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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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entsteht die Frage, ob dieser Contract.als Kauf oder Miethe behandelt werden
soll. Die hier angegebenen. Preise sind zwar willkürlich gewählt, können sich
aber unmöglich sehr von der Wirklichkeit entfernen.

Wenn man diese Gesichtspunkte im Auge behält, namentlich daß die Un¬
terhaltung der Lurussklaven vielleicht den meisten nicht mehr kostete als die
Arbeit der Nutzungssklaven einbrachte, so verlieren die enormen Zahlen einen
guten Theil deö Wunderbaren und Unglaublichen. Völlig verständlich aber wer¬
den sie erst, wenn man bedenkt, daß neun Zehntel von dem, was im heutigen
Europa durch freie Arbeit geleistet wird, im römischen Alterthum von Sklaven
gethan wurde. Nur ein Theil jener ungeheuren Dienerschaften wurde zur per¬
sönlichen Bedienung und Unterhaltung der Herrschaft, zur Besorgung der Tafel
und Toilette, zur Instandhaltung des Hauses, des Mobiliar und des, sämmt¬
lichen Eigenthums, zur Verwaltung der Geschäfte verwendet; ein andrer, viel¬
leicht nicht geringerer Theil war zur Befriedigung der meisten Bedürfnisse be¬
stimmt, für die jetzt Handwerk und Industrie sorgt, ja zur Gewährung der
Vortheile und Hilfsleistungen, die die Wissenschaft zu bieten, zur Verschönerung
und Veredlung der. Existenz, die die Kunst zu bewirken vermag.

Die Quadern zu dem Palast, in dem der vornehme Mann wohnte, kamen
aus dem Steinbruch, der von seinen Sklaven ausgebeutet, die Ziegel trugen den
Stempel der Fabrik, die von seinen Sklaven betrieben wurde, die Balken waren
in seinen Wäldern von seinen Holzfällern gehauen, vielleicht war selbst der
Architekt, der bey Plan entworfen hatte, ein Leibeigner. Seine Sklaven hat¬
ten die künstlichen Mosaikfußböden in seinen Sälen zusammengefügt, die phan¬
tastischen Arabesken und kleinen stafsirlen Landschaften an den Wänden ge¬
malt, die reichen Verzierungen der.Friese gearbeitet und selbst manche von den
Statuen, die in den Säulenhallen standen, gemacht. Die künstliche Stickerei
der Polster, auf denen die Gäste,bei Tisch ruhten, die zierlichen Tischplatten
von Citronenhvlz, die ciselirten Silbergeräthe,. die auf der Tafel prangten,
kurz ein großer Theil der häuslichen Einrichtung konnte von den Sklaven
des Hauses hergestellt werden, die Gegenstände freilich ausgenommen, die die
Mode vom Auslande zu beziehen vorschrieb. Nicht nur Geräthe und Möbel,
auch Kleidung und Schmuck konnten im Hause verfertigt werben. Die BüHer-
rollen der Bibliothek wurden von gelehrten Abschreibern geschrieben, die der
Herr in Griechenland hatte unterrichten lassen. Die Aerzte des Hauses be¬
handelten die Krankheiten der Angehörigen. Kurz das Haus eines römischen
Großen.war ein kleiner Staat, der bis zu einem gewissen Grade ganz auf sich
selbst beruhte, und wie sein Grundbesitz über alle Provinzen vertheilt war, so
waren in seiner Dienerschaft , alle Nationen vertreten. Der breitschultrige
Sänftenträger war vom Rhein, der braune Norreiter stammte aus einem No-
mabenkral am Fuße des Atlas, die schwarzäugige.Tänzerin war aus Urtel-


entsteht die Frage, ob dieser Contract.als Kauf oder Miethe behandelt werden
soll. Die hier angegebenen. Preise sind zwar willkürlich gewählt, können sich
aber unmöglich sehr von der Wirklichkeit entfernen.

Wenn man diese Gesichtspunkte im Auge behält, namentlich daß die Un¬
terhaltung der Lurussklaven vielleicht den meisten nicht mehr kostete als die
Arbeit der Nutzungssklaven einbrachte, so verlieren die enormen Zahlen einen
guten Theil deö Wunderbaren und Unglaublichen. Völlig verständlich aber wer¬
den sie erst, wenn man bedenkt, daß neun Zehntel von dem, was im heutigen
Europa durch freie Arbeit geleistet wird, im römischen Alterthum von Sklaven
gethan wurde. Nur ein Theil jener ungeheuren Dienerschaften wurde zur per¬
sönlichen Bedienung und Unterhaltung der Herrschaft, zur Besorgung der Tafel
und Toilette, zur Instandhaltung des Hauses, des Mobiliar und des, sämmt¬
lichen Eigenthums, zur Verwaltung der Geschäfte verwendet; ein andrer, viel¬
leicht nicht geringerer Theil war zur Befriedigung der meisten Bedürfnisse be¬
stimmt, für die jetzt Handwerk und Industrie sorgt, ja zur Gewährung der
Vortheile und Hilfsleistungen, die die Wissenschaft zu bieten, zur Verschönerung
und Veredlung der. Existenz, die die Kunst zu bewirken vermag.

Die Quadern zu dem Palast, in dem der vornehme Mann wohnte, kamen
aus dem Steinbruch, der von seinen Sklaven ausgebeutet, die Ziegel trugen den
Stempel der Fabrik, die von seinen Sklaven betrieben wurde, die Balken waren
in seinen Wäldern von seinen Holzfällern gehauen, vielleicht war selbst der
Architekt, der bey Plan entworfen hatte, ein Leibeigner. Seine Sklaven hat¬
ten die künstlichen Mosaikfußböden in seinen Sälen zusammengefügt, die phan¬
tastischen Arabesken und kleinen stafsirlen Landschaften an den Wänden ge¬
malt, die reichen Verzierungen der.Friese gearbeitet und selbst manche von den
Statuen, die in den Säulenhallen standen, gemacht. Die künstliche Stickerei
der Polster, auf denen die Gäste,bei Tisch ruhten, die zierlichen Tischplatten
von Citronenhvlz, die ciselirten Silbergeräthe,. die auf der Tafel prangten,
kurz ein großer Theil der häuslichen Einrichtung konnte von den Sklaven
des Hauses hergestellt werden, die Gegenstände freilich ausgenommen, die die
Mode vom Auslande zu beziehen vorschrieb. Nicht nur Geräthe und Möbel,
auch Kleidung und Schmuck konnten im Hause verfertigt werben. Die BüHer-
rollen der Bibliothek wurden von gelehrten Abschreibern geschrieben, die der
Herr in Griechenland hatte unterrichten lassen. Die Aerzte des Hauses be¬
handelten die Krankheiten der Angehörigen. Kurz das Haus eines römischen
Großen.war ein kleiner Staat, der bis zu einem gewissen Grade ganz auf sich
selbst beruhte, und wie sein Grundbesitz über alle Provinzen vertheilt war, so
waren in seiner Dienerschaft , alle Nationen vertreten. Der breitschultrige
Sänftenträger war vom Rhein, der braune Norreiter stammte aus einem No-
mabenkral am Fuße des Atlas, die schwarzäugige.Tänzerin war aus Urtel-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/136>, abgerufen am 01.09.2024.