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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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schon machte sich der Einfluß Deutschlands geltend. Der Tod Adels von Le-
gouvv (März 1792) war nach Geßner bearbeitet. Schillers Räuber wurden
M demselben Jahre unter dem Titel KoKert, edsk ü"z dri-Zanäs aufgeführt und
erregten Furore. Bon jenen cynischen Stücken zeigt nur das Lustspiel die
Papstin Johanna, von Films (1794), einigen Witz. '

Wir kommen jetzt an die schwerste Stunde in ChLnierö Leben. Noch zu
Anfang des Jahres 1791 hatte er mit seinem Bruder, der seit einem Jahre
aus London zurückgekehrt war, in der innigsten Verbindung gestanden. Auch
ihre politischen Gesinnungen gingen damals noch nicht weit auseinander. Bei
einer sanguinischen Natur, die nicht durch feste Principien geleitet wird, geben
häufig persönliche Sympathien den Ausschlag. Danton und seine Freunde
hatten Chvnier zum gefeierten Dichter gemacht, es war natürlich, daß er sich
tiefer mit ihnen einließ, als er vor seinem Gewissen verantworten konnte. Der
ältere Bruder, von einem edlen, leidenschaftlichen Rechtsgefühl geleitet, warf
sich der Bewegung entgegen; er verließ seine einsamen poetischen Studien,
und kämpfte im Journal de Paris gegen die Demokraten mit einer Leiden¬
schaft und zugleich mit einem Witz, den er später mit seinem Leben bezahlen
mußte. Geschäftige Zwischenträger thaten das Uebrige, und so sahen sich
schon im Februar 1792 die beiden Brüder veranlaßt, sich öffentlich als poli¬
tische Gegner zu bekennen. Sie hörten aus, sich zu sehen, und es fehlte nicht
an sehr bittern Anspielungen. Trotzdem war es zu Anfang des Jahres 1793
nur die Popularität des jüngern Bruders, die Andr-s beschützte, und gegen
das Ende des Jahres waren sie völlig miteinander versöhnt. Wie wir gesehen,
hielt diese Popularität nicht lange Stich. Um ihn zu versuchen, übertrug
man ihm bei Marats Tod den Bericht über den Gesetzvorschlag, Marat an
Stelle Miraveaus ins Pantheon auszunehmen. Er hatte nicht den Muth, die
Ehre des Auftrags auszuschlagen, aber er hatte wenigstens die Kühnheit, in
seiner Rede von einer peinlichen Pflicht zu sprechen, Mirabeaus Geist zu loben
und den Namen Marats gar nicht zu erwähnen. Er war jetzt vollständig
verdächtig geworden, und als man seinen Bruder Andre verhaftete, war es
unzweifelhaft eine Namensverwechslung. Joseph Chvnier und seine Freunde
waren der ganz richtigen Ansicht, das Beste sei, die Sache ruhen zu lassen,
damit der Gefangene vergessen werde. Aber der Vater erinnerte in der besten
Absicht seine Richter an ihn, und die Folge-war die Hinrichtung Andres am
7. Thermidor. Die herrlichen Lieder, die er im Gefängniß schrieb, sind auch in
Deutschland allgemein bekannt , namentlich das Gedicht von der jungen Gefan¬
genen. In der Gesinnung stand schon damals sein Bruder ihm ganz zur Seite.


Du nom as l!t vsrM le meurU'L est r<zon>,u,
Li, l'aullaee cle la vertu
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Grenzboten. II. -1867. ' 24

schon machte sich der Einfluß Deutschlands geltend. Der Tod Adels von Le-
gouvv (März 1792) war nach Geßner bearbeitet. Schillers Räuber wurden
M demselben Jahre unter dem Titel KoKert, edsk ü«z dri-Zanäs aufgeführt und
erregten Furore. Bon jenen cynischen Stücken zeigt nur das Lustspiel die
Papstin Johanna, von Films (1794), einigen Witz. '

Wir kommen jetzt an die schwerste Stunde in ChLnierö Leben. Noch zu
Anfang des Jahres 1791 hatte er mit seinem Bruder, der seit einem Jahre
aus London zurückgekehrt war, in der innigsten Verbindung gestanden. Auch
ihre politischen Gesinnungen gingen damals noch nicht weit auseinander. Bei
einer sanguinischen Natur, die nicht durch feste Principien geleitet wird, geben
häufig persönliche Sympathien den Ausschlag. Danton und seine Freunde
hatten Chvnier zum gefeierten Dichter gemacht, es war natürlich, daß er sich
tiefer mit ihnen einließ, als er vor seinem Gewissen verantworten konnte. Der
ältere Bruder, von einem edlen, leidenschaftlichen Rechtsgefühl geleitet, warf
sich der Bewegung entgegen; er verließ seine einsamen poetischen Studien,
und kämpfte im Journal de Paris gegen die Demokraten mit einer Leiden¬
schaft und zugleich mit einem Witz, den er später mit seinem Leben bezahlen
mußte. Geschäftige Zwischenträger thaten das Uebrige, und so sahen sich
schon im Februar 1792 die beiden Brüder veranlaßt, sich öffentlich als poli¬
tische Gegner zu bekennen. Sie hörten aus, sich zu sehen, und es fehlte nicht
an sehr bittern Anspielungen. Trotzdem war es zu Anfang des Jahres 1793
nur die Popularität des jüngern Bruders, die Andr-s beschützte, und gegen
das Ende des Jahres waren sie völlig miteinander versöhnt. Wie wir gesehen,
hielt diese Popularität nicht lange Stich. Um ihn zu versuchen, übertrug
man ihm bei Marats Tod den Bericht über den Gesetzvorschlag, Marat an
Stelle Miraveaus ins Pantheon auszunehmen. Er hatte nicht den Muth, die
Ehre des Auftrags auszuschlagen, aber er hatte wenigstens die Kühnheit, in
seiner Rede von einer peinlichen Pflicht zu sprechen, Mirabeaus Geist zu loben
und den Namen Marats gar nicht zu erwähnen. Er war jetzt vollständig
verdächtig geworden, und als man seinen Bruder Andre verhaftete, war es
unzweifelhaft eine Namensverwechslung. Joseph Chvnier und seine Freunde
waren der ganz richtigen Ansicht, das Beste sei, die Sache ruhen zu lassen,
damit der Gefangene vergessen werde. Aber der Vater erinnerte in der besten
Absicht seine Richter an ihn, und die Folge-war die Hinrichtung Andres am
7. Thermidor. Die herrlichen Lieder, die er im Gefängniß schrieb, sind auch in
Deutschland allgemein bekannt , namentlich das Gedicht von der jungen Gefan¬
genen. In der Gesinnung stand schon damals sein Bruder ihm ganz zur Seite.


Du nom as l!t vsrM le meurU'L est r<zon>,u,
Li, l'aullaee cle la vertu
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[0193] schon machte sich der Einfluß Deutschlands geltend. Der Tod Adels von Le- gouvv (März 1792) war nach Geßner bearbeitet. Schillers Räuber wurden M demselben Jahre unter dem Titel KoKert, edsk ü«z dri-Zanäs aufgeführt und erregten Furore. Bon jenen cynischen Stücken zeigt nur das Lustspiel die Papstin Johanna, von Films (1794), einigen Witz. ' Wir kommen jetzt an die schwerste Stunde in ChLnierö Leben. Noch zu Anfang des Jahres 1791 hatte er mit seinem Bruder, der seit einem Jahre aus London zurückgekehrt war, in der innigsten Verbindung gestanden. Auch ihre politischen Gesinnungen gingen damals noch nicht weit auseinander. Bei einer sanguinischen Natur, die nicht durch feste Principien geleitet wird, geben häufig persönliche Sympathien den Ausschlag. Danton und seine Freunde hatten Chvnier zum gefeierten Dichter gemacht, es war natürlich, daß er sich tiefer mit ihnen einließ, als er vor seinem Gewissen verantworten konnte. Der ältere Bruder, von einem edlen, leidenschaftlichen Rechtsgefühl geleitet, warf sich der Bewegung entgegen; er verließ seine einsamen poetischen Studien, und kämpfte im Journal de Paris gegen die Demokraten mit einer Leiden¬ schaft und zugleich mit einem Witz, den er später mit seinem Leben bezahlen mußte. Geschäftige Zwischenträger thaten das Uebrige, und so sahen sich schon im Februar 1792 die beiden Brüder veranlaßt, sich öffentlich als poli¬ tische Gegner zu bekennen. Sie hörten aus, sich zu sehen, und es fehlte nicht an sehr bittern Anspielungen. Trotzdem war es zu Anfang des Jahres 1793 nur die Popularität des jüngern Bruders, die Andr-s beschützte, und gegen das Ende des Jahres waren sie völlig miteinander versöhnt. Wie wir gesehen, hielt diese Popularität nicht lange Stich. Um ihn zu versuchen, übertrug man ihm bei Marats Tod den Bericht über den Gesetzvorschlag, Marat an Stelle Miraveaus ins Pantheon auszunehmen. Er hatte nicht den Muth, die Ehre des Auftrags auszuschlagen, aber er hatte wenigstens die Kühnheit, in seiner Rede von einer peinlichen Pflicht zu sprechen, Mirabeaus Geist zu loben und den Namen Marats gar nicht zu erwähnen. Er war jetzt vollständig verdächtig geworden, und als man seinen Bruder Andre verhaftete, war es unzweifelhaft eine Namensverwechslung. Joseph Chvnier und seine Freunde waren der ganz richtigen Ansicht, das Beste sei, die Sache ruhen zu lassen, damit der Gefangene vergessen werde. Aber der Vater erinnerte in der besten Absicht seine Richter an ihn, und die Folge-war die Hinrichtung Andres am 7. Thermidor. Die herrlichen Lieder, die er im Gefängniß schrieb, sind auch in Deutschland allgemein bekannt , namentlich das Gedicht von der jungen Gefan¬ genen. In der Gesinnung stand schon damals sein Bruder ihm ganz zur Seite. Du nom as l!t vsrM le meurU'L est r<zon>,u, Li, l'aullaee cle la vertu 8o rsit äöVAnt vellL ein erimo. Grenzboten. II. -1867. ' 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/193>, abgerufen am 28.07.2024.