Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Handelsplätze bestimmt, da ist zu erfahren, wie der Piaster, der Dollar, die
Mark fein Silber oder irgend einwandere für Hamburg wichtige Geldvalute
besser oder schlechter als die in ihrem Silbergehalt so unumstößliche Mark
Bank" steht. Mag dann auch dieser oder jener die großgeschriebenen Zahlen
mit bedenklichem Kopfschütteln betrachten, der Cours ist da und läßt nicht wei¬
ter mit sich disputiren.

Als Verwaltungsbehörde übt die Commerzdeputation die hohe und nie¬
dere Polizei an der Börse aus und hat dazu ihre eigenen Beamten. Kein
anderer Diener der Polizei oder der Gerichte ist in den Räumen der Börse
mehr als ein gewöhnlicher Mensch und Geschäftsmann, falls ihn einmal auch
die Lust erfaßte, hier Geld verdienen zu wollen, und er dürfte es sich wahr¬
lich nicht unterfangen, die Börsenbesucher zu belästigen und zu beaufsichtigen,
ob sie etwa in schlechter Gesinnung die Course fallen lassen, ob sie Schein¬
geschäfte begehen oder ganz und gar verbrecherisch als Pfuschmäkler Geschäfte
vermitteln wollen. Die Hamburger Börse ist ein hochbefriebeter Ort, der keine
Störungen und Einmischungen duldet. Wehe dem unglücklichen Börsenbesucher,
den etwa der Aerger über einen erlittenen Verlust oder der verhaßte Anblick
eines glücklichen Concurrenten zu der leisesten Thätlichkeit oder einer inhalts¬
schweren Injurie verleitet. Löbliche Commerzdeputativn wird sicher nicht ver¬
fehlen, ihn in eine nach Hunderten von Mark berechnete Ordnungsstrafe zu
nehmen und dem Gegner noch dazu die Injurienklage vorbehalten. Zuweilen
übt die Börse eigenhändig ihre Lynchjustiz aus, wenn das Verbrechen zu
flagrant war oder wenn ein noch nicht mit Handelsfreiheit begnadigter Ban¬
krotteur sich erblicken läßt. Mit ernstem Unwillen schiebt Nachbar auf Nach¬
bar den Sünder bis zur nächsten Thür, allwo er seinen weiten Weg selber
suchen mag. Solche Scenen gehören indeß zu den sehr, sehr großen Selten¬
heiten, während Vorgänge, wie sie die Zeitungen vor einiger Zeit aus der
berliner Börse berichteten, an der Hamburger Börse gradezu unmöglich wären.

Nur die im Interesse der Börse ausgeübte Criminalpolizei hat sich das
aus Senatsmitgliedern bestehende Obergericht selbst vorbehalten. An und für
steh ist in den Augen des Kaufmanns der Bankrott mehr ein Unglück als
ein Verbrechen; sollte aber ein Gemeinschuldner es sich beikommen lassen,
Hamburg auf Nimmerwiedersehen zu verlassen, auch auf erlassene Edictalcitation
Nicht heimkehren, dann wird derselbe vom Obergericht auf Antrag üsealis in
eruuwallbus für einen "böswilligen Falkner" erklärt, sein Name unter Läu¬
ten der "Schandglocke" von Henkershand an ein schauerliches schwarzes Gal¬
gengerüste angeheftet und sodann zum ewigen herostratischen Andenken in eine
schwarze, Eingangs zur Börse aufgehängte Schandtafel eingetragen. Solche
Register von schuldbelastetem Sündern gibt es bereits mehre. Das Galgen¬
gerüste wird außerhalb der Börse für jeden einzelnen Fall ausgeschlagen.


Grenzboten. II. <8ü7. 2S

Handelsplätze bestimmt, da ist zu erfahren, wie der Piaster, der Dollar, die
Mark fein Silber oder irgend einwandere für Hamburg wichtige Geldvalute
besser oder schlechter als die in ihrem Silbergehalt so unumstößliche Mark
Bank» steht. Mag dann auch dieser oder jener die großgeschriebenen Zahlen
mit bedenklichem Kopfschütteln betrachten, der Cours ist da und läßt nicht wei¬
ter mit sich disputiren.

Als Verwaltungsbehörde übt die Commerzdeputation die hohe und nie¬
dere Polizei an der Börse aus und hat dazu ihre eigenen Beamten. Kein
anderer Diener der Polizei oder der Gerichte ist in den Räumen der Börse
mehr als ein gewöhnlicher Mensch und Geschäftsmann, falls ihn einmal auch
die Lust erfaßte, hier Geld verdienen zu wollen, und er dürfte es sich wahr¬
lich nicht unterfangen, die Börsenbesucher zu belästigen und zu beaufsichtigen,
ob sie etwa in schlechter Gesinnung die Course fallen lassen, ob sie Schein¬
geschäfte begehen oder ganz und gar verbrecherisch als Pfuschmäkler Geschäfte
vermitteln wollen. Die Hamburger Börse ist ein hochbefriebeter Ort, der keine
Störungen und Einmischungen duldet. Wehe dem unglücklichen Börsenbesucher,
den etwa der Aerger über einen erlittenen Verlust oder der verhaßte Anblick
eines glücklichen Concurrenten zu der leisesten Thätlichkeit oder einer inhalts¬
schweren Injurie verleitet. Löbliche Commerzdeputativn wird sicher nicht ver¬
fehlen, ihn in eine nach Hunderten von Mark berechnete Ordnungsstrafe zu
nehmen und dem Gegner noch dazu die Injurienklage vorbehalten. Zuweilen
übt die Börse eigenhändig ihre Lynchjustiz aus, wenn das Verbrechen zu
flagrant war oder wenn ein noch nicht mit Handelsfreiheit begnadigter Ban¬
krotteur sich erblicken läßt. Mit ernstem Unwillen schiebt Nachbar auf Nach¬
bar den Sünder bis zur nächsten Thür, allwo er seinen weiten Weg selber
suchen mag. Solche Scenen gehören indeß zu den sehr, sehr großen Selten¬
heiten, während Vorgänge, wie sie die Zeitungen vor einiger Zeit aus der
berliner Börse berichteten, an der Hamburger Börse gradezu unmöglich wären.

Nur die im Interesse der Börse ausgeübte Criminalpolizei hat sich das
aus Senatsmitgliedern bestehende Obergericht selbst vorbehalten. An und für
steh ist in den Augen des Kaufmanns der Bankrott mehr ein Unglück als
ein Verbrechen; sollte aber ein Gemeinschuldner es sich beikommen lassen,
Hamburg auf Nimmerwiedersehen zu verlassen, auch auf erlassene Edictalcitation
Nicht heimkehren, dann wird derselbe vom Obergericht auf Antrag üsealis in
eruuwallbus für einen „böswilligen Falkner" erklärt, sein Name unter Läu¬
ten der „Schandglocke" von Henkershand an ein schauerliches schwarzes Gal¬
gengerüste angeheftet und sodann zum ewigen herostratischen Andenken in eine
schwarze, Eingangs zur Börse aufgehängte Schandtafel eingetragen. Solche
Register von schuldbelastetem Sündern gibt es bereits mehre. Das Galgen¬
gerüste wird außerhalb der Börse für jeden einzelnen Fall ausgeschlagen.


Grenzboten. II. <8ü7. 2S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0201" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/103868"/>
            <p xml:id="ID_595" prev="#ID_594"> Handelsplätze bestimmt, da ist zu erfahren, wie der Piaster, der Dollar, die<lb/>
Mark fein Silber oder irgend einwandere für Hamburg wichtige Geldvalute<lb/>
besser oder schlechter als die in ihrem Silbergehalt so unumstößliche Mark<lb/>
Bank» steht. Mag dann auch dieser oder jener die großgeschriebenen Zahlen<lb/>
mit bedenklichem Kopfschütteln betrachten, der Cours ist da und läßt nicht wei¬<lb/>
ter mit sich disputiren.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_596"> Als Verwaltungsbehörde übt die Commerzdeputation die hohe und nie¬<lb/>
dere Polizei an der Börse aus und hat dazu ihre eigenen Beamten. Kein<lb/>
anderer Diener der Polizei oder der Gerichte ist in den Räumen der Börse<lb/>
mehr als ein gewöhnlicher Mensch und Geschäftsmann, falls ihn einmal auch<lb/>
die Lust erfaßte, hier Geld verdienen zu wollen, und er dürfte es sich wahr¬<lb/>
lich nicht unterfangen, die Börsenbesucher zu belästigen und zu beaufsichtigen,<lb/>
ob sie etwa in schlechter Gesinnung die Course fallen lassen, ob sie Schein¬<lb/>
geschäfte begehen oder ganz und gar verbrecherisch als Pfuschmäkler Geschäfte<lb/>
vermitteln wollen. Die Hamburger Börse ist ein hochbefriebeter Ort, der keine<lb/>
Störungen und Einmischungen duldet. Wehe dem unglücklichen Börsenbesucher,<lb/>
den etwa der Aerger über einen erlittenen Verlust oder der verhaßte Anblick<lb/>
eines glücklichen Concurrenten zu der leisesten Thätlichkeit oder einer inhalts¬<lb/>
schweren Injurie verleitet. Löbliche Commerzdeputativn wird sicher nicht ver¬<lb/>
fehlen, ihn in eine nach Hunderten von Mark berechnete Ordnungsstrafe zu<lb/>
nehmen und dem Gegner noch dazu die Injurienklage vorbehalten. Zuweilen<lb/>
übt die Börse eigenhändig ihre Lynchjustiz aus, wenn das Verbrechen zu<lb/>
flagrant war oder wenn ein noch nicht mit Handelsfreiheit begnadigter Ban¬<lb/>
krotteur sich erblicken läßt. Mit ernstem Unwillen schiebt Nachbar auf Nach¬<lb/>
bar den Sünder bis zur nächsten Thür, allwo er seinen weiten Weg selber<lb/>
suchen mag. Solche Scenen gehören indeß zu den sehr, sehr großen Selten¬<lb/>
heiten, während Vorgänge, wie sie die Zeitungen vor einiger Zeit aus der<lb/>
berliner Börse berichteten, an der Hamburger Börse gradezu unmöglich wären.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_597"> Nur die im Interesse der Börse ausgeübte Criminalpolizei hat sich das<lb/>
aus Senatsmitgliedern bestehende Obergericht selbst vorbehalten. An und für<lb/>
steh ist in den Augen des Kaufmanns der Bankrott mehr ein Unglück als<lb/>
ein Verbrechen; sollte aber ein Gemeinschuldner es sich beikommen lassen,<lb/>
Hamburg auf Nimmerwiedersehen zu verlassen, auch auf erlassene Edictalcitation<lb/>
Nicht heimkehren, dann wird derselbe vom Obergericht auf Antrag üsealis in<lb/>
eruuwallbus für einen &#x201E;böswilligen Falkner" erklärt, sein Name unter Läu¬<lb/>
ten der &#x201E;Schandglocke" von Henkershand an ein schauerliches schwarzes Gal¬<lb/>
gengerüste angeheftet und sodann zum ewigen herostratischen Andenken in eine<lb/>
schwarze, Eingangs zur Börse aufgehängte Schandtafel eingetragen. Solche<lb/>
Register von schuldbelastetem Sündern gibt es bereits mehre. Das Galgen¬<lb/>
gerüste wird außerhalb der Börse für jeden einzelnen Fall ausgeschlagen.</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. II. &lt;8ü7. 2S</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0201] Handelsplätze bestimmt, da ist zu erfahren, wie der Piaster, der Dollar, die Mark fein Silber oder irgend einwandere für Hamburg wichtige Geldvalute besser oder schlechter als die in ihrem Silbergehalt so unumstößliche Mark Bank» steht. Mag dann auch dieser oder jener die großgeschriebenen Zahlen mit bedenklichem Kopfschütteln betrachten, der Cours ist da und läßt nicht wei¬ ter mit sich disputiren. Als Verwaltungsbehörde übt die Commerzdeputation die hohe und nie¬ dere Polizei an der Börse aus und hat dazu ihre eigenen Beamten. Kein anderer Diener der Polizei oder der Gerichte ist in den Räumen der Börse mehr als ein gewöhnlicher Mensch und Geschäftsmann, falls ihn einmal auch die Lust erfaßte, hier Geld verdienen zu wollen, und er dürfte es sich wahr¬ lich nicht unterfangen, die Börsenbesucher zu belästigen und zu beaufsichtigen, ob sie etwa in schlechter Gesinnung die Course fallen lassen, ob sie Schein¬ geschäfte begehen oder ganz und gar verbrecherisch als Pfuschmäkler Geschäfte vermitteln wollen. Die Hamburger Börse ist ein hochbefriebeter Ort, der keine Störungen und Einmischungen duldet. Wehe dem unglücklichen Börsenbesucher, den etwa der Aerger über einen erlittenen Verlust oder der verhaßte Anblick eines glücklichen Concurrenten zu der leisesten Thätlichkeit oder einer inhalts¬ schweren Injurie verleitet. Löbliche Commerzdeputativn wird sicher nicht ver¬ fehlen, ihn in eine nach Hunderten von Mark berechnete Ordnungsstrafe zu nehmen und dem Gegner noch dazu die Injurienklage vorbehalten. Zuweilen übt die Börse eigenhändig ihre Lynchjustiz aus, wenn das Verbrechen zu flagrant war oder wenn ein noch nicht mit Handelsfreiheit begnadigter Ban¬ krotteur sich erblicken läßt. Mit ernstem Unwillen schiebt Nachbar auf Nach¬ bar den Sünder bis zur nächsten Thür, allwo er seinen weiten Weg selber suchen mag. Solche Scenen gehören indeß zu den sehr, sehr großen Selten¬ heiten, während Vorgänge, wie sie die Zeitungen vor einiger Zeit aus der berliner Börse berichteten, an der Hamburger Börse gradezu unmöglich wären. Nur die im Interesse der Börse ausgeübte Criminalpolizei hat sich das aus Senatsmitgliedern bestehende Obergericht selbst vorbehalten. An und für steh ist in den Augen des Kaufmanns der Bankrott mehr ein Unglück als ein Verbrechen; sollte aber ein Gemeinschuldner es sich beikommen lassen, Hamburg auf Nimmerwiedersehen zu verlassen, auch auf erlassene Edictalcitation Nicht heimkehren, dann wird derselbe vom Obergericht auf Antrag üsealis in eruuwallbus für einen „böswilligen Falkner" erklärt, sein Name unter Läu¬ ten der „Schandglocke" von Henkershand an ein schauerliches schwarzes Gal¬ gengerüste angeheftet und sodann zum ewigen herostratischen Andenken in eine schwarze, Eingangs zur Börse aufgehängte Schandtafel eingetragen. Solche Register von schuldbelastetem Sündern gibt es bereits mehre. Das Galgen¬ gerüste wird außerhalb der Börse für jeden einzelnen Fall ausgeschlagen. Grenzboten. II. <8ü7. 2S

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/201
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/201>, abgerufen am 28.07.2024.