, der ebensogut ein Hallali als ein Hochamt zu intoniren verstand,
"nige wenige weibliche und desto zahlreichere männliche Bedienung , unter der


Grenzboten. II. -1867. , 28

liebster Arbeit, welche ihr ehemaliger Bewohner Cardinal Eitel Friedrich aus
Italien heimgebracht hatte. In der Schloßkapelle, die wenig Alterthümliches
besaß, war ein großer Reliquienkasten mit wunderthätigen Gebeinen, der all¬
jährlich am Meinradstage den Andächtigen zum Küssen gereicht wurde, auch
wurde in ihr am Se. Martinsvorabend zum Andenken der Schwedenzeit, in
welcher ein Theil des Schlosses abbrannte, ein Rosenkranz gebetet. Der
Zugang zu dem kleinen Oratorium des Fürsten lag in einem Zwischenstock, in
welchem die Lakaien hausten, und der von einem eigenthümlichen Duft von Weih¬
rauch und Stiefelschmiere angefüllt, auch eine Hirschkuh beherbergte, die frei
im Schlosse umherwandern durfte.

Mit einiger Kenntniß mittelalterlicher Bauwerke konnte man sich leicht
die ursprüngliche Gestalt der Burg vergegenwärtigen, indem man sich mehre
neue Anhängsel wegdachte, wozu besonders ein Corps de Logis gehörte,
d»s den ehemaligen Aufgang zu derselben, der über eine Zugbrücke zwischen
Zwei Thürmen steil emporführte, überbaute. Oben steht ein mächtiger viereckiger
Thurm, der über den . Neubau emporragt, und in verschiedenen Stockwerken
feste gewölbte Gemächer enthält. Dies ist wol der älteste Theil deS ganzen
Baucompleres, einer jener Signalthürme, wie wir sie in allen Flußthälern
Süddeutschlands in beinahe gleichmäßigen Entfernungen, aus Bossoquadern
aufgeführt, finden- Um solche Thürme schössen krystallartig in späterer Zeit
größere und kleinere Edelsche an. Erst bei diesem Thurme, dem die Schloß-
Wartsbehausung gegenüber liegt, öffnet sich daS innere Burgthor, und der weite
Schloßhof, der, auf drei Seiten von Gebäuden umgeben, gegen Süden eine
mächtige Terrasse bildet, die von riesenhaften Gewölben gestützt ist,, in welchen
ehedem ti« Pferdeställe und Vorrathskammern waren. Eine große Halle für
das Gesinde liegt seitwärts deS Thores, wo alltäglich das niedere Dienst¬
personal mio zahlreichen! Armen, deren jeder, einen Topf mit Abhub erhielt,.,.ge¬
speist wurde. Ein Stockwerk höher war das Speisezimmer für den Kammer-
Usch, an welchem das Dienstpersonal, Köche, Kammerdiener, Hausmeisterin,
nebst angehenden Beamten bis zum Rathe hinauf ihre LeibeSnahrung fanden.

Dos Tafelzimmer des Fürsten machte einen Theil seiner Wohnung aus,
die aus vier Gemächern bestand und über der Kapelle lag. Im Vorzimmer
schlief der Leibjäger oder Büchsenspanner, dann kam das Schlafcabinet, in
welchem zur Zeit deS fürstlichen Vorgängers auch der Hofjude schlafen mußte.
Auf dieses nicht sehr geräumige-Gemach folgte daS Staats - und Empfangs¬
zimmer mit einer riesigen Walzenuhr, und dann der Speisesaal.

Der übrige Theil des Schlosses enthielt große Räumlichkeiten für Fremde,
den Hofstaat aus einem Jägermeister, einem Stallmeister und Hoskaplan be¬
sehend, der ebensogut ein Hallali als ein Hochamt zu intoniren verstand,
"nige wenige weibliche und desto zahlreichere männliche Bedienung , unter der


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[0225] liebster Arbeit, welche ihr ehemaliger Bewohner Cardinal Eitel Friedrich aus Italien heimgebracht hatte. In der Schloßkapelle, die wenig Alterthümliches besaß, war ein großer Reliquienkasten mit wunderthätigen Gebeinen, der all¬ jährlich am Meinradstage den Andächtigen zum Küssen gereicht wurde, auch wurde in ihr am Se. Martinsvorabend zum Andenken der Schwedenzeit, in welcher ein Theil des Schlosses abbrannte, ein Rosenkranz gebetet. Der Zugang zu dem kleinen Oratorium des Fürsten lag in einem Zwischenstock, in welchem die Lakaien hausten, und der von einem eigenthümlichen Duft von Weih¬ rauch und Stiefelschmiere angefüllt, auch eine Hirschkuh beherbergte, die frei im Schlosse umherwandern durfte. Mit einiger Kenntniß mittelalterlicher Bauwerke konnte man sich leicht die ursprüngliche Gestalt der Burg vergegenwärtigen, indem man sich mehre neue Anhängsel wegdachte, wozu besonders ein Corps de Logis gehörte, d»s den ehemaligen Aufgang zu derselben, der über eine Zugbrücke zwischen Zwei Thürmen steil emporführte, überbaute. Oben steht ein mächtiger viereckiger Thurm, der über den . Neubau emporragt, und in verschiedenen Stockwerken feste gewölbte Gemächer enthält. Dies ist wol der älteste Theil deS ganzen Baucompleres, einer jener Signalthürme, wie wir sie in allen Flußthälern Süddeutschlands in beinahe gleichmäßigen Entfernungen, aus Bossoquadern aufgeführt, finden- Um solche Thürme schössen krystallartig in späterer Zeit größere und kleinere Edelsche an. Erst bei diesem Thurme, dem die Schloß- Wartsbehausung gegenüber liegt, öffnet sich daS innere Burgthor, und der weite Schloßhof, der, auf drei Seiten von Gebäuden umgeben, gegen Süden eine mächtige Terrasse bildet, die von riesenhaften Gewölben gestützt ist,, in welchen ehedem ti« Pferdeställe und Vorrathskammern waren. Eine große Halle für das Gesinde liegt seitwärts deS Thores, wo alltäglich das niedere Dienst¬ personal mio zahlreichen! Armen, deren jeder, einen Topf mit Abhub erhielt,.,.ge¬ speist wurde. Ein Stockwerk höher war das Speisezimmer für den Kammer- Usch, an welchem das Dienstpersonal, Köche, Kammerdiener, Hausmeisterin, nebst angehenden Beamten bis zum Rathe hinauf ihre LeibeSnahrung fanden. Dos Tafelzimmer des Fürsten machte einen Theil seiner Wohnung aus, die aus vier Gemächern bestand und über der Kapelle lag. Im Vorzimmer schlief der Leibjäger oder Büchsenspanner, dann kam das Schlafcabinet, in welchem zur Zeit deS fürstlichen Vorgängers auch der Hofjude schlafen mußte. Auf dieses nicht sehr geräumige-Gemach folgte daS Staats - und Empfangs¬ zimmer mit einer riesigen Walzenuhr, und dann der Speisesaal. Der übrige Theil des Schlosses enthielt große Räumlichkeiten für Fremde, den Hofstaat aus einem Jägermeister, einem Stallmeister und Hoskaplan be¬ sehend, der ebensogut ein Hallali als ein Hochamt zu intoniren verstand, "nige wenige weibliche und desto zahlreichere männliche Bedienung , unter der Grenzboten. II. -1867. , 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/225>, abgerufen am 01.09.2024.