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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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darum handelte, die Idee praktisch ins Leben einzuführen. Andererseits sind
die nordischen Nationalitäten im Grunde ziemlich conservativer Natur und
weiug geneigt, das Bestehende zu stürzen oder im Stich zu lassen, besonders
wenn keine Sicherheit vorliegt, daß der Wechsel Gewinn bringen werde. Und
wäre denn etwa das gewiß, daß bei Vereinigung der drei Königreiche in ein
einziges Reich ihre Macht oder auch nur ihre politische Konsistenz dem Aus¬
lande gegenüber den Ideen entsprechen würde, die man sich in dieser Beziehung
macht, und daß folglich der politische Einfluß und die politische Unabhängigkeit
eines skandinavischen Staats wirklich die Opfer verdienten, die seine Errich¬
tung erfordern würde, und zugleich die Keime innerer Auflösung und Schwäche
erstickten, welche die Organisation eines solchen Staates auf den gegebenen
Grundlagen unvermeidlich in ihrem eignen Schoß tragen würde?

Wir haben allen Grund zu glauben, daß diese Ansichten, welche die der
Regierung des Königs sind, von der Regierung Sr. Maj. des Königs von
Schweden und Norwegen getheilt werden. Es scheint uns daher auch die
skandinavische Idee nicht gefährlich, wofern sie nicht durch den Einfluß einer
von außen kommenden Theilnahme eine Intensität und ejne Lebenskraft er¬
hielte, die ihr bis jetzt fehlen; und die beiden nordischen Souveräne haben
ohne Zweifel klug daran gethan, dieser Idee als solcher gegenüber dasjenige
passive Verfahren einzuhalten, für das sie sich entschieden haben. In voller
Anerkennung des Nutzens, den die freiwillige Herstellung von freundschaft¬
licheren und intimeren Beziehungen zwischen Nationen, deren Interessen viel¬
fach dieselben sind, für die materielle und intellectuelle Entwicklung ihrer Völker
haben würde, haben Sie sich gehütet, einer Idee Hindernisse in den Weg zu
legen, welche so heilsame Wirkungen haben konnte. Sie wollten diese wirk¬
lichen Vortheile nicht compromittiren und wußten recht wohl, daß man für diese
Idee grade dann am sichersten eine politische Propaganda ins Leben rufen
würde, wenn man ihr andere Hindernisse in den Weg legte, als diejenigen,
auf die sie nothwendigerweise von selbst auf ihrem Wege, stoßen mußte, wenn
sie politischen Zielen nachstrebe.

Dagegen wollen wir nicht untersuchen, ob das so por den Regierungen
der nordischen Königreiche beobachtete Verfahren auch wirklich das für die
Umstände geeignetste gewesen ist, und dasjenige, welches hätte eingeschlagen
werden müssen, wenn es möglich gewesen wäre, im Voraus die Verhältnisse
zu ermessen, welche die skandinavische Agitation annehmen würde. Jedenfalls
sind gegenwärtig die Bedingungen, unter denen diese Agitation uns als eine
inoffenstve erschien, nicht mehr vorhanden; denn die skandinavische Idee hat
seit kurzem die Aufmerksamkeit des auswärtigen Publicums sowol, als der
fremden Cabinete auf sich gezogen, und Hai somit darauf hinwirken können,
das Zutrauen der Dänemark befreundeten Regierungen auf die Stabilität der


darum handelte, die Idee praktisch ins Leben einzuführen. Andererseits sind
die nordischen Nationalitäten im Grunde ziemlich conservativer Natur und
weiug geneigt, das Bestehende zu stürzen oder im Stich zu lassen, besonders
wenn keine Sicherheit vorliegt, daß der Wechsel Gewinn bringen werde. Und
wäre denn etwa das gewiß, daß bei Vereinigung der drei Königreiche in ein
einziges Reich ihre Macht oder auch nur ihre politische Konsistenz dem Aus¬
lande gegenüber den Ideen entsprechen würde, die man sich in dieser Beziehung
macht, und daß folglich der politische Einfluß und die politische Unabhängigkeit
eines skandinavischen Staats wirklich die Opfer verdienten, die seine Errich¬
tung erfordern würde, und zugleich die Keime innerer Auflösung und Schwäche
erstickten, welche die Organisation eines solchen Staates auf den gegebenen
Grundlagen unvermeidlich in ihrem eignen Schoß tragen würde?

Wir haben allen Grund zu glauben, daß diese Ansichten, welche die der
Regierung des Königs sind, von der Regierung Sr. Maj. des Königs von
Schweden und Norwegen getheilt werden. Es scheint uns daher auch die
skandinavische Idee nicht gefährlich, wofern sie nicht durch den Einfluß einer
von außen kommenden Theilnahme eine Intensität und ejne Lebenskraft er¬
hielte, die ihr bis jetzt fehlen; und die beiden nordischen Souveräne haben
ohne Zweifel klug daran gethan, dieser Idee als solcher gegenüber dasjenige
passive Verfahren einzuhalten, für das sie sich entschieden haben. In voller
Anerkennung des Nutzens, den die freiwillige Herstellung von freundschaft¬
licheren und intimeren Beziehungen zwischen Nationen, deren Interessen viel¬
fach dieselben sind, für die materielle und intellectuelle Entwicklung ihrer Völker
haben würde, haben Sie sich gehütet, einer Idee Hindernisse in den Weg zu
legen, welche so heilsame Wirkungen haben konnte. Sie wollten diese wirk¬
lichen Vortheile nicht compromittiren und wußten recht wohl, daß man für diese
Idee grade dann am sichersten eine politische Propaganda ins Leben rufen
würde, wenn man ihr andere Hindernisse in den Weg legte, als diejenigen,
auf die sie nothwendigerweise von selbst auf ihrem Wege, stoßen mußte, wenn
sie politischen Zielen nachstrebe.

Dagegen wollen wir nicht untersuchen, ob das so por den Regierungen
der nordischen Königreiche beobachtete Verfahren auch wirklich das für die
Umstände geeignetste gewesen ist, und dasjenige, welches hätte eingeschlagen
werden müssen, wenn es möglich gewesen wäre, im Voraus die Verhältnisse
zu ermessen, welche die skandinavische Agitation annehmen würde. Jedenfalls
sind gegenwärtig die Bedingungen, unter denen diese Agitation uns als eine
inoffenstve erschien, nicht mehr vorhanden; denn die skandinavische Idee hat
seit kurzem die Aufmerksamkeit des auswärtigen Publicums sowol, als der
fremden Cabinete auf sich gezogen, und Hai somit darauf hinwirken können,
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[0172] darum handelte, die Idee praktisch ins Leben einzuführen. Andererseits sind die nordischen Nationalitäten im Grunde ziemlich conservativer Natur und weiug geneigt, das Bestehende zu stürzen oder im Stich zu lassen, besonders wenn keine Sicherheit vorliegt, daß der Wechsel Gewinn bringen werde. Und wäre denn etwa das gewiß, daß bei Vereinigung der drei Königreiche in ein einziges Reich ihre Macht oder auch nur ihre politische Konsistenz dem Aus¬ lande gegenüber den Ideen entsprechen würde, die man sich in dieser Beziehung macht, und daß folglich der politische Einfluß und die politische Unabhängigkeit eines skandinavischen Staats wirklich die Opfer verdienten, die seine Errich¬ tung erfordern würde, und zugleich die Keime innerer Auflösung und Schwäche erstickten, welche die Organisation eines solchen Staates auf den gegebenen Grundlagen unvermeidlich in ihrem eignen Schoß tragen würde? Wir haben allen Grund zu glauben, daß diese Ansichten, welche die der Regierung des Königs sind, von der Regierung Sr. Maj. des Königs von Schweden und Norwegen getheilt werden. Es scheint uns daher auch die skandinavische Idee nicht gefährlich, wofern sie nicht durch den Einfluß einer von außen kommenden Theilnahme eine Intensität und ejne Lebenskraft er¬ hielte, die ihr bis jetzt fehlen; und die beiden nordischen Souveräne haben ohne Zweifel klug daran gethan, dieser Idee als solcher gegenüber dasjenige passive Verfahren einzuhalten, für das sie sich entschieden haben. In voller Anerkennung des Nutzens, den die freiwillige Herstellung von freundschaft¬ licheren und intimeren Beziehungen zwischen Nationen, deren Interessen viel¬ fach dieselben sind, für die materielle und intellectuelle Entwicklung ihrer Völker haben würde, haben Sie sich gehütet, einer Idee Hindernisse in den Weg zu legen, welche so heilsame Wirkungen haben konnte. Sie wollten diese wirk¬ lichen Vortheile nicht compromittiren und wußten recht wohl, daß man für diese Idee grade dann am sichersten eine politische Propaganda ins Leben rufen würde, wenn man ihr andere Hindernisse in den Weg legte, als diejenigen, auf die sie nothwendigerweise von selbst auf ihrem Wege, stoßen mußte, wenn sie politischen Zielen nachstrebe. Dagegen wollen wir nicht untersuchen, ob das so por den Regierungen der nordischen Königreiche beobachtete Verfahren auch wirklich das für die Umstände geeignetste gewesen ist, und dasjenige, welches hätte eingeschlagen werden müssen, wenn es möglich gewesen wäre, im Voraus die Verhältnisse zu ermessen, welche die skandinavische Agitation annehmen würde. Jedenfalls sind gegenwärtig die Bedingungen, unter denen diese Agitation uns als eine inoffenstve erschien, nicht mehr vorhanden; denn die skandinavische Idee hat seit kurzem die Aufmerksamkeit des auswärtigen Publicums sowol, als der fremden Cabinete auf sich gezogen, und Hai somit darauf hinwirken können, das Zutrauen der Dänemark befreundeten Regierungen auf die Stabilität der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/172>, abgerufen am 28.07.2024.