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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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gegen muß er uns eine entschiedene Protestation verzeihen. Es sind Hexameter,
wie man sie noch nie gehört, Hexameter, die weit über Klopstock hinaus zurück¬
gehen, ja die an die Versuche des 17. Jahrhunderts erinnern, und die nur noch
durch die Pentameter übertreffen werden. Folgende Pentameter werden das Er¬
staunen aller Metriker erregen:


... Seinen Rijcken den Delphin, den Vogel der Fisch! ....
. . . Der ohne Ruder fuhr, mit meines Mundes Gesang ....
. . . Aufgerichtet; es lügt AriouS Fabel nicht ....

Wir sind überzeugt, Arndt wird in unser Gelächter über diese wunderbaren Un¬
geheuer aus das herrlichste selber mit einstimmen. Als der junge Voß Goethe auf
einen siebenfüßigen Hexameter in Hermann und Dorothee aufmerksam machte und
ihm den Bleistift zur Corrsctur hinreichte, antwortete dieser gelassen: "Ja wahr¬
haftig, es sind sieben Füße, die Bestie soll stehen bleiben." Goethe hatte das
Recht, so zu sprechen, und der Dichter des Vaterlandliedes hat wenigstens das Recht,
über seine eignen Pentameter zu lachen.

Arndt gehört nicht eigentlich der griechischen Bildung an; er ist ein Nord¬
länder im vollen Sinne des Worts, und seine Bearbeitung der nordischen Volks-
lieder erfreut ebenso durch die kräftige Nachahmung des Tones, wie durch die
seine musikalische Empfindung. In ihnen erkennen wir den Dichter, der das herr¬
liche Erinnerungslied auf Schenkendorf gesungen, vollständig wieder heraus, mit
seinem starken männlichen Gefühl, seinem gesunden Menschenverstand und in der
stillen bescheidenen Romantik, die auch sein Leben durchschlang. Wir können uns
nicht erwehren, eine kleine ganz einfache Melodie hier anzuführen:


Ich schlief auf einer grünen Wiese ein,
Süß besangen den Maitag die Vögelein,
Mir träumte von Lilien und Rosen im Hain.,
In der Jugend ist Freude, ist Freude.
Mir däuchte, lustig erging ich mich da,
Wo mir von der Liebsten gar Süßes geschah;
Aber ich erwachte, und es war nicht mehr da.
In der Jugend ist Freude, ist Freude.

In dem tapfern Vorwort hört man den alten Arndt, den Propheten der Frei¬
heitskriege :


^ Seid gegrüßt, ihr treuen Alten,
Die dem alte" Gott vertraun,
Durch des Alterthums Gestalten
Hin ans neue Schöpfung schaun.
Her die Hände ans den Glauben,
Der sein Halte fest! uns schreibt,
Und, wie viel anch Narrren schnauben,
Doch das Ewigliche bleibt......
Und so schaun trotz seiger Tadler
Und trotz feiler Knechte Witz,
Wir von fern den deutsche" Adler
Mit dem alten Dvnnerblitz.

gegen muß er uns eine entschiedene Protestation verzeihen. Es sind Hexameter,
wie man sie noch nie gehört, Hexameter, die weit über Klopstock hinaus zurück¬
gehen, ja die an die Versuche des 17. Jahrhunderts erinnern, und die nur noch
durch die Pentameter übertreffen werden. Folgende Pentameter werden das Er¬
staunen aller Metriker erregen:


... Seinen Rijcken den Delphin, den Vogel der Fisch! ....
. . . Der ohne Ruder fuhr, mit meines Mundes Gesang ....
. . . Aufgerichtet; es lügt AriouS Fabel nicht ....

Wir sind überzeugt, Arndt wird in unser Gelächter über diese wunderbaren Un¬
geheuer aus das herrlichste selber mit einstimmen. Als der junge Voß Goethe auf
einen siebenfüßigen Hexameter in Hermann und Dorothee aufmerksam machte und
ihm den Bleistift zur Corrsctur hinreichte, antwortete dieser gelassen: „Ja wahr¬
haftig, es sind sieben Füße, die Bestie soll stehen bleiben." Goethe hatte das
Recht, so zu sprechen, und der Dichter des Vaterlandliedes hat wenigstens das Recht,
über seine eignen Pentameter zu lachen.

Arndt gehört nicht eigentlich der griechischen Bildung an; er ist ein Nord¬
länder im vollen Sinne des Worts, und seine Bearbeitung der nordischen Volks-
lieder erfreut ebenso durch die kräftige Nachahmung des Tones, wie durch die
seine musikalische Empfindung. In ihnen erkennen wir den Dichter, der das herr¬
liche Erinnerungslied auf Schenkendorf gesungen, vollständig wieder heraus, mit
seinem starken männlichen Gefühl, seinem gesunden Menschenverstand und in der
stillen bescheidenen Romantik, die auch sein Leben durchschlang. Wir können uns
nicht erwehren, eine kleine ganz einfache Melodie hier anzuführen:


Ich schlief auf einer grünen Wiese ein,
Süß besangen den Maitag die Vögelein,
Mir träumte von Lilien und Rosen im Hain.,
In der Jugend ist Freude, ist Freude.
Mir däuchte, lustig erging ich mich da,
Wo mir von der Liebsten gar Süßes geschah;
Aber ich erwachte, und es war nicht mehr da.
In der Jugend ist Freude, ist Freude.

In dem tapfern Vorwort hört man den alten Arndt, den Propheten der Frei¬
heitskriege :


^ Seid gegrüßt, ihr treuen Alten,
Die dem alte» Gott vertraun,
Durch des Alterthums Gestalten
Hin ans neue Schöpfung schaun.
Her die Hände ans den Glauben,
Der sein Halte fest! uns schreibt,
Und, wie viel anch Narrren schnauben,
Doch das Ewigliche bleibt......
Und so schaun trotz seiger Tadler
Und trotz feiler Knechte Witz,
Wir von fern den deutsche» Adler
Mit dem alten Dvnnerblitz.

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[0127] gegen muß er uns eine entschiedene Protestation verzeihen. Es sind Hexameter, wie man sie noch nie gehört, Hexameter, die weit über Klopstock hinaus zurück¬ gehen, ja die an die Versuche des 17. Jahrhunderts erinnern, und die nur noch durch die Pentameter übertreffen werden. Folgende Pentameter werden das Er¬ staunen aller Metriker erregen: ... Seinen Rijcken den Delphin, den Vogel der Fisch! .... . . . Der ohne Ruder fuhr, mit meines Mundes Gesang .... . . . Aufgerichtet; es lügt AriouS Fabel nicht .... Wir sind überzeugt, Arndt wird in unser Gelächter über diese wunderbaren Un¬ geheuer aus das herrlichste selber mit einstimmen. Als der junge Voß Goethe auf einen siebenfüßigen Hexameter in Hermann und Dorothee aufmerksam machte und ihm den Bleistift zur Corrsctur hinreichte, antwortete dieser gelassen: „Ja wahr¬ haftig, es sind sieben Füße, die Bestie soll stehen bleiben." Goethe hatte das Recht, so zu sprechen, und der Dichter des Vaterlandliedes hat wenigstens das Recht, über seine eignen Pentameter zu lachen. Arndt gehört nicht eigentlich der griechischen Bildung an; er ist ein Nord¬ länder im vollen Sinne des Worts, und seine Bearbeitung der nordischen Volks- lieder erfreut ebenso durch die kräftige Nachahmung des Tones, wie durch die seine musikalische Empfindung. In ihnen erkennen wir den Dichter, der das herr¬ liche Erinnerungslied auf Schenkendorf gesungen, vollständig wieder heraus, mit seinem starken männlichen Gefühl, seinem gesunden Menschenverstand und in der stillen bescheidenen Romantik, die auch sein Leben durchschlang. Wir können uns nicht erwehren, eine kleine ganz einfache Melodie hier anzuführen: Ich schlief auf einer grünen Wiese ein, Süß besangen den Maitag die Vögelein, Mir träumte von Lilien und Rosen im Hain., In der Jugend ist Freude, ist Freude. Mir däuchte, lustig erging ich mich da, Wo mir von der Liebsten gar Süßes geschah; Aber ich erwachte, und es war nicht mehr da. In der Jugend ist Freude, ist Freude. In dem tapfern Vorwort hört man den alten Arndt, den Propheten der Frei¬ heitskriege : ^ Seid gegrüßt, ihr treuen Alten, Die dem alte» Gott vertraun, Durch des Alterthums Gestalten Hin ans neue Schöpfung schaun. Her die Hände ans den Glauben, Der sein Halte fest! uns schreibt, Und, wie viel anch Narrren schnauben, Doch das Ewigliche bleibt...... Und so schaun trotz seiger Tadler Und trotz feiler Knechte Witz, Wir von fern den deutsche» Adler Mit dem alten Dvnnerblitz.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/127>, abgerufen am 01.09.2024.