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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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französische Esprit. Was die Stoffe betrifft, so suchte man in jener Zeit zwei
Empfindungen von einem sehr verschiedenen Ursprung miteinander zu ver¬
söhnen: die Erinnerungen an die Emigration und die Erinnerungen an das
Kaiserreich. Man wollte ebensowenig die vierzehn glorreichen Jahre ver¬
schmähen, in denen Frankreichs junge Helden die stolze Siegerlaufbahn durch
ganz Europa vollenden, als die vierzehn Jahrhunderte des alten Königthums.
Die chevaleresken Neigungen mischten sich mit dem Patriotismus von 1789,
und die Figuren der alten, in Eisen gekleideten Ritter, der sittigen Burg-
fräulein und der Troubadoure drängten sich zwischen die Grenadiere der alten
Garde und die Lisetten BvrangerS. Unter den ersten Oden Delphinens steht
eine an die Jungfrau von Orleans dicht neben einer andern an den General
Foy, und ein hochklingender Liberalismus wechselt mit der Romantik der
Troubadours ab. Aus diese Weise dichtete sie fort, bis nach der Julirevolution,
wo sie Emile Girardin heirathete, jenen geistvollen und glänzenden Abenteurer,
der die industrielle Literatur auf eine nie wieder zu erreichende Höhe ge¬
trieben hat.

Das erste Gedicht, in welchem sich ihre Natur freien Spielraum ließ,
und zugleich ihr gelungenstes, war ^apollns (-1834); Träumerei und Ironie,
Anmuth und bitterer Spott, Enthusiasmus und Blasirtheit, Glaube und
Realismus, das alles drängt sich hier in bunter Mischung durcheinander, aber
ohne jene Tiraden, die ihre frühern Gedichte entstellt hatten, in einer elegan¬
ten Form und mit überströmenden Esprit, wie man ihn sonst nur bei Alfred
de Musset findet. Die Heldin ist eine Tochter Napoleons, in ihren Talenten
wie in ihren Neigungen ihres Vaters würdig:


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Aals kemwe <Jo gönis, ot tsmwv poenae it taut,

kurz, sie ist daS leibhaftige Ideal der Dichterin; voll von Liebe und Enthu¬
siasmus ist sie doch von dem Treiben der feinen Welt besangen, der feenhafte
Glanz der Bälle und deS Salons ist ihre Atmosphäre, obgleich sie mit feiner
Malice dagegen aufzutreten weiß. Sie liebt einen interessanten jungen Mann
und sieht, daß sie in ihrer Liebe betrogen ist.


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Aber sie ist zugleich Weltdame, und sie weiß sich zu fassen.


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französische Esprit. Was die Stoffe betrifft, so suchte man in jener Zeit zwei
Empfindungen von einem sehr verschiedenen Ursprung miteinander zu ver¬
söhnen: die Erinnerungen an die Emigration und die Erinnerungen an das
Kaiserreich. Man wollte ebensowenig die vierzehn glorreichen Jahre ver¬
schmähen, in denen Frankreichs junge Helden die stolze Siegerlaufbahn durch
ganz Europa vollenden, als die vierzehn Jahrhunderte des alten Königthums.
Die chevaleresken Neigungen mischten sich mit dem Patriotismus von 1789,
und die Figuren der alten, in Eisen gekleideten Ritter, der sittigen Burg-
fräulein und der Troubadoure drängten sich zwischen die Grenadiere der alten
Garde und die Lisetten BvrangerS. Unter den ersten Oden Delphinens steht
eine an die Jungfrau von Orleans dicht neben einer andern an den General
Foy, und ein hochklingender Liberalismus wechselt mit der Romantik der
Troubadours ab. Aus diese Weise dichtete sie fort, bis nach der Julirevolution,
wo sie Emile Girardin heirathete, jenen geistvollen und glänzenden Abenteurer,
der die industrielle Literatur auf eine nie wieder zu erreichende Höhe ge¬
trieben hat.

Das erste Gedicht, in welchem sich ihre Natur freien Spielraum ließ,
und zugleich ihr gelungenstes, war ^apollns (-1834); Träumerei und Ironie,
Anmuth und bitterer Spott, Enthusiasmus und Blasirtheit, Glaube und
Realismus, das alles drängt sich hier in bunter Mischung durcheinander, aber
ohne jene Tiraden, die ihre frühern Gedichte entstellt hatten, in einer elegan¬
ten Form und mit überströmenden Esprit, wie man ihn sonst nur bei Alfred
de Musset findet. Die Heldin ist eine Tochter Napoleons, in ihren Talenten
wie in ihren Neigungen ihres Vaters würdig:


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Aals kemwe <Jo gönis, ot tsmwv poenae it taut,

kurz, sie ist daS leibhaftige Ideal der Dichterin; voll von Liebe und Enthu¬
siasmus ist sie doch von dem Treiben der feinen Welt besangen, der feenhafte
Glanz der Bälle und deS Salons ist ihre Atmosphäre, obgleich sie mit feiner
Malice dagegen aufzutreten weiß. Sie liebt einen interessanten jungen Mann
und sieht, daß sie in ihrer Liebe betrogen ist.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/109>, abgerufen am 28.07.2024.