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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band.

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Tiefe unmittelbar an das Gestade heran. Die Tiefe von fünfzehn Faden, in
der Mitte deS tromper Wiek, verringert sich nach dem Strande zu auf sieben
und fünf, indeß nur in ziemlich dichter Nähe auf vier und drei. Die noth¬
wendigen Durchsticharbeiten würden sich mithin muthmaßlich blos auf eine
Durchschneidung des Isthmus oder der Schaabe mittelst eines Kanals von
etwa 30 Fuß Wassertiefe beschränken.

Wenn man Stralsund und Altsähr als die naturgebotenen Uebergangs-
punkte betrachtet, liegt der große jasmunder Bodden dem Festlande nicht ent¬
legener wie der selliner See: und er hat dabei gegen die See eine vorge¬
schobenere Position inne, indem er sich mehr auf die Capitale der Insel
gerückt befindet. Vom selliner See aus würden die Schiffe, welche nach West
steuern, erst die Insel zu umsegeln haben; aus dem jasmunder Bodden aus-
laufend beherrschen sie aber in demselben Maße beide Hauptrichtungen des
baltischen Meeres und vermögen sich mit derselben Leichtigkeit westlich oder öst¬
lich zu wenden. Hierzu kommt noch eins. Der jasmunder Bodden ist, in An¬
betracht seines Zweckes, von einer unbegrenzten Ausdehnung, auch wenn
Preußens Marine, wie wir hoffen wolle", zu einer den sonstigen Verhältnissen
des Staates und seiner weitzielenden Mission proportionalen Größe angewach¬
sen sein wird, hat er Raum genug, um sie ganz in sich aufzunehmen. Aus
diesen Gründen muß man die schließlich getroffene Wahl des Punktes als eine
glückliche bezeichnen. Aber auch hinsichtlich der technischen Ausführung kann
man Tüchtiges erwarten, indem mit derselben, so weit es sich um den sortisi-
catorischen Entwurf handelt, einer der ersten Ingenieure der Welt, der General¬
major Moritz von Prittwitz betraut worden ist. Heute läuft nur ein Landweg
von Altfähr nach Bergen. Derselbe wird ehestens bis zum großen jasmun¬
der Bodden verlängert und baldigst durch sine Chaussee erfetzt sein^ und wenn
erst alles feststehen wird, dürfte eine Eisenbahn in derselben Richtung nicht
lange auf sich warten lassen. Alsdann, und wenn Stralsund durch eine
solche Bahn mit Berlin verbunden sein wird, mag man binnen zwölf Stun¬
den von der preußischen Hauptstadt zum großen preußischen Kriegshafen ge¬
langen können. Mit solchen Beförderungsmitteln wird man ein Armeecorps
etwa in dreimal so viel Zeit dorthin senden, und eine ganze Armee innerhalb
einer Woche auf Jasmund versammeln können. Dann wird die preußische
Flagge, die hoch von Arkona herniederweht, als ein größeres Machtzeichen weit
ins Meer hinausschauen wie heute. Möchte der Tag bald kommen, wo min¬
destens fünfzig mächtige Dampfer sie tragen. Es ist ein beklemmendes Gefühl,
die Ostsee, dieses urgermanische Meer, heute in den Händen einer slawischen
Kriegsflotte zu wissen, und ein demüthigendes dazu, da eS in unserer Macht
steht, die Verhältnisse anders zu gestalten!




Tiefe unmittelbar an das Gestade heran. Die Tiefe von fünfzehn Faden, in
der Mitte deS tromper Wiek, verringert sich nach dem Strande zu auf sieben
und fünf, indeß nur in ziemlich dichter Nähe auf vier und drei. Die noth¬
wendigen Durchsticharbeiten würden sich mithin muthmaßlich blos auf eine
Durchschneidung des Isthmus oder der Schaabe mittelst eines Kanals von
etwa 30 Fuß Wassertiefe beschränken.

Wenn man Stralsund und Altsähr als die naturgebotenen Uebergangs-
punkte betrachtet, liegt der große jasmunder Bodden dem Festlande nicht ent¬
legener wie der selliner See: und er hat dabei gegen die See eine vorge¬
schobenere Position inne, indem er sich mehr auf die Capitale der Insel
gerückt befindet. Vom selliner See aus würden die Schiffe, welche nach West
steuern, erst die Insel zu umsegeln haben; aus dem jasmunder Bodden aus-
laufend beherrschen sie aber in demselben Maße beide Hauptrichtungen des
baltischen Meeres und vermögen sich mit derselben Leichtigkeit westlich oder öst¬
lich zu wenden. Hierzu kommt noch eins. Der jasmunder Bodden ist, in An¬
betracht seines Zweckes, von einer unbegrenzten Ausdehnung, auch wenn
Preußens Marine, wie wir hoffen wolle», zu einer den sonstigen Verhältnissen
des Staates und seiner weitzielenden Mission proportionalen Größe angewach¬
sen sein wird, hat er Raum genug, um sie ganz in sich aufzunehmen. Aus
diesen Gründen muß man die schließlich getroffene Wahl des Punktes als eine
glückliche bezeichnen. Aber auch hinsichtlich der technischen Ausführung kann
man Tüchtiges erwarten, indem mit derselben, so weit es sich um den sortisi-
catorischen Entwurf handelt, einer der ersten Ingenieure der Welt, der General¬
major Moritz von Prittwitz betraut worden ist. Heute läuft nur ein Landweg
von Altfähr nach Bergen. Derselbe wird ehestens bis zum großen jasmun¬
der Bodden verlängert und baldigst durch sine Chaussee erfetzt sein^ und wenn
erst alles feststehen wird, dürfte eine Eisenbahn in derselben Richtung nicht
lange auf sich warten lassen. Alsdann, und wenn Stralsund durch eine
solche Bahn mit Berlin verbunden sein wird, mag man binnen zwölf Stun¬
den von der preußischen Hauptstadt zum großen preußischen Kriegshafen ge¬
langen können. Mit solchen Beförderungsmitteln wird man ein Armeecorps
etwa in dreimal so viel Zeit dorthin senden, und eine ganze Armee innerhalb
einer Woche auf Jasmund versammeln können. Dann wird die preußische
Flagge, die hoch von Arkona herniederweht, als ein größeres Machtzeichen weit
ins Meer hinausschauen wie heute. Möchte der Tag bald kommen, wo min¬
destens fünfzig mächtige Dampfer sie tragen. Es ist ein beklemmendes Gefühl,
die Ostsee, dieses urgermanische Meer, heute in den Händen einer slawischen
Kriegsflotte zu wissen, und ein demüthigendes dazu, da eS in unserer Macht
steht, die Verhältnisse anders zu gestalten!




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[0102] Tiefe unmittelbar an das Gestade heran. Die Tiefe von fünfzehn Faden, in der Mitte deS tromper Wiek, verringert sich nach dem Strande zu auf sieben und fünf, indeß nur in ziemlich dichter Nähe auf vier und drei. Die noth¬ wendigen Durchsticharbeiten würden sich mithin muthmaßlich blos auf eine Durchschneidung des Isthmus oder der Schaabe mittelst eines Kanals von etwa 30 Fuß Wassertiefe beschränken. Wenn man Stralsund und Altsähr als die naturgebotenen Uebergangs- punkte betrachtet, liegt der große jasmunder Bodden dem Festlande nicht ent¬ legener wie der selliner See: und er hat dabei gegen die See eine vorge¬ schobenere Position inne, indem er sich mehr auf die Capitale der Insel gerückt befindet. Vom selliner See aus würden die Schiffe, welche nach West steuern, erst die Insel zu umsegeln haben; aus dem jasmunder Bodden aus- laufend beherrschen sie aber in demselben Maße beide Hauptrichtungen des baltischen Meeres und vermögen sich mit derselben Leichtigkeit westlich oder öst¬ lich zu wenden. Hierzu kommt noch eins. Der jasmunder Bodden ist, in An¬ betracht seines Zweckes, von einer unbegrenzten Ausdehnung, auch wenn Preußens Marine, wie wir hoffen wolle», zu einer den sonstigen Verhältnissen des Staates und seiner weitzielenden Mission proportionalen Größe angewach¬ sen sein wird, hat er Raum genug, um sie ganz in sich aufzunehmen. Aus diesen Gründen muß man die schließlich getroffene Wahl des Punktes als eine glückliche bezeichnen. Aber auch hinsichtlich der technischen Ausführung kann man Tüchtiges erwarten, indem mit derselben, so weit es sich um den sortisi- catorischen Entwurf handelt, einer der ersten Ingenieure der Welt, der General¬ major Moritz von Prittwitz betraut worden ist. Heute läuft nur ein Landweg von Altfähr nach Bergen. Derselbe wird ehestens bis zum großen jasmun¬ der Bodden verlängert und baldigst durch sine Chaussee erfetzt sein^ und wenn erst alles feststehen wird, dürfte eine Eisenbahn in derselben Richtung nicht lange auf sich warten lassen. Alsdann, und wenn Stralsund durch eine solche Bahn mit Berlin verbunden sein wird, mag man binnen zwölf Stun¬ den von der preußischen Hauptstadt zum großen preußischen Kriegshafen ge¬ langen können. Mit solchen Beförderungsmitteln wird man ein Armeecorps etwa in dreimal so viel Zeit dorthin senden, und eine ganze Armee innerhalb einer Woche auf Jasmund versammeln können. Dann wird die preußische Flagge, die hoch von Arkona herniederweht, als ein größeres Machtzeichen weit ins Meer hinausschauen wie heute. Möchte der Tag bald kommen, wo min¬ destens fünfzig mächtige Dampfer sie tragen. Es ist ein beklemmendes Gefühl, die Ostsee, dieses urgermanische Meer, heute in den Händen einer slawischen Kriegsflotte zu wissen, und ein demüthigendes dazu, da eS in unserer Macht steht, die Verhältnisse anders zu gestalten!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103666/102>, abgerufen am 28.07.2024.