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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band.

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von 1863 zurück, die, nachdem vorher die constituirenden Cortes aufgelöst waren,
Mitte September wieder hergestellt wurde. Eine ihr beigefügte Additionalacte,
in welcher der Minister des Innern seine ganze Staatsmeisheit niedergelegt
hatte, sollte provisorisch bis zum Beschluß der einzuberufenden Cortes Gel¬
tung haben. Sie enthielt manche freisinnige und werthvolle Bestimmungen.
Preßvergehn sollten durch Geschworene gerichtet, die Cortes mindestens vier
Monate im Jahre versammelt, im Fall des Belagerungszustandes nicht mehr
die Deportation verhängt werden. In Betreff des Senats war bestimmt, daß
nur während der Dauer der Session Ernennungen von Senatoren geschehen
dürften. Dies sollte durch einen moralischen Zwang dem Unfug steuern, den
die der Julirevolution vorhergehenden Ministerien mit den Ernennungen von
Senatoren getrieben hatten, die zuletzt ein solches Uebermaß erreichten, daß
die Zahl des Senats die des Congresses überstieg, und seine Zusammensetzung
ihn in der öffentlichen Achtung discreditirte, während sie, wie der Beschluß
gegen Sartorius in der Eisenbahnfrage gezeigt hatte, der Regierung trotzdem
keine Garantien bot. Der frühere Senat wurde deshalb aufgelöst und sollte
neugebildet, bis zum Zusammentritt der Cortes indeß seine Zahl über -ki0
Mitglieder nicht ausgedehnt werden.

Größere Schwierigkeit indeß als die Verfassungsfrage bereitete dem Cabi-
net das Desamortisationsgesetz. Unter den ersten Decreten deS Ministe¬
riums O'Dommel befand sich ein Circular des Finanzministers Cantero, daS
die betreffenden Behörden anwies, im Verkauf der Nationalgüter, einschlie߬
lich der geistlichen, mit Eiser fortzufahren. Dies geschah am 1i. Juli, als die
Schlacht gegen die Progressisten noch nicht durchgefochten war. Jetzt war die
Gefahr vorüber und der klerikale Einfluß allmächtig am Hofe. Die Königin,
der dies Gesetz abgedrungen worden, war unermüdlich in dem Verlangen an
ihre Räthe, dasselbe, wenigstens insoweit eS den KlerUS betraf, als dem Concordat
zuwider, zu suspendiren, und sie fand bei Rios Rosas, der seiner Zeit in den
Cortes dagegen gestimmt hatte, bereitwillige Unterstützung. Gegen dieses Zuge-
ständniß sträubte sich O'Dommel am längsten und hartnäckigsten. Doch endlich
wurde er auch hierin zur Nachgiebigkeit gezwungen. Cantero trat zurück, wurde
durch einen Beamten des Finanzministeriums, Namens Salavierra, ersetzt und
die Suspension des Verkaufs der geistlichen Güter erschien in der Gaceta.
Das letzte Banv, welches das Ministerium noch an die Julirevolution knüpfte,
war damit zerrissen.

Doch weit entfernt mit allem diesem seine Stellung zu befestigen, erschüt¬
terte sie O'Dommel nur mehr und mehr. Sein Ansehn war geschwunden und
sein naher Sturz wurde als unvermeidlich betrachtet. Die Organe der ent-
schiedneren Modcradopartei führten trotz des Belagerungszustandes die heftigste
Sprache gegen das Cabinet und stellten den Herzog von Valencia alö den


von 1863 zurück, die, nachdem vorher die constituirenden Cortes aufgelöst waren,
Mitte September wieder hergestellt wurde. Eine ihr beigefügte Additionalacte,
in welcher der Minister des Innern seine ganze Staatsmeisheit niedergelegt
hatte, sollte provisorisch bis zum Beschluß der einzuberufenden Cortes Gel¬
tung haben. Sie enthielt manche freisinnige und werthvolle Bestimmungen.
Preßvergehn sollten durch Geschworene gerichtet, die Cortes mindestens vier
Monate im Jahre versammelt, im Fall des Belagerungszustandes nicht mehr
die Deportation verhängt werden. In Betreff des Senats war bestimmt, daß
nur während der Dauer der Session Ernennungen von Senatoren geschehen
dürften. Dies sollte durch einen moralischen Zwang dem Unfug steuern, den
die der Julirevolution vorhergehenden Ministerien mit den Ernennungen von
Senatoren getrieben hatten, die zuletzt ein solches Uebermaß erreichten, daß
die Zahl des Senats die des Congresses überstieg, und seine Zusammensetzung
ihn in der öffentlichen Achtung discreditirte, während sie, wie der Beschluß
gegen Sartorius in der Eisenbahnfrage gezeigt hatte, der Regierung trotzdem
keine Garantien bot. Der frühere Senat wurde deshalb aufgelöst und sollte
neugebildet, bis zum Zusammentritt der Cortes indeß seine Zahl über -ki0
Mitglieder nicht ausgedehnt werden.

Größere Schwierigkeit indeß als die Verfassungsfrage bereitete dem Cabi-
net das Desamortisationsgesetz. Unter den ersten Decreten deS Ministe¬
riums O'Dommel befand sich ein Circular des Finanzministers Cantero, daS
die betreffenden Behörden anwies, im Verkauf der Nationalgüter, einschlie߬
lich der geistlichen, mit Eiser fortzufahren. Dies geschah am 1i. Juli, als die
Schlacht gegen die Progressisten noch nicht durchgefochten war. Jetzt war die
Gefahr vorüber und der klerikale Einfluß allmächtig am Hofe. Die Königin,
der dies Gesetz abgedrungen worden, war unermüdlich in dem Verlangen an
ihre Räthe, dasselbe, wenigstens insoweit eS den KlerUS betraf, als dem Concordat
zuwider, zu suspendiren, und sie fand bei Rios Rosas, der seiner Zeit in den
Cortes dagegen gestimmt hatte, bereitwillige Unterstützung. Gegen dieses Zuge-
ständniß sträubte sich O'Dommel am längsten und hartnäckigsten. Doch endlich
wurde er auch hierin zur Nachgiebigkeit gezwungen. Cantero trat zurück, wurde
durch einen Beamten des Finanzministeriums, Namens Salavierra, ersetzt und
die Suspension des Verkaufs der geistlichen Güter erschien in der Gaceta.
Das letzte Banv, welches das Ministerium noch an die Julirevolution knüpfte,
war damit zerrissen.

Doch weit entfernt mit allem diesem seine Stellung zu befestigen, erschüt¬
terte sie O'Dommel nur mehr und mehr. Sein Ansehn war geschwunden und
sein naher Sturz wurde als unvermeidlich betrachtet. Die Organe der ent-
schiedneren Modcradopartei führten trotz des Belagerungszustandes die heftigste
Sprache gegen das Cabinet und stellten den Herzog von Valencia alö den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_103132/60>, abgerufen am 23.07.2024.