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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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läßt Tacitus einen der Redner für die Aufrechthaltung des Gesetzes sprechen.
Der Volksaufruhr wurde militärisch unterdrückt und i00 Sklaven, die sich
grade in dem Hause des Ermordeten zur Zeit der That befunden hatten, hin¬
gerichtet. Diese eine entsetzliche Geschichte läßt uns, beiläufig gesagt, einen
tiefern Blick in das Verhältniß zwischen Sklaven und Sklavenhalter in Rom
thun, als eine Menge von Anekdoten, die gewöhnlich darüber erzählt werden.
Welche Gefahren müssen es gewesen sein, die solche Maßregeln nöthig mach¬
ten! In der That lagen die dringendsten Befürchtungen nahe in einer Stadt,
wo die Zahl der Freien täglich ab-, die der Sklaven täglich zunahm. Der
von Seneca berichtete Vorschlag, der einmal im Senat gemacht wurde, die
Sklaven von den Freien durch eine besondere Tracht zu unterscheiden, wurde
verworfen, weil man fürchtete, sie würden so ihre numerische Überlegenheit
inne werden; und als Kaiser Alexander Severus ihn später wieder aufnahm,
wurde die Ausführung durch den Rath der Juristen Ulpian und Paulus ver¬
eitelt. Ein mäßiger Anschlag der zu Anfang der Kaiserzeit in Rom befind¬
lichen Sklaven ergibt etwa eine Million, während man die Freien jedes
Alters und Geschlechts, ohne die Garnison und die Fremden, auf nicht viel
mehr als 600,000 Seelen veranschlagen kann. .

Die angeführten Zahlen geben noch keineswegs vollständige Vorstellungen
von dem Umfange der Dienerschaften in großen Hause, n; denn namentlich in
vornehmen Familien blieben auch die Freigelassenen im Dienst, und ihre Zahl
war vermuthlich in der Regel nicht sehr viel geringer als die der Sklaven.
Die Sitte, sich mit einer so ungeheuren Dienerschaft zu umgeben, deren Um¬
fang das Bedürfniß in jedem Fall weit überstieg, ist ursprünglich weder grie¬
chisch noch römisch, sondern orientalisch. Zwar war das Institut der Sklaverei
durch den antiken Begriff von der Würde des freien Mannes bedingt, mit
welcher eine Reihe von Arbeiten und Dienstleistungen als unedel und gemein
nicht verträglich gehalten wurden. Aber die träge Ueppigkeit des Orientalen,
der lieber hundert Hände in Bewegung setzt als seine eigne Ruhe unterbricht,
war den Bürgern Spartas und Athens ebenso fremd wie den Zeitgenossen des
ältern Cato und Scipio. Erst seit der Unterwerfung Vorderasiens, das zwar
mit einem Firniß griechischer Cultur überzogen, im innersten Wesen aber orien¬
talisch geblieben war, sand die Sitte in Rom Eingang, Hunderte von müßigen
Sklaven zu halten und mit dieser Hofhaltung zu prunken, deren Mehrzahl nur
zur Befriedigung von Bedürfnissen diente, die ein ausschweifender Lurus erst
geschaffen hatte, während von den übrigen zehn die Arbeit thaten, die einer
hätte verrichten können. Wie weit die Theilung der Arbeit bei diesen Legionen
von Sklaven ging, wird die folgende Schilderung zeigen: wie überall, wo
Leibeigenschaft eristirt, wurde mir der Arbeitskraft höchst verschwenderisch um¬
gegangen. Die Durchschnittspreise der Sklaven sind schwer zu ermitteln, da


läßt Tacitus einen der Redner für die Aufrechthaltung des Gesetzes sprechen.
Der Volksaufruhr wurde militärisch unterdrückt und i00 Sklaven, die sich
grade in dem Hause des Ermordeten zur Zeit der That befunden hatten, hin¬
gerichtet. Diese eine entsetzliche Geschichte läßt uns, beiläufig gesagt, einen
tiefern Blick in das Verhältniß zwischen Sklaven und Sklavenhalter in Rom
thun, als eine Menge von Anekdoten, die gewöhnlich darüber erzählt werden.
Welche Gefahren müssen es gewesen sein, die solche Maßregeln nöthig mach¬
ten! In der That lagen die dringendsten Befürchtungen nahe in einer Stadt,
wo die Zahl der Freien täglich ab-, die der Sklaven täglich zunahm. Der
von Seneca berichtete Vorschlag, der einmal im Senat gemacht wurde, die
Sklaven von den Freien durch eine besondere Tracht zu unterscheiden, wurde
verworfen, weil man fürchtete, sie würden so ihre numerische Überlegenheit
inne werden; und als Kaiser Alexander Severus ihn später wieder aufnahm,
wurde die Ausführung durch den Rath der Juristen Ulpian und Paulus ver¬
eitelt. Ein mäßiger Anschlag der zu Anfang der Kaiserzeit in Rom befind¬
lichen Sklaven ergibt etwa eine Million, während man die Freien jedes
Alters und Geschlechts, ohne die Garnison und die Fremden, auf nicht viel
mehr als 600,000 Seelen veranschlagen kann. .

Die angeführten Zahlen geben noch keineswegs vollständige Vorstellungen
von dem Umfange der Dienerschaften in großen Hause, n; denn namentlich in
vornehmen Familien blieben auch die Freigelassenen im Dienst, und ihre Zahl
war vermuthlich in der Regel nicht sehr viel geringer als die der Sklaven.
Die Sitte, sich mit einer so ungeheuren Dienerschaft zu umgeben, deren Um¬
fang das Bedürfniß in jedem Fall weit überstieg, ist ursprünglich weder grie¬
chisch noch römisch, sondern orientalisch. Zwar war das Institut der Sklaverei
durch den antiken Begriff von der Würde des freien Mannes bedingt, mit
welcher eine Reihe von Arbeiten und Dienstleistungen als unedel und gemein
nicht verträglich gehalten wurden. Aber die träge Ueppigkeit des Orientalen,
der lieber hundert Hände in Bewegung setzt als seine eigne Ruhe unterbricht,
war den Bürgern Spartas und Athens ebenso fremd wie den Zeitgenossen des
ältern Cato und Scipio. Erst seit der Unterwerfung Vorderasiens, das zwar
mit einem Firniß griechischer Cultur überzogen, im innersten Wesen aber orien¬
talisch geblieben war, sand die Sitte in Rom Eingang, Hunderte von müßigen
Sklaven zu halten und mit dieser Hofhaltung zu prunken, deren Mehrzahl nur
zur Befriedigung von Bedürfnissen diente, die ein ausschweifender Lurus erst
geschaffen hatte, während von den übrigen zehn die Arbeit thaten, die einer
hätte verrichten können. Wie weit die Theilung der Arbeit bei diesen Legionen
von Sklaven ging, wird die folgende Schilderung zeigen: wie überall, wo
Leibeigenschaft eristirt, wurde mir der Arbeitskraft höchst verschwenderisch um¬
gegangen. Die Durchschnittspreise der Sklaven sind schwer zu ermitteln, da


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/134>, abgerufen am 01.09.2024.