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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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tern hinter ihm stehn, und ihm passende Citate suppeditiren. Jeder kam ihm
auf ungefähr 700 Thaler zu stehn:. "Ebenso viele Bücherkisten, bemerkte
einer seiner Parasiten, würden dich weniger gekostet haben." Er jedoch bildete
sich ein, die Kenntnisse, die irgend jemand in seinem Hause habe, seien seine
eigenen. Derselbe Spötter forderte ihn aus, sich im Ringen zu versuchen, ob-
wol er im höchsten Grabe elend, krank und hinfällig war. "Wie ist das mög¬
lich? fragte er ; ich lebe ja kaum." Sage das nicht, antwortete der andre. Ver¬
gißt du denn, daß du so viele riesenstarke Sklaven hast?

Auch die Kunst oder das Kunsthandwerk beschäftigte einen nicht geringen
Theil der Sklavenfamilie. Man erinnere sich der künstlerischen Decoration der
Häuser in Herculanum und Pompeji mit ihren Mosaikfußböden, Wandma¬
lereien, statuengeschmückten Säulenhallen und reicher architektonischer Ornamentik
aus Stuck und Marmor; der Rückschluß auf die fürstlichen Paläste Roms führt
Zu einem schwindelerregenden Resultat. Den Römern, die die währe Würde
und den wahren Werth der Kunst nie verstanden haben, war doch die künst¬
lerische Decoration zum Comfort der Existenz unentbehrlich, und wie sehr sie
eS bis in die spätesten Zeiten blieb, davon haben wir ein merkwürdiges Zeug¬
niß in einem urkundlich erhaltenen Edict DiocletiaNs, in welchem zur Abhilfe der
durch Theurung herbeigeführten Mißstände Marimalpreise für alle Lebensmittel,
Producte, Waaren und Lohnarbeiter festgesetzt sind. Unter den Arbeitern,
deren Tagelohn normirt wird, sind auch der Marmorarbeiter und Mosaicist,
der Wandstreicher und Frescomaler, der Thonformer und die übrigen Bildner
und GypSgießer angeführt, also auch damals noch, wo die Kunst längst ab¬
gestorben war, war das Bedürfniß künstlerischer Decoration allgemein verbrei-
tet. Nun vergegenwärtige man sich die ungeheuren Räume der Paläste, die
Mit diesem Schmuck oft bis zur Ueberladung ausgestattet waren; um ihn nur
in Stand zu erhalten, war die unablässige Thätigkeit von Architekten, Bild-
hauern> Malern und Mofaikarbeitern erforderlich, und überdies erforderten die
Sammlungen von Gemälden, Gemmen und Statuen (bei manchen waren
ganze Magazine damit angefüllt) Beaufsichtigung. Zu diesen DecorateurS muß ^
'nan auch die Kunstgärtner rechnen. Terrassen, Dächer und Balkone mit
Orangerien, Blumenbeeten, Sträuchern und Bäumen zu schmücken, war schon
"n Anfang der Kaiserzeit Mode geworden.

Schon oben ist erwähnt worden, daß zu der Sklavenfamilie im größten
Stil auch die Personale zu musikalischen und theatralischen Aufführungen ge¬
hörten. Neben Orchestern und Gesangschören hatte man Virtuosen auf ein¬
zelnen Instrumenten, besonders der Flöte und Laute; Corps de Ballet, Solo¬
tänzer und Tänzerinnen, und verschiedene Truppen für die verschiedenen dra¬
matischen Gattungen; außerdem Wagenlenker und Gladiatoren, die letztern
nicht selten in größern Banden. Allerdings war es nicht der ausschließliche


tern hinter ihm stehn, und ihm passende Citate suppeditiren. Jeder kam ihm
auf ungefähr 700 Thaler zu stehn:. „Ebenso viele Bücherkisten, bemerkte
einer seiner Parasiten, würden dich weniger gekostet haben." Er jedoch bildete
sich ein, die Kenntnisse, die irgend jemand in seinem Hause habe, seien seine
eigenen. Derselbe Spötter forderte ihn aus, sich im Ringen zu versuchen, ob-
wol er im höchsten Grabe elend, krank und hinfällig war. „Wie ist das mög¬
lich? fragte er ; ich lebe ja kaum." Sage das nicht, antwortete der andre. Ver¬
gißt du denn, daß du so viele riesenstarke Sklaven hast?

Auch die Kunst oder das Kunsthandwerk beschäftigte einen nicht geringen
Theil der Sklavenfamilie. Man erinnere sich der künstlerischen Decoration der
Häuser in Herculanum und Pompeji mit ihren Mosaikfußböden, Wandma¬
lereien, statuengeschmückten Säulenhallen und reicher architektonischer Ornamentik
aus Stuck und Marmor; der Rückschluß auf die fürstlichen Paläste Roms führt
Zu einem schwindelerregenden Resultat. Den Römern, die die währe Würde
und den wahren Werth der Kunst nie verstanden haben, war doch die künst¬
lerische Decoration zum Comfort der Existenz unentbehrlich, und wie sehr sie
eS bis in die spätesten Zeiten blieb, davon haben wir ein merkwürdiges Zeug¬
niß in einem urkundlich erhaltenen Edict DiocletiaNs, in welchem zur Abhilfe der
durch Theurung herbeigeführten Mißstände Marimalpreise für alle Lebensmittel,
Producte, Waaren und Lohnarbeiter festgesetzt sind. Unter den Arbeitern,
deren Tagelohn normirt wird, sind auch der Marmorarbeiter und Mosaicist,
der Wandstreicher und Frescomaler, der Thonformer und die übrigen Bildner
und GypSgießer angeführt, also auch damals noch, wo die Kunst längst ab¬
gestorben war, war das Bedürfniß künstlerischer Decoration allgemein verbrei-
tet. Nun vergegenwärtige man sich die ungeheuren Räume der Paläste, die
Mit diesem Schmuck oft bis zur Ueberladung ausgestattet waren; um ihn nur
in Stand zu erhalten, war die unablässige Thätigkeit von Architekten, Bild-
hauern> Malern und Mofaikarbeitern erforderlich, und überdies erforderten die
Sammlungen von Gemälden, Gemmen und Statuen (bei manchen waren
ganze Magazine damit angefüllt) Beaufsichtigung. Zu diesen DecorateurS muß ^
'nan auch die Kunstgärtner rechnen. Terrassen, Dächer und Balkone mit
Orangerien, Blumenbeeten, Sträuchern und Bäumen zu schmücken, war schon
»n Anfang der Kaiserzeit Mode geworden.

Schon oben ist erwähnt worden, daß zu der Sklavenfamilie im größten
Stil auch die Personale zu musikalischen und theatralischen Aufführungen ge¬
hörten. Neben Orchestern und Gesangschören hatte man Virtuosen auf ein¬
zelnen Instrumenten, besonders der Flöte und Laute; Corps de Ballet, Solo¬
tänzer und Tänzerinnen, und verschiedene Truppen für die verschiedenen dra¬
matischen Gattungen; außerdem Wagenlenker und Gladiatoren, die letztern
nicht selten in größern Banden. Allerdings war es nicht der ausschließliche


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[0143] tern hinter ihm stehn, und ihm passende Citate suppeditiren. Jeder kam ihm auf ungefähr 700 Thaler zu stehn:. „Ebenso viele Bücherkisten, bemerkte einer seiner Parasiten, würden dich weniger gekostet haben." Er jedoch bildete sich ein, die Kenntnisse, die irgend jemand in seinem Hause habe, seien seine eigenen. Derselbe Spötter forderte ihn aus, sich im Ringen zu versuchen, ob- wol er im höchsten Grabe elend, krank und hinfällig war. „Wie ist das mög¬ lich? fragte er ; ich lebe ja kaum." Sage das nicht, antwortete der andre. Ver¬ gißt du denn, daß du so viele riesenstarke Sklaven hast? Auch die Kunst oder das Kunsthandwerk beschäftigte einen nicht geringen Theil der Sklavenfamilie. Man erinnere sich der künstlerischen Decoration der Häuser in Herculanum und Pompeji mit ihren Mosaikfußböden, Wandma¬ lereien, statuengeschmückten Säulenhallen und reicher architektonischer Ornamentik aus Stuck und Marmor; der Rückschluß auf die fürstlichen Paläste Roms führt Zu einem schwindelerregenden Resultat. Den Römern, die die währe Würde und den wahren Werth der Kunst nie verstanden haben, war doch die künst¬ lerische Decoration zum Comfort der Existenz unentbehrlich, und wie sehr sie eS bis in die spätesten Zeiten blieb, davon haben wir ein merkwürdiges Zeug¬ niß in einem urkundlich erhaltenen Edict DiocletiaNs, in welchem zur Abhilfe der durch Theurung herbeigeführten Mißstände Marimalpreise für alle Lebensmittel, Producte, Waaren und Lohnarbeiter festgesetzt sind. Unter den Arbeitern, deren Tagelohn normirt wird, sind auch der Marmorarbeiter und Mosaicist, der Wandstreicher und Frescomaler, der Thonformer und die übrigen Bildner und GypSgießer angeführt, also auch damals noch, wo die Kunst längst ab¬ gestorben war, war das Bedürfniß künstlerischer Decoration allgemein verbrei- tet. Nun vergegenwärtige man sich die ungeheuren Räume der Paläste, die Mit diesem Schmuck oft bis zur Ueberladung ausgestattet waren; um ihn nur in Stand zu erhalten, war die unablässige Thätigkeit von Architekten, Bild- hauern> Malern und Mofaikarbeitern erforderlich, und überdies erforderten die Sammlungen von Gemälden, Gemmen und Statuen (bei manchen waren ganze Magazine damit angefüllt) Beaufsichtigung. Zu diesen DecorateurS muß ^ 'nan auch die Kunstgärtner rechnen. Terrassen, Dächer und Balkone mit Orangerien, Blumenbeeten, Sträuchern und Bäumen zu schmücken, war schon »n Anfang der Kaiserzeit Mode geworden. Schon oben ist erwähnt worden, daß zu der Sklavenfamilie im größten Stil auch die Personale zu musikalischen und theatralischen Aufführungen ge¬ hörten. Neben Orchestern und Gesangschören hatte man Virtuosen auf ein¬ zelnen Instrumenten, besonders der Flöte und Laute; Corps de Ballet, Solo¬ tänzer und Tänzerinnen, und verschiedene Truppen für die verschiedenen dra¬ matischen Gattungen; außerdem Wagenlenker und Gladiatoren, die letztern nicht selten in größern Banden. Allerdings war es nicht der ausschließliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/143>, abgerufen am 01.09.2024.