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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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Was wir hier von Uork gesagt, gilt von der ganzen Geschichte jener
denkwürdigen Jahre. Es waltet in der Geschichte der Völker und Staaten
eine höhere Hand, als diejenige, die ein Macchiavell herausfindet. Wol
hat öfters daS Gefühl einen unglücklichen Ausgang, und eS ist dann leicht,
nachträglich seine Irrthümer zu widerlegen, aber in allen großen Stunden
spricht doch daS Gefühl, oder, wenn man will, die Inspiration, und eine
wahrhaft große Zeit wird diejenige sein, wo die Resultate des Denkens und
des Empfindens sich begegnen. Daß der Geschichtschreiber, mit dem wir uns
heute beschäftigt haben, die Geschichte einer solchen Zeit mit dem entsprechen¬
den Gefühl und in edlen würdigen Farben dargestellt hat, wird ihm die Na¬
I. S. tion nicht vergessen.




An der Hamburger Börse.
^ I. ^

Die Börsenstunde naht; man hat am Vormittag in den Comptoiren Zeit
gehabt, die gestrigen Handelsthaten einzuregistriren, die Korrespondenzen zu
besorgen, die Makler anzuhören und ihnen Aufträge zu ertheilen, neue Feld-
zugSpläne für den heutigen Tag zu entwerfen, und auch die Laufburschen mit
den Wechseln an andere Comptoir" zu schicken. Es herrscht in Hamburg ein
eigenthümlicher, unsers Wissens an keinem andern Orte sich wiederholender
Brauch, der von dem außerordentlichen Vertrauen zeugt, das man hier in
Handel und Wandel aufeinander setzt. Der acceptirte Wechsel wird früh¬
morgens dem Acceptanten zugestellt und in seinen Händen gelassen, damit er
erkläre, nicht ob er ihn bezahlen wolle, denn daS versteht sich bei solventer
Leuten von selbst, sondern vornehmlich, in welcher Art die Zahlung geschehen
solle, ob pr. Cassa oder durch Abschreiben an der Bank und durch wen ab¬
geschrieben werden soll. Daß man in Hamburg und wiederum ausschließlich
hier durch "Abschreiben" bezahlt, hängt mit den Verhältnissen der hiesigen Bank
zusammen, über deren durchaus nicht allbekannte und sehr merkwürdige Ein¬
richtungen in der jetzigen bankgescgneten Zeit wol eine kleine Abschweifung
erlaubt ist, um so mehr, als sie auch in Hamburg in den letzten Jahren viele
uno heftige Anfeindungen hat erdulden müssen.

Die Hamburger Bank, bereits im Jahr 1619 gegründet, gibt weder
Papiergeld aus, noch betreibt sie irgendwie eigne Geschäfte; ihr liegt vielmehr
ausschließlich die Aufbewahrung und der Umsatz der ihr anvertrauten Paar-


Was wir hier von Uork gesagt, gilt von der ganzen Geschichte jener
denkwürdigen Jahre. Es waltet in der Geschichte der Völker und Staaten
eine höhere Hand, als diejenige, die ein Macchiavell herausfindet. Wol
hat öfters daS Gefühl einen unglücklichen Ausgang, und eS ist dann leicht,
nachträglich seine Irrthümer zu widerlegen, aber in allen großen Stunden
spricht doch daS Gefühl, oder, wenn man will, die Inspiration, und eine
wahrhaft große Zeit wird diejenige sein, wo die Resultate des Denkens und
des Empfindens sich begegnen. Daß der Geschichtschreiber, mit dem wir uns
heute beschäftigt haben, die Geschichte einer solchen Zeit mit dem entsprechen¬
den Gefühl und in edlen würdigen Farben dargestellt hat, wird ihm die Na¬
I. S. tion nicht vergessen.




An der Hamburger Börse.
^ I. ^

Die Börsenstunde naht; man hat am Vormittag in den Comptoiren Zeit
gehabt, die gestrigen Handelsthaten einzuregistriren, die Korrespondenzen zu
besorgen, die Makler anzuhören und ihnen Aufträge zu ertheilen, neue Feld-
zugSpläne für den heutigen Tag zu entwerfen, und auch die Laufburschen mit
den Wechseln an andere Comptoir« zu schicken. Es herrscht in Hamburg ein
eigenthümlicher, unsers Wissens an keinem andern Orte sich wiederholender
Brauch, der von dem außerordentlichen Vertrauen zeugt, das man hier in
Handel und Wandel aufeinander setzt. Der acceptirte Wechsel wird früh¬
morgens dem Acceptanten zugestellt und in seinen Händen gelassen, damit er
erkläre, nicht ob er ihn bezahlen wolle, denn daS versteht sich bei solventer
Leuten von selbst, sondern vornehmlich, in welcher Art die Zahlung geschehen
solle, ob pr. Cassa oder durch Abschreiben an der Bank und durch wen ab¬
geschrieben werden soll. Daß man in Hamburg und wiederum ausschließlich
hier durch „Abschreiben" bezahlt, hängt mit den Verhältnissen der hiesigen Bank
zusammen, über deren durchaus nicht allbekannte und sehr merkwürdige Ein¬
richtungen in der jetzigen bankgescgneten Zeit wol eine kleine Abschweifung
erlaubt ist, um so mehr, als sie auch in Hamburg in den letzten Jahren viele
uno heftige Anfeindungen hat erdulden müssen.

Die Hamburger Bank, bereits im Jahr 1619 gegründet, gibt weder
Papiergeld aus, noch betreibt sie irgendwie eigne Geschäfte; ihr liegt vielmehr
ausschließlich die Aufbewahrung und der Umsatz der ihr anvertrauten Paar-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/150>, abgerufen am 27.07.2024.