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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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hat es nie einen römischen Palast gegeben, in dem nicht eine oder die andre
Gattung fehlte; dies richtete sich begreiflicherweise nach dem Zuschnitt deS Haus¬
halts, nach den Verhältnissen, Neigungen und dem Geschmack der Herrschaft.
Auch war in der Negel ein großer Theil des Dienstpersonals durch Freilassung
der Leibeigenschaft enthoben, aber auch die Freigelassenen blieben sehr häufig
>in Dienst. Ferner wurden ohne Frage sehr oft Arbeiten und Geschäfte, die in
einem Hause mehre Sklaven beschäftigten, in einem anderen von einem einzigen be¬
sorgt. Diese Cumulation der Dienste wird ausdrücklich durch eine darauf Bezug
nehmende Gesetzstelle bezeugt: "Wenn jemand durch testamentarische Verfügung
dem einen seine Weber, dem andern seine Köche, dem dritten seine Sänften¬
träger vermacht u. s. w., so sollen diejenigen Sklaven, die mehr als eine Ar¬
beit versteh", in die Classe gehören, in der sie am häufigsten beschäftigt gewe¬
sen send." Andrerseits muß man aber auch bedenken, daß die meisten Großen
mehre Paläste in Rom, auf dem Lande und in andern Städten besaßen, und
daß häufig jeder derselben sein eignes vollständiges Dienstpersonal hatte. Bei
dem Vermächtnis; eines "eingerichteten Hauses" war nicht blos daS Mobiliar,
sondern auch ein Theil der Dienerschaft, als Portiers, Gärtner, Rohrmeister,
Aufseher der Wohnzimmer, einbegriffen, desgleichen die Pagen, die dem Herrn
bei Tisch aufwarteten, wenn er auf sein Gut kam u. s. w. Endlich ist zu
bemerken, daß in der obigen Schilderung noch keineswegs alle Gattungen von
Diensten angegeben sind, die durch die Mode und selbst das Bedürfniß erfor¬
dert wurden. Hier mag noch eine kleine Nachlese von Aemtern folgen, die
Sklaven oder Freigelassene großer Häuser bekleideten; sie sind so authentisch
als möglich, denn sie sind von den Grabschriften der Betreffenden entlehnt, also
Titel, die sie sich selbst beigelegt haben. Einige davon haben allerdings zur Hof¬
dienerschaft oder zu dem Hausstande von Mitgliedern des kaiserlichen Hauses
gehört; aber unter der ersten kaiserlichen Regierung war der Zuschnitt der Hof¬
haltung wesentlich derselbe wie in den größten Familien der Monarchie. Auf
den kleinen Steintafeln, die in den gemeinsamen Begräbnissen (Kolumbarien)
der Sklaven und Freigelassenen großer Häuser über den einzelnen Aschentöpfen
angebracht send, findet man unter andern folgende Aemter erwähnt: Briefbo¬
ren, Fackelträger, Laternenträger, Obersänftenträger, stummer Spaßmacher,
Charakterdarsteller iber zuerst erfand Sachwalter zu copiren, wie er von sich
selbst auf seiner Grabschrift rühmt; es war ein Sklav des Kaisers Tiberius),
Kleiderverfertiger, Garderobier für die Kleider zum Ausgehn, Aufseher der sil¬
bernen Trinkgeschirre, der goldnen Speisegeschirre, der Krystallgefäße, Speicher¬
aufseher, Pagenlehrer, Pagensriseur, gymnastischer Arzt der Pagen.




Greiizbolen II.18

hat es nie einen römischen Palast gegeben, in dem nicht eine oder die andre
Gattung fehlte; dies richtete sich begreiflicherweise nach dem Zuschnitt deS Haus¬
halts, nach den Verhältnissen, Neigungen und dem Geschmack der Herrschaft.
Auch war in der Negel ein großer Theil des Dienstpersonals durch Freilassung
der Leibeigenschaft enthoben, aber auch die Freigelassenen blieben sehr häufig
>in Dienst. Ferner wurden ohne Frage sehr oft Arbeiten und Geschäfte, die in
einem Hause mehre Sklaven beschäftigten, in einem anderen von einem einzigen be¬
sorgt. Diese Cumulation der Dienste wird ausdrücklich durch eine darauf Bezug
nehmende Gesetzstelle bezeugt: „Wenn jemand durch testamentarische Verfügung
dem einen seine Weber, dem andern seine Köche, dem dritten seine Sänften¬
träger vermacht u. s. w., so sollen diejenigen Sklaven, die mehr als eine Ar¬
beit versteh», in die Classe gehören, in der sie am häufigsten beschäftigt gewe¬
sen send." Andrerseits muß man aber auch bedenken, daß die meisten Großen
mehre Paläste in Rom, auf dem Lande und in andern Städten besaßen, und
daß häufig jeder derselben sein eignes vollständiges Dienstpersonal hatte. Bei
dem Vermächtnis; eines „eingerichteten Hauses" war nicht blos daS Mobiliar,
sondern auch ein Theil der Dienerschaft, als Portiers, Gärtner, Rohrmeister,
Aufseher der Wohnzimmer, einbegriffen, desgleichen die Pagen, die dem Herrn
bei Tisch aufwarteten, wenn er auf sein Gut kam u. s. w. Endlich ist zu
bemerken, daß in der obigen Schilderung noch keineswegs alle Gattungen von
Diensten angegeben sind, die durch die Mode und selbst das Bedürfniß erfor¬
dert wurden. Hier mag noch eine kleine Nachlese von Aemtern folgen, die
Sklaven oder Freigelassene großer Häuser bekleideten; sie sind so authentisch
als möglich, denn sie sind von den Grabschriften der Betreffenden entlehnt, also
Titel, die sie sich selbst beigelegt haben. Einige davon haben allerdings zur Hof¬
dienerschaft oder zu dem Hausstande von Mitgliedern des kaiserlichen Hauses
gehört; aber unter der ersten kaiserlichen Regierung war der Zuschnitt der Hof¬
haltung wesentlich derselbe wie in den größten Familien der Monarchie. Auf
den kleinen Steintafeln, die in den gemeinsamen Begräbnissen (Kolumbarien)
der Sklaven und Freigelassenen großer Häuser über den einzelnen Aschentöpfen
angebracht send, findet man unter andern folgende Aemter erwähnt: Briefbo¬
ren, Fackelträger, Laternenträger, Obersänftenträger, stummer Spaßmacher,
Charakterdarsteller iber zuerst erfand Sachwalter zu copiren, wie er von sich
selbst auf seiner Grabschrift rühmt; es war ein Sklav des Kaisers Tiberius),
Kleiderverfertiger, Garderobier für die Kleider zum Ausgehn, Aufseher der sil¬
bernen Trinkgeschirre, der goldnen Speisegeschirre, der Krystallgefäße, Speicher¬
aufseher, Pagenlehrer, Pagensriseur, gymnastischer Arzt der Pagen.




Greiizbolen II.18
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/145>, abgerufen am 01.09.2024.