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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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Dir königliche Proposition wird demnächst vom Reichstage berathen werden.
Man glaubt, daß sie vom Adel-, vom Bürgerstande, und vielleicht auch vom
Bauernstande angenommen, von dem Priesterstande aber fast einstimmig ver¬
worfen werden wird. Was aber auch ihr Schicksal sein mag, man sieht, wie
es mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit in dem Lande Gustav
Adolfs bestellt ist.




Literatur.
Geschichte der Mormonen

oder Jüngsten-Tages-Heiligen in Nordamerika.
Von Theodor Olshausen. Göttingen, Vandcnhoeck und Ruprechts Verlag. -- Ein
mit Fleiß und Geschick geschriebenes Buch, welches sich ausführlicher über den Ge¬
genstand verbreitet, als die bisher über denselben erschienenen Darstellungen, von denen
es die englischen und amerikanischen auch durch seine besonnene und unparteiische
Haltung übertrifft. Zu beklagen ist, daß der Verfasser, der sich bekanntlich im
Westen der Vereinigten Staaten aufhält, nicht Zeit und Gelegenheit gefunden hat,
sich als Augenzeuge von dem Leben und Treiben in der Salzsecstadt zu unterrichten
und dadurch sein Buch über den Werth einer Kompilation zu erheben, die bei aller
Gewissenhaftigkeit, mit der sie gemacht ist, mancherlei Punkte dunkel und zweifel¬
haft läßt. Wir haben den Gegenstand wiederholt besprochen; was der Verfasser
gibt, stimmt im Wesentlichen mit unserer Darstellung überein. Nur in Betreff der
Zahl der Mormonen glauben wir unsere frühern Mittheilungen berichtigen zu müssen.
Olshausen sagt in dieser Beziehung:

"Es ist keinem Zweifel unterworfen und wird von den Mormonen selbst zuge¬
geben, daß die Zahl der Mitglieder der Kirche zur Zeit des Todes des Propheten
Joseph und bis zum Exodus aus Nauvoo größer war als später und ohne Zweifel
noch jetzt. Die Vertreibung aus Illinois, die dadurch veranlaßte größere Sterb¬
lichkeit, der Mangel an einem Centralpunkte. welcher mehre Jahre dauerte, und
die große Abgelegenheit d.es später gewählten am Salzsee -- alles dies mag dazu
beigetragen haben, daß die Zahl der "Heiligen" sich verminderte. Auch haben die
Spaltungen, die Excommunicationen und Apostaflen zur Folge hatten, dazu mitge¬
wirkt, und noch fortwährend sind Ausschließung aus der Kirche und freiwilliger
Austritt, namentlich von Neubekehrten, periodisch ebenso wirksam, die Mitgliederzahl
zu reduciren, wie die Thätigkeit der Missionäre, sie zu vergrößern. Unsere Nach¬
richten über den numerischen Bestand der Kirche reichen nur bis zu Anfang des
Jahres -I8L3 und sind sehr unvollständig."

In dem Hauptlande Utah befanden sich damals nach Orson Pratts "Seer
30 bis 33,000 Mormonen. Danach mag die gegenwärtige Zahl unter Berück¬
sichtigung der fortwährenden Einwanderung 38,000 betragen. Im übri¬
gen Gebret der Vereinigten Staaten waren an folgenden Orten States oder Ge¬
meinden! in Iowa zu Council-Bluff-City, Burlington und Kcokuk; in Mis¬
souri zu Se. Louis; in Louisiana zu Neworleans; in Illinois zu Akkon; in
Ohio zu Cincinnati; in Pennsylvanien zu Philadelphia, vielleicht auch zu Pittsburg;


Dir königliche Proposition wird demnächst vom Reichstage berathen werden.
Man glaubt, daß sie vom Adel-, vom Bürgerstande, und vielleicht auch vom
Bauernstande angenommen, von dem Priesterstande aber fast einstimmig ver¬
worfen werden wird. Was aber auch ihr Schicksal sein mag, man sieht, wie
es mit der Glaubens- und Gewissensfreiheit in dem Lande Gustav
Adolfs bestellt ist.




Literatur.
Geschichte der Mormonen

oder Jüngsten-Tages-Heiligen in Nordamerika.
Von Theodor Olshausen. Göttingen, Vandcnhoeck und Ruprechts Verlag. — Ein
mit Fleiß und Geschick geschriebenes Buch, welches sich ausführlicher über den Ge¬
genstand verbreitet, als die bisher über denselben erschienenen Darstellungen, von denen
es die englischen und amerikanischen auch durch seine besonnene und unparteiische
Haltung übertrifft. Zu beklagen ist, daß der Verfasser, der sich bekanntlich im
Westen der Vereinigten Staaten aufhält, nicht Zeit und Gelegenheit gefunden hat,
sich als Augenzeuge von dem Leben und Treiben in der Salzsecstadt zu unterrichten
und dadurch sein Buch über den Werth einer Kompilation zu erheben, die bei aller
Gewissenhaftigkeit, mit der sie gemacht ist, mancherlei Punkte dunkel und zweifel¬
haft läßt. Wir haben den Gegenstand wiederholt besprochen; was der Verfasser
gibt, stimmt im Wesentlichen mit unserer Darstellung überein. Nur in Betreff der
Zahl der Mormonen glauben wir unsere frühern Mittheilungen berichtigen zu müssen.
Olshausen sagt in dieser Beziehung:

„Es ist keinem Zweifel unterworfen und wird von den Mormonen selbst zuge¬
geben, daß die Zahl der Mitglieder der Kirche zur Zeit des Todes des Propheten
Joseph und bis zum Exodus aus Nauvoo größer war als später und ohne Zweifel
noch jetzt. Die Vertreibung aus Illinois, die dadurch veranlaßte größere Sterb¬
lichkeit, der Mangel an einem Centralpunkte. welcher mehre Jahre dauerte, und
die große Abgelegenheit d.es später gewählten am Salzsee — alles dies mag dazu
beigetragen haben, daß die Zahl der „Heiligen" sich verminderte. Auch haben die
Spaltungen, die Excommunicationen und Apostaflen zur Folge hatten, dazu mitge¬
wirkt, und noch fortwährend sind Ausschließung aus der Kirche und freiwilliger
Austritt, namentlich von Neubekehrten, periodisch ebenso wirksam, die Mitgliederzahl
zu reduciren, wie die Thätigkeit der Missionäre, sie zu vergrößern. Unsere Nach¬
richten über den numerischen Bestand der Kirche reichen nur bis zu Anfang des
Jahres -I8L3 und sind sehr unvollständig."

In dem Hauptlande Utah befanden sich damals nach Orson Pratts „Seer
30 bis 33,000 Mormonen. Danach mag die gegenwärtige Zahl unter Berück¬
sichtigung der fortwährenden Einwanderung 38,000 betragen. Im übri¬
gen Gebret der Vereinigten Staaten waren an folgenden Orten States oder Ge¬
meinden! in Iowa zu Council-Bluff-City, Burlington und Kcokuk; in Mis¬
souri zu Se. Louis; in Louisiana zu Neworleans; in Illinois zu Akkon; in
Ohio zu Cincinnati; in Pennsylvanien zu Philadelphia, vielleicht auch zu Pittsburg;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/165>, abgerufen am 28.07.2024.