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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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die "Erweckung", wie man sie nennt, ein größeres Feld. Sie wurde in
der Provinz Smaland von dem Suffragamen Nyman, in der Provinz Schoo-
ner von dem Pastor Schartau gepredigt, sie faßte Fuß in der Provinz Norr-
land und in den beiden Hauptstädten des Königreichs, Gothenburg und Stock¬
holm. Vergebens eiferte die orthodoxe Geistlichkeit gegen diesen "Predigtteu¬
fel", vergebens verbreitete sie Schriften strengster Rechtgläubigkeit und bemühte
sich, das Symbol in seiner ganzen Starrheit wieder herzustellen, die "Erweckung"
in Schweden nahm einen neuen Aufschwung und eine dreifache Richtung, sie
wurde eine methodistische, eine separatistische und eine baptistische Bewegung.

Der Methodismus wurde 1831 in Stockholm von dem englischen Pre¬
diger Scott gegründet und verblieb daselbst, auch nachdem Scott genöthigt
war, das Land zu verlassen.

Der Separatismus, wurde in der Provinz Helsingland von einem
Bauer, Erie Janson gepredigt. Janson forderte die Christen auf, von den
orthodoxen Lehrbüchern sich loszusagen und lediglich die heilige Schrift zu lesen.
Er und seine Anhänger wurden auf das heftigste verfolgt. Man stellte sie
vor das Consistorium, konnte sie aber nicht der Ketzerei überführen. Man
hetzte gegen sie den Pöbel, der sie blutig mißhandelte, man warf sie in die
Gefängnisse und ließ sie in denselben lange Zeit schmachten, ohne ihnen den
Proceß zu machen, obgleich das schwedische Gesetz verbietet, eine Person länger
als drei Wochen in Hast zu halten, ohne sie vor den Richter zu stellen.
Man steckte einen Schüler Jansons in ein Irrenhaus, nur um ihn zu peinigen.
Müde der fortgesetzten Verfolgungen und Mißhandlungen wanderten die Separa¬
tisten, 1124 an der Zahl, endlich im Jahr 1840 nach Amerika aus, wo sie
eine Gemeinde gründeten, deren Haupt allmälig ihr Tyrann wurde.

Festeren Fuß faßte in Schweden der Baptismus, geleitet von Viberg,
Suffragane in der Provinz Helsingland. Viberg verwarf die Kindertaufe, ließ
sich in Kopenhagen umlaufen und ging von da nach Amerika, wo er den Bap¬
tismus predigte. Hier schloß sich ihm ein junger Finnländer an, Namens
Möllervärd. Derselbe predigte, aus Amerika zurückgekehrt, im Jahre 18ö4 den
Baptismus auf der Insel Aland. Von der russischen Polizei verfolgt, die ihn
Nach Sibirien zu schicken gedachte, entfloh er nach Stockholm, wo er gemein¬
schaftlich mit dem gleichfalls aus Amerika zurückgekommenen Viberg wirkte, so daß
jetzt bereits mehr als tausend Schweden zum Baptismus sich bekennen und die
Zahl derselben bedeutend zunimmt. Die Baptisten bilden Gemeinden zu Stock¬
holm und Gothenburg, ohne daß sie von der Polizei oder von dem Volke be¬
unruhigt werden. Im Winter 1866 wurden sie in Stockholm von mehren
angesehenen rechtgläubigen Pastoren zu einem Neligionsgespräch eingeladen,
zu welchem sie erschienen. Die Pastoren erkannten sich den Vorsitz in der
Conferen,z zu, entschieden, daß jeder Redner nur zehn Minuten sprechen sollte,


Grenzboten. II. -I8ö7. 20

die „Erweckung", wie man sie nennt, ein größeres Feld. Sie wurde in
der Provinz Smaland von dem Suffragamen Nyman, in der Provinz Schoo-
ner von dem Pastor Schartau gepredigt, sie faßte Fuß in der Provinz Norr-
land und in den beiden Hauptstädten des Königreichs, Gothenburg und Stock¬
holm. Vergebens eiferte die orthodoxe Geistlichkeit gegen diesen „Predigtteu¬
fel", vergebens verbreitete sie Schriften strengster Rechtgläubigkeit und bemühte
sich, das Symbol in seiner ganzen Starrheit wieder herzustellen, die „Erweckung"
in Schweden nahm einen neuen Aufschwung und eine dreifache Richtung, sie
wurde eine methodistische, eine separatistische und eine baptistische Bewegung.

Der Methodismus wurde 1831 in Stockholm von dem englischen Pre¬
diger Scott gegründet und verblieb daselbst, auch nachdem Scott genöthigt
war, das Land zu verlassen.

Der Separatismus, wurde in der Provinz Helsingland von einem
Bauer, Erie Janson gepredigt. Janson forderte die Christen auf, von den
orthodoxen Lehrbüchern sich loszusagen und lediglich die heilige Schrift zu lesen.
Er und seine Anhänger wurden auf das heftigste verfolgt. Man stellte sie
vor das Consistorium, konnte sie aber nicht der Ketzerei überführen. Man
hetzte gegen sie den Pöbel, der sie blutig mißhandelte, man warf sie in die
Gefängnisse und ließ sie in denselben lange Zeit schmachten, ohne ihnen den
Proceß zu machen, obgleich das schwedische Gesetz verbietet, eine Person länger
als drei Wochen in Hast zu halten, ohne sie vor den Richter zu stellen.
Man steckte einen Schüler Jansons in ein Irrenhaus, nur um ihn zu peinigen.
Müde der fortgesetzten Verfolgungen und Mißhandlungen wanderten die Separa¬
tisten, 1124 an der Zahl, endlich im Jahr 1840 nach Amerika aus, wo sie
eine Gemeinde gründeten, deren Haupt allmälig ihr Tyrann wurde.

Festeren Fuß faßte in Schweden der Baptismus, geleitet von Viberg,
Suffragane in der Provinz Helsingland. Viberg verwarf die Kindertaufe, ließ
sich in Kopenhagen umlaufen und ging von da nach Amerika, wo er den Bap¬
tismus predigte. Hier schloß sich ihm ein junger Finnländer an, Namens
Möllervärd. Derselbe predigte, aus Amerika zurückgekehrt, im Jahre 18ö4 den
Baptismus auf der Insel Aland. Von der russischen Polizei verfolgt, die ihn
Nach Sibirien zu schicken gedachte, entfloh er nach Stockholm, wo er gemein¬
schaftlich mit dem gleichfalls aus Amerika zurückgekommenen Viberg wirkte, so daß
jetzt bereits mehr als tausend Schweden zum Baptismus sich bekennen und die
Zahl derselben bedeutend zunimmt. Die Baptisten bilden Gemeinden zu Stock¬
holm und Gothenburg, ohne daß sie von der Polizei oder von dem Volke be¬
unruhigt werden. Im Winter 1866 wurden sie in Stockholm von mehren
angesehenen rechtgläubigen Pastoren zu einem Neligionsgespräch eingeladen,
zu welchem sie erschienen. Die Pastoren erkannten sich den Vorsitz in der
Conferen,z zu, entschieden, daß jeder Redner nur zehn Minuten sprechen sollte,


Grenzboten. II. -I8ö7. 20
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[0161] die „Erweckung", wie man sie nennt, ein größeres Feld. Sie wurde in der Provinz Smaland von dem Suffragamen Nyman, in der Provinz Schoo- ner von dem Pastor Schartau gepredigt, sie faßte Fuß in der Provinz Norr- land und in den beiden Hauptstädten des Königreichs, Gothenburg und Stock¬ holm. Vergebens eiferte die orthodoxe Geistlichkeit gegen diesen „Predigtteu¬ fel", vergebens verbreitete sie Schriften strengster Rechtgläubigkeit und bemühte sich, das Symbol in seiner ganzen Starrheit wieder herzustellen, die „Erweckung" in Schweden nahm einen neuen Aufschwung und eine dreifache Richtung, sie wurde eine methodistische, eine separatistische und eine baptistische Bewegung. Der Methodismus wurde 1831 in Stockholm von dem englischen Pre¬ diger Scott gegründet und verblieb daselbst, auch nachdem Scott genöthigt war, das Land zu verlassen. Der Separatismus, wurde in der Provinz Helsingland von einem Bauer, Erie Janson gepredigt. Janson forderte die Christen auf, von den orthodoxen Lehrbüchern sich loszusagen und lediglich die heilige Schrift zu lesen. Er und seine Anhänger wurden auf das heftigste verfolgt. Man stellte sie vor das Consistorium, konnte sie aber nicht der Ketzerei überführen. Man hetzte gegen sie den Pöbel, der sie blutig mißhandelte, man warf sie in die Gefängnisse und ließ sie in denselben lange Zeit schmachten, ohne ihnen den Proceß zu machen, obgleich das schwedische Gesetz verbietet, eine Person länger als drei Wochen in Hast zu halten, ohne sie vor den Richter zu stellen. Man steckte einen Schüler Jansons in ein Irrenhaus, nur um ihn zu peinigen. Müde der fortgesetzten Verfolgungen und Mißhandlungen wanderten die Separa¬ tisten, 1124 an der Zahl, endlich im Jahr 1840 nach Amerika aus, wo sie eine Gemeinde gründeten, deren Haupt allmälig ihr Tyrann wurde. Festeren Fuß faßte in Schweden der Baptismus, geleitet von Viberg, Suffragane in der Provinz Helsingland. Viberg verwarf die Kindertaufe, ließ sich in Kopenhagen umlaufen und ging von da nach Amerika, wo er den Bap¬ tismus predigte. Hier schloß sich ihm ein junger Finnländer an, Namens Möllervärd. Derselbe predigte, aus Amerika zurückgekehrt, im Jahre 18ö4 den Baptismus auf der Insel Aland. Von der russischen Polizei verfolgt, die ihn Nach Sibirien zu schicken gedachte, entfloh er nach Stockholm, wo er gemein¬ schaftlich mit dem gleichfalls aus Amerika zurückgekommenen Viberg wirkte, so daß jetzt bereits mehr als tausend Schweden zum Baptismus sich bekennen und die Zahl derselben bedeutend zunimmt. Die Baptisten bilden Gemeinden zu Stock¬ holm und Gothenburg, ohne daß sie von der Polizei oder von dem Volke be¬ unruhigt werden. Im Winter 1866 wurden sie in Stockholm von mehren angesehenen rechtgläubigen Pastoren zu einem Neligionsgespräch eingeladen, zu welchem sie erschienen. Die Pastoren erkannten sich den Vorsitz in der Conferen,z zu, entschieden, daß jeder Redner nur zehn Minuten sprechen sollte, Grenzboten. II. -I8ö7. 20

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/161>, abgerufen am 28.07.2024.